Ausgabe: Der Sprachdienst 1–2/2024

Rechts und links und ein vielfältiges Bedeutungsspektrum

[F] Rechts und links werden nicht nur in Bezug auf die Richtung, sondern auch in der Politik verwendet. Ich selbst assoziiere mit rechts zunehmend etwas Negatives, obwohl es doch dem Wort nach mit Recht, also dem Richtigen, zu tun haben müsste. Ist das nicht ein Widerspruch?

[A] Richtig und falsch, gut und böse, rechts und links recht und link – sind in unserer Sprache wohlbekannte, häufig verwendete Antonyme. Rechts ist das Gegenteil von links, recht steht link gegenüber, und ja, hier schwingt auch »richtig« und »falsch« mit. Die Opposition »rechts – links« scheint in der Politik eine zusätzliche Bedeutungskomponente zu erhalten, und wir schauen uns einmal genauer an, was hinter diesen Wörtern steckt.

Sprachgeschichtliches

Die sprachgeschichtliche Wurzel des Adjektivs recht und genauso des Adjektivs richtig und des Substantivs Recht – denn diese Wörter gehören in der Tat zusammen – bildet das indogermanische reg für ›geradeaus, aufrichten, recken‹. Der Ausdruck wurde schon früh für das ›Gute, Wahre und Vollkommene‹ verwendet. Auch das englische Wort right, das französische droit und das spanische derecha sind in der Weise herzuleiten. Im Althochdeutschen erscheint recht in der Form reht, belegt seit dem 8. Jahrhundert, und bedeutet schon damals so viel wie ›recht, gerecht, berechtigt‹, aber auch ›richtig, gerade, einfach‹ und ›gut‹. Im Mittelhochdeutschen bildet sich eine erweiterte Bedeutung heraus: ›in gerader Linie, gerade, Sitte, Recht entsprechend, gerecht, gehörig, wahrhaft, wirklich‹ und ›eigentlich‹. So wurde in der Rechtswissenschaft früher auch vom Studium der Rechte gesprochen und in der Mathematik gibt es den bekannten rechten Winkel, ein Winkel, der »geradegerichtet« ist. Auch in den Wörtern Rechteck, aufrecht, senkrecht und waagerecht trägt recht die Bedeutung ›gerade‹.

Das neuhochdeutsche Adjektiv link hingegen lässt sich einerseits auf ahd. lenca ›linke Hand‹, andererseits auf mhd. linc, lenc ›link, linkisch, unwissend‹ zurückführen (vgl. DWDS). Seit dem 17. Jahrhundert wird link im Sinne von ›falsch‹ verwendet. Diese geläufige Verwendung hängt laut Küpper (1982) mit der Bevorzugung der rechten Hand im Alltagsleben zusammen; dem Adjektiv link schreibt er die Bedeutung ›hinterhältig, unzuverlässig, unaufrichtig, gewissenlos, selbstsüchtig‹ zu.

Neben den Wortarten Adjektiv, Adverb und Präposition – recht(s) – gibt es das Substantiv Recht. Es lässt sich ebenfalls seit dem 8. Jahrhundert belegen und leitet sich vom althochdeutschen reht ›Recht, Gerechtigkeit, Rechtssache, Gesetz, Gebot, Pflicht, rechter Glaube, Wahrheit, das Gerechte‹ ab. Im Mittelhochdeutschen wurde daraus die Bedeutung ›was recht und geziemend ist, Gesamtheit der rechtlichen Verhältnisse bzw. der gesetzlichen Bestimmungen, Rechtsbuch, Gericht, Rechtsverfahren, Urteilsspruch‹. Heutzutage wird der Ausdruck in verschiedenen Kontexten wie z. B. Gesellschaft, Politik und Rechtswissenschaft verwendet. Beispiele dafür sind: das bürgerliche Recht; [das] Recht anwenden, durchsetzen, missachten; das Recht der Eltern oder Das ist sein gutes Recht.

Das Antonym von Recht ist Unrecht. Dieser Begriff ist vor allem im Strafrecht von Bedeutung und bezeichnet dort die rechtswidrige Verwirklichung eines Straftatbestandes. Doch wie genau hängen Recht und Unrecht mit rechts zusammen? Sowohl die Bedeutung der Grundform recht als auch des Substantivs Recht haben eine positive Konnotation. Sie drücken aus, dass etwas richtig und berechtigt ist oder der Wahrheit entspricht, wohingegen das Recht in Kombination mit der Vorsilbe un- (Unrecht; vgl. Duden 2012) etwas als schlecht, falsch oder verkehrt kennzeichnet.

