17. Oktober 2022

16. Oktober: Tag des Wörterbuchs

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Gestern, am 16. Oktober, war Tag des Wörterbuchs. Dieser findet anlässlich des Geburtstags des US-Amerikaners Noah Webster (1758–1843) statt, der als Begründer des amerikanischen Wörterbuchs gilt. Der Rechtschreibreformer und Übersetzer war wesentlich dafür verantwortlich, dass 1806 das erste Wörterbuch des US-amerikanischen Englisch publiziert wurde. Heute blicken wir auf die Anfänge und die fortwährende Arbeit der deutschen Wörterbücher DWB und Duden.

Zu Beginn doch gleich einmal eine Wissensfrage: Kennen Sie die korrekten Pluralformen der folgenden Wörter mit gleicher Endung: der Bonus, der Diskus, der Obolus, der Oktopus, der Status, der Usus? Eins sei schon einmal verraten – sie werden alle unterschiedlich gebildet. Nachschlagen kann man sie natürlich in einem Wörterbuch, nach Duden »ein Nachschlagewerk, das die Wörter einer Sprache, also Rechtschreibung, Aussprache, Herkunft, Bedeutung usw., erklärt«.  Aber seit wann gibt es dies für das Deutsche?

Für den deutschen Sprachraum wurde die umfangreichste lexikographische Darstellung »Das Deutsche Wörterbuch« (DWB) von Jacob und Wilhelm Grimm in den späten 1830er Jahren ins Leben gerufen, das alle bekannten Wörter des Neuhochdeutschen seit dem 16. Jahrhundert alphabetisch sortiert festhalten und beschreiben sollte. Das erste deutsche Wörterbuch war es indes nicht: Schon Ende des 18. Jahrhunderts, zwischen 1774 und 1786, hatte der Lexikograph und Germanist Johann Christoph Adelung mit seinem »Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart«das erste große allgemeinsprachliche Gesamtwörterbuch der deutschen Sprache vorgelegt.

Zurück zum »Deutschen Wörterbuch«: Damals war die deutsche Sprache auf viele Kleinstaaten verteilt, das Wörterbuch verfolgte deshalb auch das politische Interesse einer nationalen Einheit der deutschsprachigen Bevölkerung. Das Projekt dauerte 123 Jahre – 113 Jahre länger als von den Gebrüder Grimm angedacht – und besteht über den Tod der Brüder hinaus fort. Heute wird es von der Göttinger Akademie der Wissenschaften und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften verantwortet. (Heute ist es hier online zugänglich.) Denn Neubearbeitungen sind bei Wörterbüchern stets nötig, da immer wieder neue Wörter in den modernen Sprachgebrauch übernommen werden, Neuschöpfungen entstehen oder Wörter zusätzliche Bedeutungen erhalten.

Während das DWB sprachhistorisch angelegt war, hatte der »Duden«, den Konrad Duden 1880 als ein Rechtschreibwörterbuch der deutschen Sprache ins Leben rief, starken Einfluss auf die Entwicklung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum. In der heutigen Zeit wird der Duden insbesondere dafür verwendet, um nachzuschlagen, wie bestimmte Wörter geschrieben werden, ob ein Wort fach- bzw. umgangssprachlich ist, wie man fremde Wörter ausspricht oder wie Wörter dekliniert und flektiert werden. Beide Wörterbücher arbeiten dabei mit echten Sprachbelegen. Schon die 80 Mitarbeitenden der Grimms sammelten schriftliche Belege von Wörtern, um diese in ihr Wörterbuch aufzunehmen; dabei wurde nicht selektiert, es schloss also sowohl dialektische Ausdrücke als auch vulgärsprachliche Wörter mit ein.

In der gedruckten Version des »(Rechtschreib-)Dudens« stehen heute 148.000 Wörter, im Duden-Universalwörterbuch und in der Online-Version um ein Vielfaches mehr, und jede neue Auflage verzeichnet weitere Wörter, während andere wieder gestrichen werden. Dabei ist die Intention des Dudens, die Veränderung des Sprachgebrauchs zuverlässig abzubilden. Dafür durchforstet die Redaktion mithilfe aufwändiger Computerprogramme riesige Textmengen auf der Suche nach neuen Wörtern. Häufen sich diese Wörter auf einen längeren Zeitraum, entscheidet die Redaktion des Dudens über die Aufnahme in das Nachschlagewerk.

