Muttersprache 4/2013

Leuschner, Torsten
Der deutsche »Drang nach Osten«. Plädoyer für eine linguistisch fundierte historische Stereotypenforschung

Am Beispiel des deutschen »Drang nach Osten« plädiert der vorliegende Beitrag für eine linguistische Fundierung der historischen Stereotypenforschung. Ausgehend von der Entstehung und Funktion dieses Stereotyps im Kontext der deutsch-polnischen Beziehungen Mitte des 19. Jahrhunderts wird nacheinander die kognitiv-diskursive, die syntaktisch-semantische und die semiotische Perspektive eingenommen, um zwischen historischen und sprachlichen Aspekten des in »Drang nach Osten« enkodierten schematischen Alltagswissens zu vermitteln. Dabei erweisen sich u. a. die kategoriale Zuordnung zu den Nominationsstereotypen, die Unterscheidung zwischen Ausdrucksmodell und semantischer Prägung sowie der framesemantische Beschreibungsansatz als wertvolles methodologisches Handwerkszeug.

Through the example of the German »Drang nach Osten« (›drive/push to the East‹), the present article proposes a linguistic foundation for the study of historical stereotyping. Starting from the rise and function of »Drang nach Osten« as a stereotype in the context of German-Polish relations in the middle of the 19th century, the cognitive-discursive, syntactic-semantic and semiotic perspectives are successively adopted in order to mediate between historical and linguistic aspects of the schematized knowledge encoded by »Drang nach Osten«. The categorization of the latter as a »Nominationsstereotyp«, the distinction between syntactic and semantic stereotyping, and the frame-based approach to lexical meaning to be particularly valuable elements in the methodological toolbox.

Gruntar Jermol, Ada
Linguistisches Wissen als Conditio sine qua non beim Übersetzen juristischer Texte – Zur Bedeutung des Texttyps und der Textsorte im Recht

Rechtstexte unterscheiden sich untereinander, wobei diese Unterschiede beim Übersetzen noch offensichtlicher zu Tage treten. Denn beim Übersetzen spielen nicht nur Fachwissen und die Wahl adäquater terminologischer Äquivalente eine wesentliche Rolle, sondern es sind auch die für eine bestimmte Textsorte spezifischen strukturellen und morphosyntaktischen Eigenschaften wie auch ein adäquater Stil zu berücksichtigen. Obwohl sich der vorliegende Artikel vor allem mit linguistischen Problemen, wie Texttypologien in der Rechtssprache, sowie mit juristischen Texttypen bzw. Textsorten und ihren Besonderheiten beschäftigt, soll die Studie auch zeigen, weshalb und in welchem Umfang der Texttyp beim Übersetzen von Rechtstexten relevant ist sowie wie dieser die Wahl der entsprechenden Übersetzungsstrategie beeinflusst. Ebenso spielt beim Rechtsübersetzen auch das Wissen über die verschiedenen Eigenschaften von Textsorten eine wesentliche Rolle.

Legal texts differ from one another, and these differences become more apparent during translation. Beyond the substantial role played by expertise and the choice of appropriate terminological equivalents during translation, there are also specific structural and morphosyntacytic properties that are specific to a particular type of text as well as an appropriate style that must be borne in mind. This paper mainly deals with linguistic problems, such as text typologies in general and in legal language, as well as legal text types and their characteristics. However, the study also aims to show why and to what extent the text type is relevant when translating legal texts and how this affects the choice of the appropriate translation strategy. Similarly, knowledge about the properties of various types of texts plays a substantial role in legal translation.

Schlosser, Horst Dieter
Ironismen und Euphemismen im semantischen Wandel

Gegenstand der folgenden Überlegungen ist der Gebrauch und semantische Wandel von Ironismen und Euphemismen, der sich bereits seit der Antike nachweisen lässt, sich in der Gegenwart aber unter besonderen Bedingungen ereignet, die sich aus einem sozialen Wandel, insbesondere aus dessen Folgen für einen persuasiven Sprachgebrauch erklären lassen. An aktuellen Beispielen lässt sich, auch zur Erklärung historischer Phänomene, modellartig der Untergang ursprünglich uneigentlicher Aussagen zu Gunsten neuer eigentlicher Nominationen nachvollziehen, wobei die rhetorischen Funktionen gleichsam lexikalisiert werden, zugleich aber auch neue Perspektiven für die Deutung der bezeichneten Gegenstände zu erkennen sind. Das jeweilige Ergebnis des Wandels sind – dem Untergang von Metaphern vergleichbar – »tote Ironismen« und »tote Euphemismen«, die aber gerade als solche sprachkritische Erwägungen herausfordern.

The German language – like other languages – has a lot of words, which have lost their former pictorial meaning, socalled dead metaphors. Historical examples of dead euphemisms are German Gift (original like Englisch gift) or sterben (original starr werden, English to become stiff). A special way of semantic change is the loss of original euphemistic or ironic meanings in a multitude of words. They could be called dead euphemisms and dead ironisms. The development from an euphemism to a dead euphemism and further to a dead ironism can be reconstructed more exactly than in historical examples in recent examples e.g. entsorgen or Altlasten. Both words originally were euphemisms, because they glossed over facts of treatments with environmentally harmful substances. But soon they got an ironic meaning by the critics of such linguistic usage. They became ironisms and they were more and more used in every day usage. By this process these like other words expanded into other fields of designation, far away from their original meaning. Ironizing of words and their change into dead ironisms are a not unimportant factor of lexical change. But it must also be seen that this change can be manipulated by interests in politics, economy and sciences.

Kaziaba, Viktoria
Namensmasken im Internet. Anthroponymika in der deutschsprachigen ICQ-Kommunikation

Der vorliegende Artikel ist der komplexen Analyse des Begriffs Nickname gewidmet, der einerseits wie ein nicht wegzudenkender Bestandteil der virtuellen Persönlichkeit in der deutschsprachigen ICQ-Kommunikation betrachtet wird, anderseits als eine relativ neue Komponente traditioneller Anthroponymika mit einzigartigen linguistischen und extralinguistischen Eigenschaften und Charakteristiken postuliert wird. Diesen Spezifika nach lässt sich die Nicknamensschicht in drei Arten gliedern, die sich voneinander durch konstituierende sprachliche Einheiten unterscheiden: Autonym-Nickname, Pseudonym-Nickname oder Nickname des Übergangstyps. Außerdem wird der Nickname als ein Baustein der Selbstnomination beschrieben, die sich im Internet, und zwar in ICQ, durch vielfältige Namensmodelle auf Grund einer Nicknamensart realisiert.

The present article is dedicated to the complex analysis of the notion Nickname, which is considered as an inseparable part of the virtual persona in the German-speaking ICQ communication on the one hand and postulated as a relatively new component of traditional anthroponymicon with the unique linguistic and extra-linguistic properties and characteristics on the other. These specifics make it possible to divide all nicknames into three main types, which differ from each other in linguistic constituent units: an autonym-nickname, a pseudonym nickname and a nickname of the transitional type. In addition, nickname is described as a building element of self-nomination, which is realized in the Internet as well as in ICQ through a variety of nomination-models based on nicknames.

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