Muttersprache 3/2013
Themenheft: »Sprachpurismus einst und jetzt«. Symposium am 3. November 2012 in Braunschweig
Burkhardt, Armin/Neef, Martin
Vorwort
Conermann, Klaus
Purismus in der Spracharbeit der Fruchtbringenden Gesellschaft? Zur Bedeutung von Richtigkeit und Reinheit in der Puritas- und Decorum-Rhetorik der deutschen Sprachreform im 17. Jahrhundert
Genau betrachtet, strebte die Fruchtbringende Gesellschaft in ihrer Spracharbeit nicht nach einem eigenständigen Fremdwortpurismus im modernen Sinne, sondern nach einer umfassenden renaissancehaften Reform des Gemeinen Deutsch, welche freilich auch auf Puritas, d. h. grammatische Richtigkeit und stilistische Reinheit, zielte. Die Hochsprache blieb jedoch an Eleganz und ein sprachliches Decorum gebunden, so dass etwa seit den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts auch unter Mitgliedern dieser Akademie wie Philipp von Zesen ein modischer barocker Purismus entstand, der allerdings innerhalb und außerhalb der Gesellschaft kritisiert und überwunden wurde.
Rather than modern purification of the vocabulary from foreign influences, the philological emphasis of the Fruchtbringende Gesellschaft was on a general reform of Early-Modern German, which, to be sure, also encompassed puritas, i. e., grammatical correctness and stylistic purity. Literary standard German was subject to the decorum and elegance of language, hence a fashionable purism of the Baroque style developed also among members of this academy, such as Philipp von Zesen. Eventually, criticism both from within and outside of the Society overcame such mannerist tendencies.
Henne, Helmut
»Nun so sage doch Freund, wie man Pedant uns verdeutscht.« Campes nachdenkliche Antwort
Der Wortpurismus des Spätaufklärers Joachim Heinrich Campe (1746–1818), der ein bedeutendes schriftstellerisches, pädagogisches und lexikographisches Werk vorgelegt hat, wird von Goethe und Schiller in ihren Xenien von 1796 einer literarisch inspirierten Kritik unterzogen. Diese Kritik ist hier Ausgangspunkt weiterer Überlegungen, wie das griechische und lateinische Worterbe zu tradieren sei. Dabei werden die erklärende und diskursive Arbeit Campes an den »fremden Wörtern« gewürdigt, sein Streben nach Ersatz problematisiert und seine erfolgreichen »eigensemantischen« Lehnbildungen registriert.
The word purism of Joachim Heinrich Campe (1746–1818), who presented a considerable literary, pedagogical and lexicographical work, has been criticized by Goethe and Schiller in their Xenien. In this article the critique serves as a starting point for further considerations about how Greek and Latin heritage can be transmitted into German. The present article recognizes Campe‘s explicative and discursive work on foreign words, it questions his striving for replacement, but also presents his successfully established »autosemantic« loan formations.
Blume, Herbert
Erfolge und Misserfolge des lexikalischen Purismus in Deutschland zur Zeit des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins und heute
Der dt. Sprachpurismus des Zweiten Kaiserreichs und der Weimarer Republik bestand nicht nur aus den Aktivitäten des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins. Vielmehr ist der Blick auch auf die breit angelegten Vorarbeiten von Behörden und Institutionen (Heereswesen, Post, Eisenbahn, Gesetzgebung und Justiz) zu richten. Eine herausragende Rolle bei der Umsetzung der Ziele des Vereins in die Sprachpraxis der Deutschen spielten die Schulen: Mit Blick auf die berufliche Struktur seiner Mitgliederschaft könnte man den Verein geradezu einen Lehrerund Beamtenverein nennen. Betrachtet man den dt. Purismus des 19./20. Jh.s nicht nur aus national begrenzter germanistischer Perspektive, so erweist er sich als die dt. Realisationsform vergleichbarer Bemühungen um »Sprachreform« und »Sprachplanung« vom 18. bis ins 20. Jh., die sich als »actions humaines sur les langues« (Fodor/Hagège/Fishman) in vielen europäischen Sprachnationen vollzogen haben. Im Einzelnen werden Wirkungsmöglichkeiten und -grenzen des dt. Purismus erörtert, wobei der zeitgenössische »allgemeine Normal-Nationalismus« (Nipperdey) eine wesentliche Rahmenbedingung bildet.
The German language purism during the Second Empire and the Weimar Republic was not only manifest in the activities of the General German Language Society (»Allgemeiner Deutscher Sprachverein«). To assess the movement correctly, it has to be taken into a broader view that encompasses work done by public authorities and institutions (military, postal system, railway system, government legislation, and justice). Schools played an important role in the implementation of General German Language Society‘s goals. In fact, in regard to the professional structure of its members, the Society could be seen as a teachers’ and civil servants’ association. When considering the German purism of the 19th and 20th centuries from beyond a nationally defined perspective, it becomes obvious that the purism was a German part of overarching efforts for »language reform« and »language planning« which were carried out as »actions humaines sur les langues« (Fodor/Hagège/Fishman) in many European language nations from the 18th to the 20th centuries. Outcomes and limits of the effects of the German purism will be discussed in detail; the contemporary »general normal-nationalism« (Nipperdey) will be part of the essential framework for this discussion.
Takada, Hiroyuki
Entfernte Vorbilder. Die deutsche Sprachgeschichte und die Diskussion von 1868–1945 um die japanische Nationalsprache und -schrift
In der Diskussion um die Frage der japanischen Nationalsprache und -schrift von der Meiji-Zeit bis zur Niederlage im Zweiten Weltkrieg (1868–1945) wurde immer wieder auf die deutsche Sprachgeschichte verwiesen, und Deutschland fungierte in dieser Hinsicht aktiv als Vorbild. Dies lässt sich nicht nur mit dem politischen Grund erklären, dass Japan das Preußentum übernommen hatte, sondern die geschichtliche und aktuelle Sprachsituation in Deutschland an sich hatte zahlreiche Elemente, die in Japan als hilfreiche Hinweise zur Lösung der Sprachenfrage gelten konnten. Die deutsche Sprache hatte nämlich bereits ihre Standardsprache etabliert, konnte auch wissenschaftliche Fachbegriffe in der eigenen Sprache ausdrücken und besaß darüber hinaus eine »rationale und hervorragende«, an der Aussprache orientierte Rechtschreibung. Außerdem war diese Sprache gerade mit der Frage beschäftigt, in welcher Art von Schrift sie niedergeschrieben werden sollte. Aus diesen Gründen gab es unter den »Kultursprachen« Europas im Grunde genommen keine andere Sprache, die dem Japanischen so sehr als Vorbild dienen konnte wie das Deutsche.
In the discussion over Japanese national language and characters from the Meiji period until the defeat in World War II (1868–1945), the history of the German language was repeatedly referred to, and Germany functioned as an active model in this respect. This can be explained not only by political history, in that Japan had adopted many of its political systems from Germany, but also by the fact that Germany’s own linguistic experience offered much that could inform the discourse on language in Japan. The German language had in fact already been standardized, was capable of expressing scientific terms in its own lexicon, and possessed a »rational and excellent« spelling system based on its native pronunciation. Furthermore, the Germans too had questioned what kind of characters should be used for writing. For these reasons, among the European »cultural languages«, there was none that could better serve the Japanese model than German.
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