Ausgabe: Der Sprachdienst 5-6/2019

Warum Deutsch die wundervollste Sprache der Welt ist

Zum Buch

Marlena Fischer
Warum Deutsch die wundervollste Sprache der Welt ist, 2015
Softcover, 144 Seiten ISBN: 978-3-7423-0650-0

Wer angesichts von Wörten wie verschlimmbessern oder dem Eierschalensollbruchstellenverursacher noch daran zweifelt, dass es sich beim Deutschen um die wundervollste Sprache der Welt handelt, weiß vielleicht noch nicht, dass SozSich-AbkÄndAbk2ZAbkTURG eine gebräuchliche Abkürzung und fremdschämen einfach unübersetzbar ist. Deutsch ist eine großartige Sprache – vielleicht sogar die schönste der Welt. Wir können verständliche Sätze mit über 200 Wörtern und Wörter mit 60 Buchstaben bilden. Eine Mutter ist bei uns nicht nur eine Frau mit Kind, sondern auch das praktische Gegenstück zu einer Schraube. Umfahren bedeutet nicht nur, dass man einen Unfall baut, sondern wird gleichzeitig für das genaue Gegenteil verwendet. Dieses Buch versammelt interessante Besonderheiten des Deutschen und lässt nicht nur Muttersprachler schmunzeln.

Marlena Fischer entführt uns mit ihrem gleichnamigen Kompendium unterhaltsam und abwechslungsreich in die wunderbare Welt der deutschen Sprache und möchte damit die einleitende Einschätzung Mark Twains widerlegen, nur Tote hätten genügend Zeit, diese zu erlernen.

Auf dem Streifzug durch Sprachgeschichte, Groß- und Kleinschreibung, Aussprache oder Semantik begegnen uns zahlreiche Doppeldeutigkeiten: Der Tee-Nager ist für viele Eltern weniger anstrengend als ein Teenager, und liebe Genossen haben Liebe genossen.

100 000 000 Muttersprachler sprechen Deutsch und können 23 000 000 Wörter benutzen, wobei die Dudenredaktion 2017 nur die Grundformen zählte. Goethe soll nach Angaben der Autorin ca. 90 000 Wörter benutzt haben. Die kürzesten bestehen aus mindestens zwei Buchstaben: ah, an, am, in, zu. Das längste Wort im Dudenkorpus lautet Rindfleischetikettierungsüberwachungaufgabenübertragungsgesetz. Der meist benutzte Buchstabe ist e, der seltenste q.

Zu den historischen Informationen gehören die erstmalige Erwähnung von diutisc im Annolied (1077–1081) oder Luthers Tipp zum Übersetzen, man solle dem Volk auff das maul sehen. Aufmüpfig kürte die Gesellschaft für deutsche Sprache 1972 zum ersten Wort des Jahres. Habseligkeiten wählte 2004 eine internationale Umfrage zum schönsten deutschen Wort, was auch einiges über deutsche Werte aussagt.

Das große ß gibt es seit 2017. In diesem Jahr nannten Eltern ihre Kinder am liebsten Ben und Emma, vor 100 Jahren Gertrud und Hans.

Landeskundliches vermittelt Fischer mit zahlreichen Redewendungen um die Wurst, von der niemand, nicht einmal der eingefleischte Vegetarier, die sprachliche Herkunft kennt. Aber auch Ortsbezeichnungen wie Pups, Petze, Sexau, Elend oder Blödesheim laden zum Verweilen ein.

Einen wichtigen Aspekt in Fischers sprachlichem Streifzug bildet das Verhältnis des Deutschen zu anderen Sprachen, denn ein Viertel des Wortschatzes hat fremdsprachige Wurzeln. Jedoch sind nur 3,5 % davon Anglizismen.

Auch das Österreichische und Schweizerische werden gestreift. Wenn ein Österreicher ausrastet, brauchen Deutsche nicht beunruhigt zu werden, denn er tut etwas Gutes für sich und ruht mal aus. Hinweise auf das Luxemburgische hätten ebenfalls das eine oder andere bemerkenswerte Beispiel hergegeben.

Neben falschen Freunden (deutsch Gift – englisch poison, englisch gift – deutsch Geschenk), Unübersetzbarem (Kummerspeck, innerer Schweinehund, Kuddelmuddel oder dem Kofferwort Jein), Entlehnungen aus (jiddisch: Kaff, kotzen und Techtelmechtel) und in fremde Sprachen (französich le zeitgeist, russisch schlagbaum) lädt manche puristische Bemühung zum Schmunzeln ein: Haarkräusler für Frisör oder Meuchelpuffer für Pistole.

Sprachlich haben wir Frauen bereits die Macht ergriffen – oder auch nicht. 46 % der Substantive haben das grammatisch weibliche Geschlecht, 34 % das männliche und 20 % sind sächlichen Geschlechts. Jedoch ist Mann das häufigste Wort in Romanen, dem die Frau folgt.

Nur 0,1 % aller Substantive werden immer ohne Artikel verwendet wie Sardinien. Morgens spricht ein deutscher Bauer über den Weizen und das Korn, während er abends keinesfalls auf das Weizen und den Korn verzichten möchte.

Im Deutschen ist nichts unmöglich, wie die Holzeisenbahn belegt, wenngleich es zum Wortpaar hungrig – satt kein Pendant durstig – nicht mehr durstig gibt, da dieses Phänomen im Deutschen wohl unbekannt scheint. Hingegen tauchen unaussprechliche Wörter auf wie Entschuldigung – Bitte – Danke. Das Buch verführt dank seiner unkonventionellen Struktur zum Durchblättern, Verweilen und amüsiertem Erstaunen.

Liane Müller