Ausgabe: Der Sprachdienst 3/2014

Vornamenregeln in Frankreich

[F] Inwiefern unterscheiden sich die gesetzlichen Regelungen im Bereich der Vornamen in Frankreich von denen in Deutschland?

[A] Über die gesetzlichen Bestimmungen im Bereich der Vornamen wurde in Heft 3/2014 des Sprachdienstes bereits berichtet (vgl. S. 110 f.). Es gibt in Deutschland keine Gesetze, die die Vornamenvergabe regeln, wohl aber Richtlinien, die bei der Wahl des Namens wie bei der Eintragung in die Geburtsurkunde beachtet werden sollten. Dazu gehört an oberster Stelle das Kindeswohl, das es zu schützen gilt: Kein Kind sollte einen Vornamen erhalten, durch den es im späteren Leben Probleme bekommen könnte. Des Weiteren sollte der Name Vornamencharakter besitzen, also nach einem Vornamen klingen und kein reiner Familienname, keine Gegenstands- oder Ortsbezeichnung sein. Auch das Geschlecht des Kindes sollte durch seinen Vornamen eindeutig gekennzeichnet sein; wird also ein geschlechtsneutraler Name vergeben, sollte ein zweiter, im Geschlecht eindeutiger Name hinzutreten.

In Frankreich sieht die Lage etwas anders aus und sie soll im Folgenden mit ihrer Entwicklung kurz wiedergegeben werden.

Lange Zeit waren die Behörden in Frankreich sehr streng, was die Wahl der Kindervornamen betraf. Während der Französischen Revolution (1789–1799) war die Wahl der Vornamen auf die Namen der Heiligen, die mit ihren Namenstagen im kirchlichen Kalender verzeichnet waren, und auf die Namen einer von den Behörden ausgegebenen Liste beschränkt. Für die Namen, die nicht konformistisch genug waren, bestand keine Möglichkeit, von den Staatsbeamten in die Geburtsurkunden eingetragen zu werden. Dazu ein Gesetz vom 1. April 1803:

»[…] nur die im Kalender verwendeten Namen und die Namen der bekannten Gestalten der alten Geschichte können als Vornamen in den Registern des für die Feststellung der Kindergeburten bestimmten Standesamts eingetragen werden, und es ist den öffentlichen Amtsträger verboten, irgendeinen anderen Namen in ihre Akten aufzunehmen.« [Übersetzung LC]

Erst eine ministeriale Anordnung vom 12. April 1966 ist als erster Schritt zur Öffnung dieser strengen Regelungen zu sehen: Hierdurch werden die den Eltern zur Wahl stehenden Vornamen um Namen aus der Mythologie, regionale Namen, Doppelnamen und in einigen Fälle auch um Kosenamen und Varianten ergänzt.

Am 10. Juni 1981 trifft der französischer Kassationsgerichtshof [entspricht in etwa dem Bundesgerichtshof] zwei Entscheidungen: Es soll keine konkrete Liste der erlaubten Vornamen mehr geben; Eltern dürfen einen Namen aus den verschiedenen, auch inoffiziellen Listen und Kalendern wählen, solange er im Interesse des Kindes nicht als lächerlich erscheint.

Ab 1993 werden die Regelungen mit dem Artikel 57 des Code Civil (entspricht dem BGB) deutlich milder: Das Gesetz garantiert – nach seinen Möglichkeiten – die Annahme irgendeines Namens, solange dieser das Kind nicht der Lächerlichkeit preisgibt. Besteht allerdings die Vermutung, dass ein Name dem Kind schaden könnte, so erhält dieses einen neuen Namen:

»Jeder Vorname, der in der Geburtsurkunde steht, kann als Gebrauchsvorname gewählt werden. Wenn einer davon, allein oder in Verbindung mit den anderen Vornamen oder dem Familiennamen, dem Interesse des Kindes […] entgegenzustehen scheint, benachrichtigt der Amtsträger des Standesamtes den Oberstaatsanwalt darüber. Dieser kann den Familienrichter anrufen. Wenn der Richter annimmt, dass der Name dem Interesse des Kindes widerspricht […], veranlasst er seine Abschaffung aus den Registern des Standesamts. Mangels einer neuen, den oben genannten Interessen gemäßen Wahl belegt er ggf. selbst das Kind mit einem anderen Vornamen.« [Übersetzung LC]

Ein weiteres Gesetz legt fest, dass nur die Vornamen, die in der Geburtsurkunde stehen, getragen und keine weiteren hinzugefügt werden dürfen. Es stammt vom 23. August 1794 und gilt noch bis heute.

Die Gesetzgebung im Bereich der Vornamen in Frankreich ist also heute viel weniger strikt als noch vor wenigen Jahren. Immer wieder wird jedoch in den Medien über fragwürdige Namenswünsche, Namenseintragungen und Gerichtsbeschlüsse berichtet. In den vergangenen Jahren wurden die folgenden Namen abgelehnt, da sie dem Kindeswohl entgegenstehen:

  • Titeuf: Comicfigur.
  • Périphérique: die Ringautobahn um Paris; das Kind wurde dort geboren.
  • Babord und Tribord (für Zwillinge): ›Backbord‹ und ›Steuerbord‹
  • MJ: als Ehrerbietung für Michael Jackson.
  • Spatule: ›Spatel‹, ›Teigschaber‹.
  • Babar: der Elefant aus dem gleichnamigen Kinderbuch.
  • Assedic: Kürzel für »Association pour l’emploi dans l’industrie et le commerce«: Verband für die Arbeit in der Industrie und im Handel, entspricht etwa der Bundesagentur für Arbeit.
  • Joyeux: ›froh‹.

Gewisse Namen, die noch vor 20 Jahren undenkbar gewesen wären, wurden dagegen eingetragen:

  • Daemon (nach Gerichtsbeschluss): aus der Serie Vampire Diaries; der Name wurde zunächst wegen der Nähe zu démon/›Dämon‹ abgelehnt, aber als Variante von Damien schließlich eingetragen.
  • Mégane (Familienname: Renaud; nach Gerichtsbeschluss): Mégane ist der Name einer Autoreihe der Marke Renault, ausgesprochen wie der Familienname Renaud. Da der Name zunächst eingetragen worden war – es handelt sich um einen regulären, eintragungsfähigen Vornamen –, war das Gericht der Meinung, dass es für das Kind schwierig sein könnte, plötzlich einen anderen Namen zu erhalten.
  • Térébentine (térébenthine ›Terpentin‹): Name der Tochter einer Ministerin.
  • Channel (Modemarke: Chanel).
  • Clafoutis (Nachspeise).
  • Côme und Pacôme (Familienname: Toulemonde): ausgesprochen klingen diese Namen wie comme tout le monde und pas comme tout le monde: ›wie jedermann‹ bzw. ›nicht wie jedermann‹.
  • Auch Namen von Früchten werden mittlerweile eingetragen, solange diese Vornamencharakter besitzen, so wurden schon Cerise (›Kirsche‹) oder Framboise (›Himbeere‹) anerkannt. Cerise wird derzeit immer öfter vergeben, Clémentine gibt es dagegen schon seit längerer Zeit.

Über abzulehnende oder einzutragende Vornamen entscheiden in Frankreich die Standesämter und die Gerichte. Eine aus sprachwissenschaftlicher Sicht beratende Institution wie die Gesellschaft für deutsche Sprache in Deutschland gibt es dort nicht.

Quellen: http://www.affection.org/prenoms/loi.html; http://vosdroits.service-public.fr/particuliers/F882.xhtml#N100A8