Muttersprache 2/2015
Burkhardt, Armin
»Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich«. Wie missverständliche Formulierungen die Berliner Mauer zum Einsturz brachten
Die unklaren Formulierungen, die Günter Schabowski – damals Sekretär des ZK der SED für Informationswesen – auf seiner berühmten Pressekonferenz wählte bzw. aus dem Entwurf eines neuen Reisegesetzes der DDR zitierte, haben sehr dazu beigetragen, dass in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 die Berliner Mauer fiel. Aus Anlass des 25. Jubiläums dieses denkwürdigen Tages werden zunächst die politischen und gesellschaftlichen Umstände beleuchtet, die zu der Pressekonferenz führten. Durch linguistische (v. a. lexikalisch semantische) Analyse der Äußerungen Schabowskis in ihrem historischen Kontext wird sodann erläutert, wie es zu dem gigantischen, aber für die Deutschen so erfreulichen Missverständnis kommen konnte und welchen Anteil die Medien daran hatten.
The vague wording chosen and/or quoted from the draft of a new GDR travel law by Günter Schabowski, then secretary of the Central Committee of the SED for Information, in his famous press conference contributed greatly to the fact that the Berlin Wall fell in the night of 9th to 10th November 1989. On the occasion of the 25th anniversary of that memorable day, first the political and social circumstances which led to the press conference are examined. Through linguistic (especially lexical-semantic) analysis of Schabowski‘s words in their historical context it is then explained how the gigantic misunderstanding, which was such a happy event for the Germans, came about and what was the contribution of the media to it.
Donalies, Elke
Ich träume von Casablanca, Armer Ritter, Studentenkuss. Kostümierte Benennungen von Gerichten und Getränken
Damit wir uns über Gerichte und Getränke verständigen können, benennen wir sie. Viele Benennungen informieren über Zutaten oder Zubereitung, zum Beispiel Geschmortes Lamm mit rosa Pfeffer. In diesem Beitrag geht es um Benennungen anderer, besonderer Art, zum Beispiel Benennungen wie Ich träume von Casablanca, Armer Ritter und Studentenkuss. Ich nenne sie kostümierte Benennungen, weil sie das Benannte komplett verkleiden. Wir müssen schon wissen oder noch in Erfahrung bringen, um was es sich handelt. Der Beitrag analysiert diesen speziellen Typ von Benennungen morphologisch und semantisch, er zeigt die Strukturen und Sinnhintergründe der Benennungen auf.
In order to be able to communicate about dishes and beverages we name them. Many denominations inform about ingredients or preparation, for example Geschmortes Lamm mit rosa Pfeffer (›stewed lamb with pink pepper‹). The subject of this article is another, special kind of denomination, such as Ich träume von Casablanca (›I dream about Casablanca‹), Armer Ritter (›poor knight‹) und Studentenkuss (›student’s kiss‹). I call them costumed denominations because they completely disguise the denominated object. We have to know or find out what kind of object is meant. This article gives an analysis of this special kind of denominations with regard to morphological and semantic aspects and illustrates the structures and backgrounds.
Henne, Helmut
»Abgesang« – 20 April ’45 im »Echolot«
Der 10. und letzte Band der Reihe »Das Echolot« von Walter Kempowski, »Abgesang ’45«, wird in seinem ersten Teil, »Führers Geburtstag« (20. 4.), einer Analyse unterzogen, die Kempowskis »collagierende« Vorgehensweise aufdeckt. Interpretative und sprachkritische Anmerkungen versuchen, in das Geflecht von Paratexten, paratextueller Bilderwelt und authentischen Texten einzudringen und – exemplarisch – den »Abgesang« als grausamen und zugleich befreienden »Abschied« vorzuführen – vom Führerbunker bis zu den KZ-Todesmärschen, von Uhlands »Frühlingsglaube« bis zur erhofften Befreiung aus der Hölle. Das Projekt »Echolot« findet sein »Zentrum« (Kempowski) im Jahr 1945.
The 10th and last volume of Walter Kempowski’s »Echolot« [›echo sounder‹], entitled »Abgesang ‘45« [›farewell‹], in its first part, »Führer’s birthday« (20. 4.), is subjected to an analysis that reveals Kempowski’s »collagist« approach. Interpretive and language critical remarks attempt to penetrate the network of paratexts, paratextual imagery and authentic texts and to present »Abgesang«, in an exemplary way, as a cruel and at the same time liberating kind of farewell – from Führer’s bunker to the death marches to the concentration camps, from Uhland’s »Frühlingsglaube« to the awaited liberation from hell. The project »Echolot« has its »center« (Kempowski) in the year 1945.