Redewendungen und Überliefertes

Allseits bekannt sind die Adverbien bzw. Präpositionen rechts und links mit richtungsweisender Funktion: Die Bank steht rechts/links vom Apfelbaum oder Am Ende der Straße musst du rechts/links abbiegen. Doch zahlreiche Redewendungen und Redensarten mit links und rechts zeugen von verschiedenen Bedeutungen und Assoziationen, die über diese simple Funktion hinausgehen.

Weit verbreitet ist die Annahme, dass die rechte Hand die »schöne«, gute Hand ist: Man grüßt mit ihr, schließt Schwüre oder trägt (in unserer Kultur) den Ehering an dieser Hand. Die in unserer Sprache vorherrschenden Assoziationen von rechts mit ›gut‹ haben sich auch in etlichen Redewendungen niedergeschlagen. Ist jemandem etwas recht, so hat er nichts dagegen einzuwenden. Bringt jemand eine andere Person vom rechten (= richtigen) Weg ab, so verfolgt er das Ziel, diese Person zu Fehlern zu verleiten oder sie zu einem schlechten Lebenswandel zu verführen.

Links hingegen wird mit etwas Schlechtem, mit Unreinheit und Ungeschicklichkeit assoziiert. Diese Abwertung schlägt sich ebenfalls in zahlreichen Redewendungen nieder. Beginnt eine Person den Tag schlecht gelaunt, ist sie mit dem linken Fuß aufgestanden, stellt sie sich ungeschickt an, werden ihr zwei linke Hände vorgeworfen. Im Mittelalter sollen Menschen aufgrund ihrer angeborenen Linkshändigkeit gar verbrannt worden sein, da man dies für ein Zeichen des Teufels hielt. Tatsächlich war man bis in die 1970er-Jahre davon überzeugt, dass linkshändige Kinder schielen, stottern, schlurfen, taumeln und ungeschickt in ihren Spielen seien, sodass man versuchte, sie zur Rechtshändigkeit umzuerziehen – mit teils verheerenden Folgen, wie man heute weiß. Dennoch wird auch heute noch die linke Hand häufig als die weniger geschickte angesehen, was vielleicht daran liegt, dass der Großteil der Bevölkerung rechtshändig ist und bei angeborener Rechtshändigkeit die linke Hand tatsächlich ungeschickter und weniger geübt ist als die rechte.

Es wird vermutet, dass die Vorbehalte gegenüber der linken Seite weit in die Vergangenheit zurückzuführen sind. Viele Völker bevorzugten die rechte Seite und schrieben ihr (gegenüber der linken) positive(re) Eigenschaften zu. So war bei den Griechen, zur Zeit von Platon und Aristoteles, die linke Seite diejenige, die Unheil brachte, die rechte hingegen war die glückbringende Seite (vgl. Vasterling u. a. 2011). Das zeigt sich auch in der Redensart die Linke kommt von Herzen, um zu rechtfertigen, dass man jemandem mit links – also mit der Hand der unglückbringenden Seite – statt mit rechts die Hand gibt (z. B. wenn man die rechte Hand nicht frei hat). Da sich das Herz ebenfalls auf der linken Körperseite befindet, wird die negative Bedeutung mit dieser Redensart »neutralisiert«. Auch jemanden links liegen lassen, also auf der ungünstigen, unheilbringenden Seite, bedeutet, dass man ihn vernachlässigt oder nicht beachtet.

Das Konzept von rechts und links in anderen Sprachen

Nicht nur beim Betrachten der deutschen Sprache zeigen sich unterschiedliche Bedeutungen von rechts und links. Das lateinische Wort laevus bedeutet nicht nur ›links‹, sondern auch so viel wie ›ungeschickt‹ und ›böse‹. Dextra, ›rechts‹, hingegen wird auch mit ›Tapferkeit, Treue‹ und ›Mut‹ übersetzt, ebenso rectus (›rechts‹) mit ›richtig‹ oder ›gerade‹. Auch im englischen Sprachgebrauch drückt left einerseits ›links‹, aber auch ›linkisch‹ oder ›fragwürdig‹ aus, während right positiv behaftet ist und neben ›rechts‹ auch ›richtig‹ oder ›recht‹ bedeutet. Left-handed (›linkshändig‹) wird in englischen Lexika häufig noch als ›durch Unbeholfenheit oder Ungeschicklichkeit gekennzeichnet‹ definiert; bei uns existiert mit der Redewendung zwei linke Hände haben ein Pendant. Im Spanischen wird linkshändig mit zurdo übersetzt. Die wörtliche Übersetzung der spanischen Redewendung ser zurdo (›nicht linkshändig sein‹) wird als Ausdruck für ›sehr clever sein‹ verwendet. Das französische Wort gauche (›links›) bedeutet zudem ›unbeholfen, umständlich‹ oder ›schief‹. Droite hingegen bezeichnet nicht nur ›rechts‹, sondern auch ›das Recht, richtig‹ und ›gerade‹. Auch im Italienischen steht sinistra sowohl für ›links‹ als auch für ›unheimlich‹ und ›unglücklich‹, wohingegen destro (›rechts‹) auch ›geschickt‹ und ›gewandt‹ ausdrückt.

