Muttersprache 3/2010

Wahl, Betty
Isländisch: Sprachplanung und Sprachpurismus

Die »Reinheit« ihrer Muttersprache zu bewahren ist lange Zeit ein Hauptbestreben der isländischen Sprachgemeinschaft gewesen. Dies scheint auf eine tief verwurzelte Tradition zurückzugehen, die auf einem sehr früh entstandenen Bewusstsein kultureller Identität basiert. Man nimmt an, dass es bereits zur Zeit der Besiedlung von Island aufkam. Aber auch heutzutage sind Sprachkultur und Sprachpolitik allgegenwärtige Themen des modernen Lebens.… ; sie sind noch immer eine Angelegenheit von geradezu nationalem Interesse und damit Grundelement des isländischen Selbstbildes. Das digitale Zeitalter und das Aufkommen der Neuen Medien haben die Sprachentwicklung massiv beschleunigt und der »Reinheitsdiskussion« eine neue Dimension hinzugefügt. Stellt die unverdorbene und ursprüngliche Muttersprache auch heute noch einen unangefochtenen Wert dar? Kann sie noch als unverzichtbarer Bestandteil der isländischen Identität gelten? Ist die isländische Sprachpolitik in der Lage, den Anforderungen einer globalisierten Welt, dem Computerzeitalter und der digitalen Kommunikation zu begegnen? Ist es möglich – und realistisch – die ursprünglichen Strukturen und den indigenen Wortschatz zu bewahren, ohne den »Lebensnerv« der Sprache zu opfern, der zur mittelalterlichen Literatur und dem kulturellen Erbe Islands zurückführte? Kann das Isländische als Nationalsymbol und Repräsentant der »Islandizität« überdauern oder wird es in Zeiten von E-Mails, Chats und Weblogs früher oder später seinen symbolischen Wert verlieren? Und wenn das eintreten sollte, wäre es dann sein unvermeidbarer Niedergang? In dieser Überblicksdarstellung wird die puristische isländische Tradition aus einer historschen, soziolinguistischen und ideologischen Perspektive beschrieben. Zudem wird die aktuelle Sprachsituation – in Zeiten, die durch Wandel, rasche Entwicklung und Neuorientierung geprägt zu sein scheinen – kritisch beleuchtet: Wo steht das Isländische zu Beginn des 21. Jahrhunderts in unserer globalisierten Welt? Wie kann es seine Position zwischen Isolation und Anpassung, Traditionalismus und kosmopolitischer Offenheit behaupten?

Preserving the »purity« of their native language has been the main endeavour of the Icelandic speech community for a long time. This appears to go back to a long and deep-rooted tradition based on a very early notion of a strong cultural identity, which is believed to have emerged as early as the time of the settlement of Iceland. But at the same time, language cultivation and language policy are everyday issues in modern life, almost to the extent of being a matter of national concern. Therefore, they themselves can be regarded as basic elements of Icelandic selfidentity. The digital age and the emergence of the New Media have rapidly accelerated language development and have added an additional dimension to the purity discussion.
Does the unspoilt and archaic native tongue still represent an undisputed value? Can it nevertheless still be called an indispensible feature of Icelandic national identity? Will Icelandic language policy be able to allow the language to meet the requirements of a globalized world, the computer era and the conventions of digital communication? Is it possible – and realistic – to preserve the archaic structures and indigenous vocabulary without having to sacrifice that precious »vital nerve« which has always lead back to medieval literature, the cultural heritage of Iceland? Will Icelandic surviveas a national symbol, representing »Icelandicness«, or will it, in the age of emails, chats and weblogs, sooner or later have to give up its symbolic value? And if so, will this lead to its inevitable decline? In this survey Icelandic purist tradition and the ideology behind it is described from a historical, sociolinguistic, and ideological point of view. At the same time the present language situation – which seems to be a time of change, rapid development and re-orientation – is critically examined: Where does the modern Icelandic language find itself at the beginning of the 21st century in our globalized world? How does it define its position between isolation and adjustment, traditionalism and cosmopolitan openness?

