Ausgabe: Der Sprachdienst 1/2004

Vorname Nemo

[F] Eltern haben bei uns im Standesamt angefragt, ob sie ihren Sohn Nemo nennen können. Was meinen Sie? Handelt es sich dabei denn wirklich um einen Vornamen?

[A] Nemo ist uns tatsächlich als Vorname bekannt. So verzeichnet Wilfried Seibicke in seinem »Historischen Deutschen Vornamenbuch« (Berlin/New York, Band 3, 2000) diesen Namen als männlich, wobei er auf einen Zeitungsbeleg zurückgreift: Erwähnt wurde da Nemo Niemann. Dessen Eltern hatten wohl einen zu ihrem als ›Niemand‹ gedeuteten Familiennamen bedeutungsgleichen Vornamen ausgewählt (Niemann ist allerdings als Variante zu Neumann zu betrachten): Im Lateinischen bedeutet nemo nämlich ›niemand‹. Drei weitere Belege für Deutschland sind uns ebenfalls zugänglich (ein erwachsener Namensträger lebt in Berlin, einer in Köln, und 1996 wurde in Bamberg ein Junge Nemo genannt).

Weiterhin steht Nemo als Jungenname bei Janet Schwegel, »The Baby Name Countdown« (New York 2001), bei Alfred Kolatch, »Complete Dictionary of English and Hebrew First Names« (New York 1984) – hier wird eine Kurzform von Nehemiah angenommen – und bei Michele Francipane, »Dizionario ragionato dei nomi« (Milano 1993), diesmal unter Bezug auf lateinisch nemo.

Einem breiteren Publikum bekannt wurde der Name Nemo durch Jules Vernes Roman »20 000 Meilen unter dem Meer«: Der Kommandant des U-Boots Nautilus verschweigt dort seinen bürgerlichen Namen, das heißt, die Mitreisenden erfahren weder seinen Vor- noch seinen Familiennamen. Er lässt sich mit »Kapitän Nemo« anreden. Hier liegt als Deutung ›niemand‹ nahe, was an die Tatsache denken lässt, dass in Frankreich im Mittelalter Findelkinder auf den Namen Nemo getauft wurden (so wie für Deutschland Niemand, Niemandskind belegt sind). Im Französischen kommt indessen Nemo auch als Familienname vor.

Nemo ist auch der Name des kleinen Fisches, der zurzeit die Herzen der Kinobesucher in Deutschland erobert. Seit Anfang Dezember 2003 ist »Findet Nemo« in den Kinos, und bei etlichen Standesämtern, nicht nur bei Ihnen, wurde schon der Eintrag von Nemo als Jungenname beantragt. So erhielten etwa in zwei Städten Bayerns und in Berlin drei Jungen diesen Vornamen.

Nemo, traditionell ein Jungenname, hat sich also in der letzten Zeit weiter durchgesetzt. Auch die formale Analogie zu männlichen Namen wie Adamo, Anselmo, Cosimo, Emmo, Heimo, Immo, Jeronimo, Reimo, Salomo, Tammo, Timmo dürfte zu seiner Anerkennung beigetragen haben. Zudem ist andererseits an die italienischen bzw. spanischen Vornamen Nemore, Nemorio, Nemorino und Nemoroso zu denken, zu denen leicht die Kurzform Nemo zu bilden ist.