Politisches

Kommen wir zum Bereich der Politik, wo rechts und links ebenfalls konkrete Bedeutungen tragen, die jedoch vom gängigen und oben erläuterten Verständnis der beiden Ausdrücke abweichen. In der Politik wird rechts mit (zum Teil sehr) konservativen Parteien, konservativer oder gar nationalistischer Gesinnung in Verbindung gebracht (so ist etwa die Alternative für Deutschland [AfD] eine rechte Partei), links mit sozialer Ausrichtung, sozialen Parteien (z. B. DIE LINKE oder die Grünen), im Extremfall kommunistischen Parteien. Hier beziehen sich rechts und links eben nicht auf ›richtig‹ oder ›falsch‹: Der Ursprung des »Rechts-Links-Schemas« in der Politik liegt in den Konflikten während und nach der französischen Revolution und der Sitzordnung, die sozial und konservativ ausgerichtete Parteien in der Constituante (vgl. DWDS), der verfassungsgebenden Nationalversammlung in Frankreich, eingenommen hatten. Aufgrund einiger inhaltlicher Auseinandersetzungen entwickelte sich daraus eine politische Ordnung, mithilfe derer es Abgeordneten bald möglich war, sich über ihren Platz in der Versammlung mit ihrem politischen Standpunkt zu identifizieren: Eher konservativ Gesinnte setzten sich auf die rechte Seite und eher Progressive auf die linke Seite des Parlaments – so ist es auch in heutigen Parlamenten noch. In der Folge sind links und rechts inzwischen auch Merkmale der Identifizierung politischer Gesinnung und haben nicht mehr nur richtungsweisenden, sondern auch übertragenden Bedeutungscharakter.

Das Rechts-Links-Schema ist heute eine moderne Form der symbolischen Ordnungsbildung und erleichtert vor allem dem Publikum (anderen Abgeordneten, politischen Journalen und Wählenden) den Blick auf das politische System – und damit auch die Wahlentscheidung. Es ist allein der Operationsweise politischer Kommunikation geschuldet und steht daher in keinerlei Korrelation mit der ursprünglichen Bedeutung von links und rechts (vgl. Fuhse 2004). Doch längst spricht man nicht mehr nur im Plenarsaal von links und rechts in einem politischen Sinne, sondern auch gesamtgesellschaftlich, überspitzt z. B.: Klimaretter sind links, Corona-Leugner sind rechts etc. (zu diesem Teil vgl. auch Bundeszentrale für politische Bildung).

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Gerade die Politik spielt in der Gesellschaft eine große Rolle. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, das öffentliche, teilweise auch das private (Zusammen-)Leben der Bürgerinnen und Bürger, die Handlungen und Bestrebungen zur Führung des Gemeinwesens nach innen und außen zu regeln. Sowohl in Wahlperioden als auch in Krisenzeiten zeigen Parteien Präsenz und äußern ihre politischen Ansichten oder Ziele.

Aufgrund der Mehrdeutigkeit von recht(s) und link(s) sollte immer der Kontext hinzugezogen werden, um festzustellen, welche Bedeutung jeweils zugrunde liegt. Dadurch kann ein subjektiv wahrgenommener Widerspruch der Bedeutung von rechts im Sinne von ›richtig‹ oder auch ›politisch konservativ ausgerichtet‹ vermieden werden.

Quellen

Bundeszentrale für politische Bildung: Politische Parteien: Begriff und Typologien. https://www.bpb.de/kurz-knapp/ lexika/pocket-politik/16547/rechts-links-schema/.

Duden (2012): Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. 4. Aufl. Mannheim.

DWDS = Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, https://www.dwds.de/.

Fuhse, Jan A. (2004): Links oder rechts oder ganz woanders? Zur Konstruktion der politischen Landschaft. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 33 (2). https://webapp.uibk.ac.at/ojs/index.php/ OEZP/article/view/1147/842.

Küpper, Heinz (1982): Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache in 8 Bänden, Bd. 5. Stuttgart.

Vasterling, Almuth/Weiland, Gabriele/Sattler, Johanna Barbara (2011): Linke Hand– Rechte Hand: Ein Ratgeber zur Händigkeit. Idstein.