Muttersprache 2/2008

Elsen, Hilke
Die sprachliche Gestaltung phantastischer Szenarien – die Rolle der Namen

Wie werden fiktive Welten sprachlich gestaltet und welche Rolle spielen die Namen dabei? Dies ist die Ausgangsfrage für den vorliegenden Artikel. Es zeigt sich, dass sowohl das Verhältnis von etablierten Namen zu Kunstnamen eine gewisse Aussagekraft hat als auch die Lautstruktur vieler Beispiele. Der gehäufte Gebrauch von bekannten gegenüber Kunstnamen weist auf realistische Zusammenhänge und gewöhnliche Menschen hin. Im Gegensatz dazu kennzeichnet eine größere Menge an Kunstwörtern irreale Kulissen und fremdartige Wesen. Bei den Namen für bestimmte Referentengruppen schließlich kommt es zu lautsymbolischen Effekten, die ebenfalls zum Aufbau phantastischer Konzepte beitragen.

How do authors create fantastic worlds? This article examines the conception of imaginary plots and characters and the use of one special stylistic device: proper names. It will be shown that the relation between established and manufactured names is relevant as well as the sound structure of the words. The use of many well-known names in contrast to fabricated ones indicates real surroundings and ordinary human beings, whereas a high number of manufactured names indicates irreal settings and aliens. Furthermore, sound symbolic effects are uncovered for the names of certain groups of referents.

Ziem, Alexander
»Heuschrecken« in Wort und Bild: Zur Karriere einer Metapher

Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrages steht die Analyse der metaphorischen Beschreibung und Stigmatisierung von Finanzinvestoren als Heuschrecken. Nachdem der damalige SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering zu Beginn der so genannten »Kapitalismusdebatte« im April 2005 erstmalig Finanzinvestoren mit Heuschrecken verglichen hat, hat sich diese Metapher zu einem multifunktional einsetzbaren Kollektivsymbol verfestigt. Zur groben metapherngeschichtlichen Einordnung versucht der Beitrag zunächst, wichtige historische Etappen des metaphorischen Gebrauchs von Heuschrecke/n zu rekonstruieren. Eine korpusbasierte Metaphernanalyse gibt dann Aufschluss über die spezifische Bedeutungsprägung im Rahmen der »Kapitalismusdebatte«. Um schließlich multimodale Aspekte der Bedeutungskonstruktion in die Untersuchung einzubeziehen, wird das Korpus um Bildmaterial ergänzt.

This paper analyzes the metaphor locust/s which was introduced by the former SPD-minister of labour Franz Müntefering in order to describe and stigmatize financial investors. After Müntefering has compared financial investors with locusts in the beginning of the so-called »capitalism debate«, April 2005, for the first time, the metaphor entrenched considerably and became a multifariously applicable collective symbol. First, the paper tries to give a short historical overview of former metaphoric uses of locust/s. Results of a corpus-based study then help to explain important semantic specifications in the context of the »capitalism debate«. Finally, pictorial representations of the metaphor are analyzed, in order to also take account of multimodal aspects of meaning constructions.

Spreckels, Janet
»Ham die dir’s schon erklärt?« Worterklärungen im schulischen und außerschulischen Kontext

Erklären können ist nicht nur in Institutionen wie der Schule oder Universität eine Schlüsselkompetenz, sondern spielt auch in vielen anderen Berufsfeldern und im Alltag eine große Rolle. Der Beitrag vergleicht mündliche Worterklärungen von Jugendlichen in der Schule und im informellen Gespräch und arbeitet dabei verschiedene Entstehens- und Gelingensbedingungen dieses Sprechhandlungsmusters heraus. Dabei wird auf die Besonderheit gruppenspezifischer und jugendsprachlicher Ausdrücke in Erklärsituationen eingegangen. Mithilfe der Gesprächsanalyse werden besonders die interaktionale Komponente von Erklärprozessen und die sprachlichkommunikativen Strategien und Ressourcen der Beteiligten herausgearbeitet.

