Muttersprache 4/2011

Kiyosawa, Kaori/ Luschützky, Hans Christian
Germanismen im japanischen Medizinerjargon

In der Sprachkontaktforschung gilt das Japanische, bedingt durch seine restriktive Phonotaktik, seit jeher als Musterfall für Extremformen phonologischer Integration. Bei Gebersprachen wie dem Chinesischen oder Portugiesischen kommt dies aus typologischen Gründen weniger zum Tragen als bei Gebersprachen mit komplexer Phonotaktik wie Englisch, Niederländisch oder Deutsch. Trotz dieser phonologischen Barriere ist das Japanische als durchaus entlehnfreudige Sprache anzusehen. In einer rezenten Studie über den Lehnwortschatz in 41 Sprachen rangiert das Japanische mit 36 % Lehnwortanteil im erweiterten Grundwortschatz auf Platz 7 der Rangliste, vor Sprachen wie Indonesisch oder Swahili und nicht weit hinter dem Englischen mit seinen 42 % (Haspelmath/Tadmor 2009). Ein Großteil der weit über vierhundert Germanismen im Japanischen gehört bestimmten semantischen Bereichen an: Naturwissenschaften, klassische Musik, Alpinismus und Skisport. Wenig beachtet wurden bisher die Germanismen in der medizinischen Fachsprache, die hauptsächlich in der Meiji-Zeit Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ins Japanische gelangten. Außerhalb Japans ist es kaum bekannt, dass sich aus diesem Fachvokabular in der internen Kommunikation des im Gesundheitswesen tätigen Personals Jargonausdrücke gebildet haben. Etliche dieser lexikographisch noch unzureichend erfassten Ausdrücke wurden innerhalb des Medizinerjargons einer morpho(no)logischen und metasemischen Weiterbehandlung unterzogen, die in diesem Beitrag anhand ausgewählter Beispiele dargestellt werden soll. Verschiedene Formen der Wortkürzung und Ellipse, hybride (Um-)Bildungen, Hypostasen, Bedeutungsverengungen und -erweiterungen sowie andere Prozesse, die dazu beitragen, den Medizinerjargon für Außenstehende unverständlich zu halten, ergeben ein komplexes Bild. Die pragmatische Funktion des Jargons, gruppeninterne Solidarität bei gleichzeitiger Abgrenzung nach außen zu stiften, wird in einem Land, wo Deutschkenntnisse nicht sehr verbreitet sind, durch diese Germanismen in hervorragender Weise erfüllt.

The Japanese language is well-known as a showcase example for phonological integration of foreign words, due to its restrictive phonotactics. For donor languages like Chinese or Portuguese this is less striking than in the case of donor languages with complex phonotactics such as English, Dutch or German. In spite of this phonological barrier, Japanese is quite prone to lexical borrowing. In a recent study on borrowings in 41 languages, Japanese occupies the seventh rank, with 36 percent of borrowed words in the extended basic vocabulary, thus topping languages like Indonesian or Swahili and ranging not far behind English, which has 42 percent of borrowed words in the same lexical sample (Haspelmath/Tadmor 2009). The majority of the over 400 German borrowings in Japanese belong to particular semantic domains: science, classical music, mountaineering and skiing. A special set of German borrowings that has been mostly neglected thus far persists in medical terminology, dating back to the Meiji period at the turn from the 19th to the 20th centuries. Outside Japan it is almost unknown that a repertoire of jargonized expressions has evolved out of these borrowings, which is used in internal communication by medical staff. Some of these expressions, which are poorly documented in lexicography, underwent morpho(no)logical and metasemic changes in the course of jargonization. The examples presented in this article include various forms of shortening and ellipsis, hybrid (reformation, hypostasis, semantic narrowing, extension of meaning and other processes, all ending up in rendering the staff-internal medical jargon unintelligible for outsiders. The pragmatic function of a jargon, i. e. the consolidation of group-internal solidarity with simultaneous exclusion of the rest of the speech community, is served most effectively by these German borrowings in a country like Japan, where knowledge of German is not very widespread.

Polajnar, Janja
»Da weiß man, was man hat.« Wie Formelhaftes zu Werbeslogans wird und Werbeslogans formelhaft werden. Eine korpusbasierte Untersuchung bekannter Werbeslogans im elektronischen Zeitungskorpus des DeReKo

Im Fokus des Artikels stehen diejenigen Werbeslogans, die den Ursprungskontext der Werbung verlassen und neu rekontextualisiert werden. Um die impressionistische These zu belegen, dass Werbeslogans heute nicht nur in gruppenspezifischen Stilen, sondern auch in der Alltagssprache relativ häufig Verwendung finden, wurde ein umfangreiches, zeitlich begrenztes, elektronisches Korpus deutscher Zeitungen (von 1990 bis 2008) aus dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) untersucht. Die korpusbasierte Untersuchung analysiert anhand von KWICs, Volltextstellen und Kookkurenzprofilen qualitative (Funktionsbedeutung, Restriktionen, Einbettung, Modifikation u. a.) und quantitative Aspekte ausgewählter rekontextualisierter Werbeslogans, um mit Hilfe von Beispielen und statistisch erarbeiteten Liniengraphen Aussagen zu Werbesloganvitalität sowie -ursprung machen zu können.

