Söder ist … da
Wie nennt man die Unterstützer des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder? Nein, nicht Söderianer, wie Sie jetzt vielleicht denken, oder gar Söderisten. Viel zeitgemäßer: Es sind Söderistas! Das zumindest war vor einiger Zeit in der Zeitung zu lesen – mit klarem Kontextbezug zu Italien und zur italienischen Partei Lega Nord, deren Ansichten in der Flüchtlingsfrage Söder nicht ablehnend gegenübersteht. Doch nebenbei klingt Söderista auch gleich viel positiver als Söderist, beschwingter, irgendwie anregend. Aber woran liegt das wohl? Wir haben da so eine Vermutung, denn diese Endung ist hierzulande noch recht selten und tritt besonders bei dem italienischen Wort Barista in Erscheinung …
Seit einigen Jahren, besonders seit die Kaffeekultur in Deutschland an Beliebtheit zunimmt und unter »Kaffee« seltener ein simpler Filterkaffee denn ein koffeinhaltiges Kunstwerk in der Kaffeetasse zu verstehen ist, ist der Berufszweig des Baristas auch bei uns verbreitet. Bei einem Barista handelt es sich laut Duden um jemanden, der in einer Espressobar oder Ähnlichem für die professionelle Kaffeezubereitung zuständig ist, von einem »Kaffeekünstler« ist die Rede. Man verbindet mit einem Barista eine junge, dynamische, gutaussehende Person, kommunikativ und versiert, so besonders wie die Kaffeekreationen, die sie zubereitet. Allein der Name klingt exotisch – nüchtern betrachtet liegt das vermutlich an der hierzulande fremden Endung -ista. Diese stammt aus Italien, vielleicht als Mutterland der europäischen Kaffeekultur zu bezeichnen, und kam mit besagtem Kaffeekünstler nach Deutschland. Seltsam allerdings: Ein Barista ist wörtlich übersetzt nichts anderes als ein Barkeeper, jemand, der in einem Restaurant, einer Kneipe oder einem Café an der Theke arbeitet, eben in/an einer Bar. Die Bezeichnung setzt sich zusammen aus Bar und dem Suffix -ista, das ganz simpel zur Kennzeichnung einer Person oder einer Tätigkeit dient. Ursprünglich und in seinem Heimatland Italien ist ein Barista somit für die Zubereitung jeglicher Getränke zuständig, nicht ausschließlich für Kaffee.
Mit einem Künstler hat ein Barista somit eigentlich gar nichts gemein. Eigentlich. In Deutschland jedoch sieht das mittlerweile anders aus. Baristas werden zu Kaffeekünstlern und vor diesem Hintergrund klingt auch Söderista gleich viel netter, positiver, künstlerischer oder einfach »hipper« als Söderist, denn es schwingt ein gewisser »Lifestyle« mit. Wird das Suffix -ista etwa produktiv? Auch von Fashionistas, also Personen, die besonders modebewusst sind, hört man zurzeit gehäuft, hier klingt ebenfalls unverkennbar »la dolce vita« in Bezug auf Genuss und Trendsetting an. Zwar hat das Suffix -ista im Italienischen dieselbe Bedeutung wie -ist im Deutschen, dennoch hat sich bei der Übernahme in den deutschen Wortschatz eine klare Bedeutungsverschiebung ereignet, denn eine ähnlich »hippe«, zeitgemäße Assoziation lässt sich durch das bei uns seit langem und weit verbreitete Suffix -ist mitnichten hervorrufen. Im Gegenteil: Zwar sind Wörter auf diese Endung (zurückzuführen auf griechisch -istēs und lateinisch -ista) durchweg Personenbezeichnungen; allzu oft, wenngleich nicht immer, lassen sich die so benannten Personen wie die -ismus-Derivate (z. B. Marxismus, Idealismus, Buddhismus …) jedoch nicht mit »Lifestyle«, »Trend« und »Society« in Verbindung bringen, sondern mit politischen, ökonomischen, philosophischen oder religiösen Theorien und Richtungen (in diesem Sinne mit Ideologien). Dies ist einerseits etwa bei Marxist, Idealist, Buddhist, Militarist, Pegidist, Pazifist, Aktivist der Fall, andererseits nicht bei Humorist, Prokurist oder Pianist. Auch ein Söderist – eigentlich mehr ein Vertreter der Sache Söders als ein bloßer Anhänger (hier würde man eher von Söderianer sprechen) – würde in erstere Kategorie fallen; ein Söderista lässt sich jedoch nur mit Mühe einordnen: Zwar soll (und besonders vor dem Hintergrund der Flüchtlingsfrage) wohl auch mit dieser Bezeichnung eine Art Weltanschauung transportiert werden (eben die Söder’sche in Zusammenhang mit der italienischen), doch die Endung auf -a lässt das Wort ungleich weniger ernsthaft und gewichtig erscheinen, sie nimmt ihm die Seriosität und lässt Assoziation mit einer gewissen Unbeschwertheit, gar Gedankenlosigkeit zu. Aber letztendlich lieber ein Söderista als ein (so nicht belegter) Pegidista, Militarista oder sogar Terrorista. Wir halten die Augen offen und verfolgen, ob die Endung -ista sich hierzulande tatsächlich als produktiv erweist und – falls ja – in welchen Kontexten sie erscheinen wird.
PS: Haben Sie noch weitere Neubildungen auf -ista entdeckt? Schicken Sie sie uns an sprachberatung@gfds.de. Wir sind gespannt.
Frauke Rüdebusch