Serienkiller und Dosenöffner
Ein sicher besonders beunruhigender Typus des Gewaltkriminellen ist er, der Serienkiller. Doch ist hier nicht der Ort, das Phänomen des Serienkillers unter moralischen oder juristischen Gesichtspunkten zu betrachten. Es stellt sich also die Frage, ob man dem Wort Serienkiller unter sprachlichen Aspekten etwas abgewinnen kann. Auf den ersten Blick hat es nicht den Anschein. Als Wort wirkt es ebenso unspektakulär wie der damit bezeichnete Kriminellentypus sensationell und boulevardtauglich. Die Bedeutung würden wohl alle kompetenten Deutschsprechenden in etwa angeben als »Killer, der eine Reihe gleichartiger Morde begeht« und auch in der Einordnung als »umgangssprachlich« mit dem Duden konform gehen.
Was ist dann aber davon zu halten, wenn eine seriöse überregionale Sonntagszeitung einen Artikel mit »Serienkiller« überschreibt und das Thema des Artikels keine »Reihe gleichartiger Morde« ist und die als Täter bezichtigte Instanz ein Fernsehsender? Konkret ging es um Folgendes: Ein Fernsehsender hat mehrere Folgen einer Serie produziert, die erste Folge ausgestrahlt und die Serie umgehend wegen zu geringer Quote abgesetzt. Überhaupt zeichnete sich dieser Sender in jüngerer Zeit durch sehr wenig Geduld mit seriellen Eigenproduktionen aus. Und wie kann man einen Sender, der solches tut, dann mit einem gewissen Recht und einem Sinn für Wortspiele nennen? Serienkiller. Damit wird niemand in juristischem Sinne des Mordes bezichtigt und die Wörterbuchbedeutung des Wortes ein wenig »verbogen«. Es geht bei dieser Verwendung des Wortes nämlich nicht um die Art und Weise des »Killens« (nämlich in Serie), sondern um die »Opfer« (nämlich Fernsehserien). Das Wortspiel ist ein schönes Beispiel dafür, wie dehnbar die Bedeutung von zusammengesetzten Wörtern im Deutschen sein kann. Bei vielen solcher Zusammensetzungen gibt es wie im Falle von Serienkiller eine übliche Bedeutung, die sich im Sprachgebrauch verfestigt hat. So bezeichnet das Wort Dosenöffner gemeinhin ein Gerät, das dazu dient, eine Dose zu öffnen. Nur in dieser Bedeutung ist das Wort auch in einschlägigen Wörterbüchern wie Duden und Wahrig verzeichnet. Es hat aber zumindest in bestimmten Kreisen auch eine andere Verwendung, die gar nicht so selten anzutreffen ist: Als Dosenöffner werden quasi als Koseform Katzenbesitzer bezeichnet, also Personen, die für Katzen Dosen öffnen. So bietet die Katzenhilfe Leipzig einen »Grundkurs für Dosenöffner« an, und ein Ratgeberbuch neueren Datums trägt den Titel »Hunde haben Herrchen, Katzen haben Dosenöffner«.
Man sieht also, dass die Bedeutung solcher Zusammensetzungen sehr offen für Wortspiele ist. Wörterbücher wären völlig überfordert damit, jede Möglichkeit zu erfassen, und das spricht nicht für die Armut der Lexika, sondern für den Reichtum der Sprache.
Nicola Frank