Sechsteilige Triologie
Fremdwörter sind mitunter ja recht kniffelig: Entweder man weiß nicht genau, was ein Wort eigentlich bedeutet, oder man weiß nicht genau, wie es lautet, im schlimmsten Fall beides. Aufschluss geben kann meistens ein Wörterbuch, in der Regel auch völlig eindeutig wie beim folgenden Wort:
Trilogie, die ‹gr.› [= griechisch]: Folge von drei eine innere Einheit bildenden Werken (Duden. Fremdwörterbuch, Mannheim 2010).
Erfahrungsgemäß ist aber Trilogie ein Fremdwort, das geradezu notorisch in Triologie abgewandelt wird, durchaus auch von geschulten Sprecherinnen und Sprechern. Von solchen soll hier aber nicht die Rede sein, stattdessen von zwei männlichen Jugendlichen, die mit ihrer Sprachreflexion die Aufmerksamkeit der Autorin auf sich gezogen haben. Die beiden Jungs saßen in einem Regionalexpress, einer der beiden hatte – durchaus alters- und geschlechtsuntypisch – ein Buch dabei, und über dieses Buch entspann sich ein Gespräch. Der eine Junge fragte nach dem Buch, so ganz allgemein, der andere antwortete, das Buch sei Teil einer Triologie.
Trilogie, verbesserte der erste. Ja, eine Triologie sei das, bekräftigte der zweite, dem die Korrektur wohl entgangen war. Nein, Trilogie, beharrte der andere. Sein Gegenüber nahm das erneut nicht auf, sondern erklärte Folgendes: Das Buch sei der vierte Teil einer Triologie, insgesamt gebe es sechs Teile. Daraufhin knickte der andere ein und meinte, dass man eine Reihe von sechs Teilen vielleicht tatsächlich Triologie nenne. Gelernte Altphilologen müssten da widersprechen, aber die beiden waren sich auf einmal einig. Nach dem ganzen Hin und Her konnten sie sich auf die sechsteilige Triologie verständigen. Und bei aller altsprachlich unterfütterten Beckmesserei: Hat schon jemals jemand von einer Hexalogie gehört, also der numerisch und sprachlich korrekten Bezeichnung für einen Sechsteiler? Eben. Und warum sollte nicht Triologie so viel bedeuten wie zwei Mal Trilogie, also mathematisch ausgedrückt 2 x 3 = 6? Das tut es zwar laut Wörterbuch nicht, es könnte aber doch sein.
Und ganz ungeachtet des treffenden Wortes: Sollte man sich nicht auch einfach freuen, wenn junge Menschen offenbar abseits von schulischen Verpflichtungen eine sechsbändige Buchreihe lesen? Und dann auch noch mit einem Kumpel darüber diskutieren, ob es Trilogie oder Triologie heißen muss? Kulturpessimismus mag sich an der einen oder anderen Stelle zu Recht Bahn brechen, aber nicht unbedingt bei zwei Knaben in der Spätpubertät, die sich im Zug über sechsteilige Triologien unterhalten. Darüber darf man einfach einmal schmunzeln, sich in dem Wissen sonnen, dass man selber es besser weiß, und sich zum Beispiel den vierbändigen Jahrestagen von Uwe Johnson zuwenden, landläufig also einer Tetralogie.
Nicola Frank