Ladesäule, Klimaschutzabkommen, Selbstdiagnose, Prepper sind etwa Wörter, die erst in den letzten Jahren Einzug in die deutsche Sprache hielten. Vom Aussterben bedrohte Wörter sind laut Duden Backfisch, Depeche, Eidam, Gesinde, Jukebox, kujonieren, Muckefuck, Oheim, Rollschuh, Sommerfrische – und bereits aus dem Duden gestrichen wurde etwa das Wort Abgängsel mit der Bedeutung ›Späne, Schnipsel als Abfälle bei der Bearbeitung von etwas‹, welches von 1880 bis 1961 im Rechtschreibduden zu finden war. Ebenso erging es dem Pomadenhengst (›Mann mit stark gefetteter Frisur‹), der seit 1915 modern war, und dem Selbstwählferndienst (›Telefonieren ins Ausland ohne ›Fräulein vom Amt‹‹), welcher von 1961 an gesellschaftliche Relevanz hatte. Letztere wurden im Jahr 2000 aus dem Duden gestrichen.

Übrigens sind natürlich auch Pluralformen in einem Wörterbuch zu finden. Es folgt hier die Auflösung unserer eingangs gestellten Frage: Bonus: Boni/Bonusse, Diskus: Disken/Diskusse, Obolus: Obolus/Obolusse, Oktopus: Oktopoden, Status: Status – den Usus gibt es hingegen nur im Singular.

Ein Wörterbuch ist übrigens kein Lexikon; Letzteres enthält Sachinformationen, d. h., so der Duden, »Informationen über Personen, Länder, Tiere, Pflanzen, Gegenstände, Ideen usw.«. Die Grenze zwischen diesen beiden Bezeichnungen verläuft jedoch sowohl umgangs- als auch fachsprachlich sowie in Online-Nachschlagewerken oft fließend.

Zum Weiterlesen und Weiterhören

Wie kommt eigentlich ein Wort in den Duden? Diese und viele weitere Fragen hat uns Dr. Kathrin Kunkel-Razum, die Leiterin der Dudenredaktion, in unserem Wortcast beantwortet. Hören SIe doch einmal rein in unsere beiden Podcast-Folgen mit dem Duden:

Teil 1: Aus der Dudenredation
Teil 2: Der Duden und das Gendern

Auch in unseren Zeitschriften haben wir uns schon verschiedentlich mit dem Thema Wörterbuch befasst:

Der Sprachdienst

5–6/2014: Themenheft zum 90. Geburtstag von Gerhard Wahrig
Armin Burkhardt: Wiesbaden, Wahrig, Wörterbücher. Linguistische Vor-Rede zu einem Erinnerungsabend
Renate Wahrig-Burfeind: Das Wörterbuch als Datenbank – Das Leben und Wirken Gerhard Wahrigs
Sabine Krome: Das Wörterbuchprogramm WAHRIG bei BROCKHAUS. Gerhard Wahrig als Pionier der Lexikographie des 21. Jahrhunderts
Manfred Pinkal: Digitale Textkorpora und die semantischen Informationen im Wörterbuch

4/2007:
Doris Steffens: Von »Aquajogging« bis »Zickenalarm«. Neuer Wortschatz im Deutschen seit den 90er Jahren im Spiegel des ersten größeren Neologismenwörterbuches

4/2001:
Anja Lobenstein-Reichmann und Oskar Reichmann: »… iederman wolt gen himl«. Das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch als Spiegel der Kulturgeschichte

4/1989:
Michael Kinne: Endlich: Ein deutsches Neologismenwörterbuch

9-10/1983:
Luise F. Pusch: »Sie sah zu ihm auf wie zu einem Gott.« Das Duden-Bedeutungswörterbuch als Trivialroman

Muttersprache

2/2019:
Anke Heier: Von Einwanderern und Funktionsträgern. Der Beitrag des Dudenverlags zum aktuellen Fremdwortdiskurs in seinen Fremdwörterbüchern

1/1999:
Heidrun Kämper: Wörterbuch und Literatur. Fragen und Gedanken (nicht nur) zur Neubearbeitung des »Großen Wörterbuchs der deutschen Sprache in acht Bänden«

Quellen

Kleines Kuriositäten-Kabinett der deutschen Sprache. Duden. Berlin. 2020.
https://www.kuriose-feiertage.de/tag-des-woerterbuchs/
https://www.welt.de/kultur/article4127427/Es-war-einmal-das-Woerterbuch-der-Grimms.html
https://adw-goe.de/forschung/abgeschlossene-forschungsprojekte/akademienprogramm/deutsches-woerterbuch/
https://www.duden.de/ueber_duden/wie-kommt-ein-wort-in-den-duden
https://www.grin.com/document/147404
https://www.duden.de/sprachwissen/podcast/das-grimmsche-woerterbuch