Bülow, Lars/Herz, Matthias
Undoing Gender? Ein Abgleich sprachpolitischer Maßnahmen in Rechtstexten mit dem tatsächlichen Sprachgebrauch junger Frauen
Unser Beitrag beschäftigt sich mit der aktuellen Beobachtung einiger Linguistinnen und Linguisten, dass insbesondere junge Frauen sich nicht bemühen würden, gendergerecht zu sprechen oder zu schreiben (vgl. Wetschanow/Doleschal 2013: 323; Spieß/Günthner/Hüpper 2012: 1). Demgegenüber stehen allerdings sprachpolitische Maßnahmen wie die gendergerechte Anpassung der Straßenverkehrsordnung (z. B. Fußgänger > zu Fuß Gehende) und anderer Rechtstexte, die damit begründet werden, dass das generische Maskulinum als patriarchales und omnirelevantes doing male gender zu interpretieren sei. Wir werden zum einen zeigen, dass die Verwendung des generischen Maskulinums vor dem Hintergrund der kanonischen Texte von Hirschauer (2001; 1994) und Kotthoff (2002) nicht als doing, sondern als undoing gender zu interpretieren ist, zum anderen wird eine Befragung von unter 27-jährigen Frauen zur Verwendung, Akzeptanz und Üblichkeit des generischen Maskulinums in diesem Kontext diskutiert. Unser Untersuchungsdesign lehnt sich an eine ähnliche Befragung von Schröter/Linke/Bubenhofer (2012) an, deren Ergebnisse wir zumindest teilweise relativieren.
This article deals with recent findings of linguists saying that especially young women do not seek to use gender sensitive language (vgl. Wetschanow/Doleschal 2013: 323; Spieß/Günthner/Hüpper 2012: 1). Simultaneously, there are political measures for language change like the reformulation of the German Road Traffic Act (Straßenverkehrsordnung). These actions are justified by the argumentation that the generic masculine has to be interpreted as a patriarchal doing gender which would be relevant without restrictions. Firstly we will show that the use of the generic masculine is not to be evaluated as doing, but undoing gender in the light of the canonical texts of Hirschauer (2001, 1994) and Kotthoff (2002). Moreover, a survey among women aged under 27 regarding the use, the acceptance and the usual use of the generic masculine will be subject to the discussion. The study design is therefore based upon a similar survey of Schröter/Linke/Bubenhofer (2012). By comparing both findings, we will relativize the results of Schröter/Linke/Bubenhofers project in several aspects.
Fay, Johanna/Hein, Katrin/Ghayoomi, Masood
Wortfrequenz und Rechtschreibleistung
In dem Beitrag wird der Frage nachgegangen, inwiefern die Frequenz eines Wortes mit seiner orthographischen Richtigschreibung zusammenhängt. Werden häufige Wörter öfter und früher richtig geschrieben? Und welche Rolle spielt dabei die orthographische Regelhaftigkeit der Wortstrukturen? Unter Zuhilfenahme maschineller Analyseverfahren aus der Großstudie »Automatisierte Rechtschreibdiagnostik« (Fay/Berkling/Stüker 2012) werden diesbezüglich über 1000 Schülertexte von Klasse 2 bis 8 untersucht. Im Ergebnis werden zum einen einige Annahmen, die bislang vor allem auf Erfahrungswerten aus der sprachdidaktischen Arbeit fußten, empirisch bestätigt, zum anderen werden sie hinsichtlich spezifischer Rechtschreibphänomene differenziert und erweitert.
In this paper, we explore the question to what extent the frequency of a word is related to its orthographically correct spelling. Are frequent words written correctly earlier and more often? And which role does the degree of the orthographic regularity of word structures play in this context? With the help of the automatic analytical methods introduced in the broad study »Automatisierte Rechtschreibdiagnostik« (›Automatic Spelling Error Classification‹) (Fay/Berkling/Stüker 2012), more than 1000 freely written texts of school students from grades 2 to 8 are investigated in this regard. As a result, we – at the one hand – aim at empirically confirming several assumptions, which are mainly based on experience values from language-didactical work until now. On the other hand, we differentiate and expand the assumptions with respect to specific phenomena of orthography.
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