The ability to explain something is not only a core competence in institutionalized settings such as school and university, but also plays an important role in many other fields of work and everyday life. This paper compares two different circumstances in which explanations occur and (partially) succeed in on-going interactions: adolescents’ oral word explanations in a school context and in informal conversation. The article also explores the special case of explaining group-specific and youth language expressions. By means of conversation analysis, the paper focuses on the interactional factor of explanation processes as well as linguistic and communicative strategies and resources employed by the interlocutors.

Buselmeier, Karin
Schulerfolg und Mehrsprachigkeit. Anmerkungen zu einigen Publikationen von Gesa Siebert-Ott

2006, in der ersten Jahreshälfte, wurde eine teilweise äußerst polemische Mediendebatte geführt über die Sprachregelung an einer Realschule im Berliner Wedding. Nicht zuletzt angesichts der babylonischen Sprachenvielfalt unter den Schülern hatte die Schulkonferenz entschieden: »Die Schulsprache unserer Schule ist Deutsch.« Besonders türkische Medien und Verbände sowie Vertreter der Grünen und andere Multikulti-Verfechter skandalisierten den Beschluss, von »Zwangssprache« war die Rede und von »Germanisierungsdruck«. Auch die Siegener Linguistin Gesa Siebert-Ott, Verfasserin renommierter Arbeiten zum Themenkomplex Mehrsprachigkeit und Möglichkeiten der sprachlichen Förderung von Kindern, deren Familiensprache nicht die Schulsprache ist, griff mit einem alsbald ins Netz gestellten Beitrag in die Kontroverse ein. In »Deutsch (lernen) auf dem Schulhof?« legt sie dar, dass weder die Befürworter noch die Kritiker des Schulsprachenbeschlusses sich auf den vielzitierten kanadischen Sprachwissenschaftler Jim Cummins und seine Stellungnahmen zur Bedeutung des herkunftssprachlichen Unterrichts berufen können.

In the first half of 2006, a public debate emerged prompted by the language regulation of a secondary school in Wedding, a suburb of Berlin. Given the Babylonian language diversity among its students teachers, parents and students had decided: »The language of our school is German.« This decision provoked strong condemnations, particularly by Turkish media and civil society organisations, by representatives of the Green Party and other advocates of multiculturalism. Critics bemoaned the imposition of a »compulsory language« and the »enforced germanization«. Among those participating in the debate was the linguist Gesa Siebert-Ott, who has published major works on multilingualism and language training for children whose mother tongue is not the language of instruction at school. In her contribution »(Learning) German in the Schoolyard?« she argued that none of the contending parties, neither critics nor defenders of the controversial language regulation, can base their claims on the often quoted Canadian linguist Jim Cummins and his studies on the importance of mother-tongue education.

Bergmann, Christian
Die Augen der Buddenbrooks. Ein Bezeichnungsfeld in Thomas Manns Roman

Bereits in seinem Erstlingsroman Buddenbrooks erweist sich Thomas Mann als herausragender Menschendarsteller. Dass er es versteht, seine Romanfiguren lebendig werden zu lassen, ist nicht zuletzt der Sorgfalt zu verdanken, mit der er ihre Augen gestaltet. Deshalb erfasst die vorliegende Untersuchung sämtliche Benennungen für das menschliche Sehorgan mit allen seinen Einzelteilen in Thomas Manns Roman und ordnet sie den wichtigsten Figuren zu. In diese Analyse werden auch Kontextpartner einbezogen. Diese erweisen sich hauptsächlich als Bezeichnungen für seelisches Geschehen. Dadurch lässt sich in einem eng begrenzten Bereich der lexikalischen Struktur des Textes zeigen, wie sich meisterhafte Wortkunst und psychologische Tiefenschärfe miteinander vereinigen.

Already in his first novel Buddenbrooks Thomas Mann proves to be an excellent creator of human beings. That the figures of his novel come to life is mainly caused by the care he takes to draw their eyes. Therefore the present study collects all the words for the human organ of sight with all its component parts and puts them to the main representatives of the novel. Partners in the context are integrated into this analysis. They are mostly names for the state of mind. By this way it is possible to show in a strong limited district of the lexical structure of the text how the artistic use of words unites with psychological depth of field.

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