Von Wahlen, Walen und Wortspielen
Nun liegt sie hinter uns, die Hauptepisode des Wahljahres, das wieder einmal als Superwahljahr bezeichnet wurde, nämlich die Bundestagswahl. Es ist natürlich nicht überraschend, dass hier auch alle Medien zu großer Form aufliefen und die Wählerinnen und Wähler mit allerhand Duellen, Arenen oder Videoblogs informierten. Und womit ließe sich das Thema »Wahl« besonders sinnfällig illustrieren? Genau, mit einem Wal. Jedenfalls haben diese Idee sowohl das ZDF als auch der Stern in ihren Internetauftritten umgesetzt.
Die ARD schickte zur Wahl keinen Wal ins Rennen, dafür aber eine politikinteressierte Familie, die als »die Wahltons« bezeichnet wurde und im Morgenmagazin ihre Meinungen zu diversen politischen Themen vor der Kamera diskutieren durfte. Zumindest Fans der US-amerikanischen Fernsehserie »Die Waltons« werden auch hier ein Wortspiel erkannt haben.
Die Idee mit dem Wal war jedoch bei Weitem die populärste und fand sich auch in einem Wahlkreis wieder, in dem als Werbemittel einer Partei ein aufblasbarer Wahl-Wal verteilt wurde. Dieses Wortspiel machte auch in der »Gegenrichtung« die Runde, als nämlich eine Tierschutzorganisation anlässlich der Bundestagswahl ein »8-Punkte-Walprogramm« vorstellte und in einem Radiospot um Spenden von »Walhelfern« warb.
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung bewies in ihrer Ausgabe vom 13. September auch eine ausgesprochen große Neigung zum Wahl/Wal-Wortspiel. Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass, der zum wiederholten Male in einem Wahlkampf aktiv geworden ist, wird mit folgender Aussage zitiert: »Ich bin eben ein altes Wahl-Ross.«, und ein Artikel über einen Dokumentarfilm zum Lebensraum Ozean einer Schweizer Regisseurin ist überschrieben mit »Die Walberichterstatterin«. Womöglich erklärt sich die Beliebtheit des Wortspiels in diesem Fall schon durch seine auffallende Schlichtheit, die jedem Grundschulkind erlauben dürfte, es mühelos zu verstehen.
Freude am Wortspiel (in diesem Fall der etwas komplizierteren Art) haben indes nicht nur die Medien, sondern gelegentlich auch Politikerinnen und Politiker selber. So war in einem Fernsehbeitrag eine Berliner Direktkandidatin beim Boule-Spiel in einem Park zu sehen. Diese Aktion kommentierte sie mit den Worten, sie »buhle (boule?) um jede Stimme«. Ob es nun in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Buhlen oder Boulen steht – oder gar mit dem originellen Wortspiel selbst –, jedenfalls gehört die betreffende Politikerin auch dem aktuellen Deutschen Bundestag wieder an.
Nicola Frank