Von Reedern und Piraten
Ob Flotte oder Schattenflotte — Eigner bzw. Betreiber von Schiffen werden als Reeder bezeichnet (und mit Doppel-e geschrieben), Schifffahrtsunternehmen entsprechend als Reedereien. Der im Süden Deutschlands wenig gebrauchte Ausdruck stammt aus dem Niederdeutschen, ist meeresbedingt vor allem an der Küste geläufig und geht zurück auf mittelniederdeutsch rede, reide ›(Anker-)Platz‹. Verwandt sind niederländisch ree, älter reede und schwedisch redd, aber auch englisch roads (Sg. road) in der Bedeutung ›Platz, an dem Schiffe bereitgemacht werden‹. Die mittelniederdeutschen Wortformen und Bedeutungen deuten schon an, dass Reede etymologisch verbunden ist mit bereet ›bereit‹, als Wurzel wird reiten angesetzt.
Reedereien haben aktuell größere Bekanntheit erlangt, da sie die russischen Schattenflotten verwalten und so die Sanktionen gegen Russland umgehen sollen. Doch sollen die Schattenflotten auf ausgemusterten Schiffen nicht nur russisches Öl an »verbotene« Staaten ausliefern, sondern auch für die Sabotage von Unterseekabeln (Strom, Glasfaser) verantwortlich sein. Das in dieser Bedeutung gebräuchliche Wort, das auf sabotieren zurückgeht, trug in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Bedeutung ›mit dem Kreisel spielen; necken, foppen‹, entlehnt aus französisch saboter ›in Holzschuhen umhertappen, derb auf treten, mit dem Kreisel spielen‹ — älter auch ›stoßen, quälen‹. Dieses Quälen ist Teil der hybriden Kriegsführung Russlands, ein Wort, das schon 2023 auf Platz 6 der »Wörter des Jahres« gewählt worden ist.1
Übrigens hat Reederei mit dem Wort Reet wie in Reetdach vermutlich nichts zu tun; es geht zurück auf Ried, älter Riet ›Sumpfgras, Schilf, Röhricht‹, das in der Küstenregion, etwa auf Sylt, Häuserdächer ziert, diese aber zu teuren Versicherungsobjekten macht, da sie leicht entzündlich sind.
Kinematografische Beachtung erlangten Reeder übrigens in dem Film »Captain Phillips« von Paul Greengrass (2013), in dem Tom Hanks als gleichnamiger Kapitän das Schiff »Maersk Alabama« und seine Crew gegen einen somalischen Piratenangriff verteidigen muss. Trotz Piraten ist der Film alles andere als ein für Kinder geeigneter, da er basierend auf wahren Ereignissen einen aktuellen Einblick auf die moderne Form der Piraterie gibt. Die ist übrigens keineswegs auf die Südhalbkugel beschränkt, sondern gab es etwa 2009 auch in der Ostsee. Hier wurde die »Arctic Sea« »von maskierten Männern geentert« und »auf Höhe der Kapverden […] aufgebracht und befreit«.2
1 Vgl. https://gfds.de/wort-des-jahres-2023/ u. zu den aktuellen Wörtern des Jahres die Seiten 1—34 in diesem Heft.
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Arctic_Sea.
Torsten Siever