Zhao, Jin
Zwei Stile, zwei Selbstoffenbarungen – Stilistische Analyse der deutschen und chinesischen Live-Kommentare zur Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2008 in Beijing

Die Eröffnung der Olympischen Spiele 2008 in Beijing wurde von vielen Fernsehsendern in aller Welt übertragen und von Reportern live kommentiert. Solche Live-Kommentare eignen sich gut zu einem text- und kommunikationslinguistischen Vergleich. In diesem Beitrag werden die Kommentare des deutschen und des chinesischen Fernsehens analysiert und kontrastiert.

The opening ceremony of the Olympic Games 2008 in Beijing has been broadcasted by tv stations all around the world with the live comments of journalists. These numerous live comments are a very suitable subject for a contrastive analysis under a textual and communicational perspective. This article presents a linguistic comparison of the German and the Chinese live commentary.

Henne, Helmut
Asche, Ascheberg. Arno Schmidts schwarze Erzählung »Die Vorsichtigen«

In seiner Erzählung »Die Vorsichtigen« stellt Arno Schmidt ein Spannungsfeld zwischen der durch Konsum geprägten Nachkriegszeit und der Nazizeit her. Dies kann insbesondere auf sprachlicher Ebene gezeigt werden: Der Text ist geprägt von Wörtern und Wendungen, die sich einem Bedeutungsfeld von Schwärze, Dunkelheit, Nacht und Tod zuordnen lassen, sowie von Anspielungen auf politisches Personal des Dritten Reichs, Deportation und Konzentrationslager.

In his short story »Die Vorsichtigen« Arno Schmidt creates tension between post-war Germany determined by increasing affluence and the Nazi period. This can be shown especially from a linguistic perspective. An important characteristic of the story is on the one hand the vocabulary, the numerous words and phrases naming the colour black, darkness, night and death, on the other hand the allusions to political persons of the Third Reich, deportation and concentration camps.

Hartkamp, Sandra/Schneider-Wiejowski, Karina
Die Regelkonformität in der Distribution von Fugenelementen. Eine korpuslinguistische Untersuchung neologistischer Substantivkomposita mit nominalem Erstglied

Komposita sind Wörter, deren Stamm aus mehr als einer Wurzel besteht. Deutsche Komposita weisen oft Fugenelemente wie –er– (Kindergarten) oder –s– (Arbeitsamt) zwischen den Kompositionsgliedern auf. In diesem Beitrag wird diskutiert, inwieweit diese deutschen Fugenelemente mit den Regeln übereinstimmen, die in der sprachwissenschaftlichen Literatur postuliert werden, meist kategorisch und ohne jede empirische Evidenz. Um diese Lücke zu schließen, wurde eine Korpusstudie durchgeführt, basierend auf dem Projekt Wortwarte. Neologismen wurden im Hinblick auf Fugenelemente analysiert. Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass die Annahmen über die Verteilung von Fugenelementen sich in den meisten Punkten empirisch bestätigen. Dennoch gibt es auch Regeln, die aufgrund der statistischen Analyse fraglich bleiben.

Compounds are words containing a stem that is made up of more than one root. German compounds are connected by linking elements such as –er– (Kindergarten, ›kindergarten‹) or –s– (Arbeitsamt, ›employment centre‹). This paper discusses the conformity of rules for German linking elements that are stated in the linguistic literature and which are made categorically and without any empirical evidence. To close this gap, a corpus study was made on the basis of the project Wortwarte. Neologisms were investigated in regard to the realization of their linking elements. The analysis of the results shows that the assumptions of the distribution of the linking elements could be validated in most instances. However, there are existing rules which cannot be confirmed statistically on the whole.

Kostrzewa, Frank
Deixis – Formen und Funktionen im Sprachkontrast

Dieser Beitrag behandelt deiktische Ausdrücke (personale, lokale und temporale Deixis) in einer sprachkontrastiven Perspektive. Verglichen werden das deiktische System des Deutschen mit dem des Koreanischen und Japanischen. Auffällige Unterschiede zeigen sich vor allem im Bereich der personalen Deixis im Hinblick auf Höflichkeitsmarkierungen und bei der lokalen Deixis im Hinblick auf die Nähe-Distanzmarkierungen.

This article presents a contrastive analysis of deictic elements (personal, local and temporal deixis) in different languages. The deictic system of German will be compared with the deictic systems of Korean and Japanese. Regarding the marking of politeness and the local deixis (especially the marking of proximity) remarkable differences can be demonstrated.

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