November 2025
Perfekt mit haben oder sein

[F] Neulich habe ich mit einer Freundin über das Perfekt von reiten diskutiert. Ich bin der Meinung, es heißt ich habe geritten, sie ist der Meinung, ich bin geritten sei richtig. Unser Freundeskreis ist sich ebenfalls nicht einig. Wir fragen uns, wann Verben im Perfekt mit haben und wann mit sein gebildet werden. Gibt es feste Regeln?
[A] Das ist eine sehr gute Frage, die sich tatsächlich nicht selten stellt. Schauen wir uns das einmal genauer an. Das Perfekt von Verben wird größtenteils mit haben gebildet: Nina hat an ihre Uhr gedacht; die Katze hat einen Vogel gefangen. Die Bildung mit sein – ich bin nach Hause gelaufen; Anna ist heute geschwommen – ist eher die Ausnahme als die Regel. Mit welchem Hilfsverb das Perfekt letztlich gebildet wird, hängt von der Art des Verbs ab. Einen genaueren Überblick bietet diese Tabelle:
| Perfekt mit … | Art des Verbs |
| haben | Transitive Verben Sie hat das Buch gelesen, ich habe Wasser getrunken Transitive Bewegungsverben Sie hat das Pferd geritten, er ist das Auto gefahren Durative Bewegungsverben Sie hat früher getanzt, er hat den ganzen Tag gerudert Modalverben (= sollen, können, wollen, müssen, mögen, dürfen) Hast du die Aufgaben lösen können?, Das kannst du nicht gewollt haben! Reflexive Verben Ich habe mich geärgert Die meisten intransitiven Verben … … mit Genitivobjekt Sie haben der Verstorbenen gedacht … die meisten mit Dativobjekt Wer hat dir geholfen?, Alle haben ihr gratuliert. … die übrigen Ich habe nicht geschlafen |
| sein | Kopulaverben (= sein, haben, bleiben) Sie ist es nicht gewesen, es ist so geblieben, sie ist Mutter geworden Bewegungsverben mit (möglicher) Richtungsangabe Sie ist durch den Saal getanzt, wir sind (durch den See) geschwommen Intransitive Vorgangsverben … … mit Veränderung in Bezug auf das Subjekt Ich bin gerade erst aufgewacht, die Rosen sind verblüht … die ein Dativobjekt haben können Ist dir etwas passiert?, Was ist passiert?, Mir ist nichts aufgefallen |
Zum besseren Verständnis: Transitive Verben ziehen stets ein Akkusativobjekt nach sich; von ihnen kann in der Regel ein Passiv gebildet werden (der Handwerker baut das Haus > das Haus wird [vom Handwerker] gebaut). Alle anderen Verben sind intransitive Verben. Durative Verben sind Verben, die ein Geschehen ohne eine zeitliche Begrenzung kennzeichnen (z. B. schlafen, laufen). Kopulaverben verbinden Substantive oder Adjektive mit dem Subjekt des Satzes, um eine Eigenschaft oder eine Gleichsetzung auszudrücken (er bleibt Lehrer, der Hund wird alt).
Ein Großteil der Verben wird im Perfekt also mit haben gebildet, allerdings gibt es auch Ausnahmen oder Zweifelsfälle.
Bei den sogenannten Bewegungsverben (z. B. fahren, fliegen, reiten) ist die Bildung des Perfekts abhängig davon, was genau damit ausgedrückt werden soll. Dies lässt sich gut am Beispiel des Verbs reiten erklären. Liegt der Fokus des Satzes auf der Ortsveränderung, die durch das Reiten entsteht, so wird mit sein konstruiert: Ich bin durch den Wald geritten. Geht es um den Vorgang des Reitens selbst, so wird das Perfekt mit haben gebildet: Ich habe das Pferd geritten. Ein weiteres Beispiel für ein solches Bewegungsverb ist fahren: Ich bin nach Hause gefahren (Ortsveränderung), aber: Ich habe das Auto gefahren (Vorgang des Autofahrens). Wir beobachten allerdings, dass im Fall von Vorgangsbeschreibungen mit Bewegungsverben die Verwendung von sein zunimmt, so hört man vielfach etwa: Ich bin einst geritten oder: Ich bin gestern das Auto gefahren.
Ebenso kann es bei der Bildung des Perfekts zu regionalen Unterschieden kommen. Bei sogenannten Positionsverben wie liegen, stehen und sitzen wird in Norddeutschland üblicherweise das Perfekt mit haben konstruiert (ich habe gelegen/gestanden/gesessen), während sie in Süddeutschland eher mit sein gebildet werden (ich bin gelegen/gestanden/gesessen).
Quellen
Duden – Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle. Berlin 2021.