The article explores those German commercial slogans which have left the original context of advertising and have been recontextualised in a new context with a generalised meaning. To verify the impressionistic thesis that commercial slogans have become recontextualised in everyday and newspaper language, a corpus-based approach has been employed and combined with manual analysis of KWICs, full texts and co-occurrence profiles. This way it was possible to explore the qualitative aspects, i. e. their origin and vitality (meaning, constraints, embedding, modifications etc.), but also their quantitative aspects over a period of 18 years.

Li, Yuan
Deutsch als interkulturelles Bildungsfach – ein neuartiges integratives Kompetenzmodell für Deutsch an chinesischen Hochschulen

Die Bedeutung der deutschen Sprache ist in den letzten Jahren weltweit rückläufig. Demgegenüber erlebt das Deutschlernen derzeit in China einen Boom. So erfreulich die positive Entwicklung des Deutschlernens in China ist, so relevant ist es, sich die dadurch entstehenden Herausforderungen bewusst zu machen und entsprechend darauf zu reagieren. Die Rahmenbedingungen, die das Deutschlernen im gegenwärtigen China bestimmen, unterscheiden sich nicht nur von denen in Deutschland, sondern auch von denen im China der Vergangenheit, weil sich China und seine jüngere Generation in der aktuellen Umbruchzeit schnell und vielfach verändert haben und noch verändern werden. In diesem Kontext wurde aufgrund der gründlichen Analyse der veränderten Rahmenbedingungen an der Zhejiang Universität ein neues integratives Kompetenzmodell zur Förderung des Deutschlernens konzipiert: Deutsch als interkulturelles Bildungsfach. Dabei wird ein neuer Begriff bzw. eine neue Kategorie eingeführt, die sich vom traditionellen Verständnis des Deutschlernens in China unterscheidet. In der vorliegenden Arbeit werden zunächst die wichtigsten Rahmenbedingungen des Deutschlernens in China skizziert, bevor auf das neue Konzept eingegangen wird.

Worldwide the importance of the German language has gradually decreased during the last years. In contrast, learning German in China has currently increased significantly. As the positive development of learning German in China is so significant, it is necessary to become aware of the resulting challenges and to respond accordingly. The conditions that determine the learning of German in contemporary China are different from those in Germany but also from those in the China of the past. This is due to the radical changes China as well as its younger generation have undergone and are still undergoing in the recent time period. In this context a new integrative model of competence for the promotion of learning German was developed on the basis of a thorough analysis of the changing conditions at the Zhejiang University: German as an intercultural educational subject. Herewith, a new concept or a new category is introduced which differs from the traditional understanding of learning German in China. After analyzing the anthropogenic and socio-cultural situations of German as a foreign language in China, the article gives a comprehensive definition of individual goals of each specific competence within the integrative model of competence.

Kostrzewa, Frank
Kognitions- und gedächtnispsychologische Aspekte der Sprachverarbeitung

Der vorliegende Beitrag thematisiert die menschliche Sprachverarbeitung unter kognitions- und gedächtnispsychologischer Perspektive. Dabei wird physiologischen Evidenzen unter anderem unter Rückgriff auf Störungen der Sprachverarbeitung und der Sprachproduktion (Aphasien) nachgegangen. In Anlehnung an Friederici (1997) und Wild (2011) werden die syntaktische, semantische und prosodische Verarbeitung von Sprache und deren Koordination beschrieben. Mit Rückgriff auf Arbeiten von Kandel (2009) und Damasio (2011) werden einige zentrale Ergebnisse zur Untersuchung impliziter und expliziter sprachlicher Gedächtnisleistungen dargestellt.

The following article thematizes the human capacity of language processing under consideration of linguistic and psychological evidence. The physiological dimension of the topic is illustrated by referring to language processing impairments due to aphasia. Following Friederici (1997) and Wild (2011) the syntactic, semantic and prosodic aspects of language processing and their coordination are examined. Finally the latest research results by Kandel (2009) and Damasio (2011) offer an insight into the implicit and explicit verbal memory.

Möcker, Hermann
Zweisprachige Toponymika. Sprachenpaar Deutsch–Slowenisch (II) Ergänzungen und Bemerkungen zum Aufsatz von Uršula Krevs Birk in der Muttersprache 2/2011, S. 81–96

Der folgende Beitrag präsentiert eine Diskussion und Ergänzung zu dem Artikel »Zweisprachige Toponymika als Inhalt der interkulturellen Sprachwissenschaft: Beispiel Sprachenpaar Deutsch– Slowenisch« von Uršula Krevs Birk (Muttersprache 2/2011). Zuerst gibt Hermann Möcker einen Überblick über Zahlwörter in germanischen und slawischen Sprachen und richtet den Blick auf einige Toponyme und deren historischen Hintergrund. Es folgt eine Antwort von Uršula Krevs Birk, in der sie auf die Anregungen und Ergänzungen eingeht.

The following contribution presents a discussion as well as a supplementation to the article »Zweisprachige Toponymika als Inhalt der interkulturellen Sprachwissenschaft: Beispiel Sprachenpaar Deutsch–Slowenisch« by Uršula Krevs Birk (Muttersprache 2/2011). At first Hermann Möcker gives an overview concerning aspects of numerals in germanic and Slavic languages and focuses on some toponyms and their historical background. In the second text, Uršula Krevs Birk answers to Möcker’s remarks.

Krevs Birk, Uršula
Weitere Blicke auf die Exonymie des Sprachenpaares
Deutsch–Slowenisch

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