Dezember 2020
Was ist Jugendsprache?
Ihr habt keinen Plan, was bei den Chayas gerade so fly ist? Okay Boomer, chill die base! Wir erklären euch vong 1 sprachwissenschaftlichen Sicht her, was die labern, damit ihr nicht so lost seid. Das wird endlaser!
Na, nichts verstanden? Keine Angst, denn das war unser Versuch, die aktuellen Phänomene der sogenannten Jugendsprache gewissermaßen am lebenden Objekt zu verdeutlichen. Wenn das Ganze etwas unnatürlich wirkt, liegt das wohl daran, dass wir alle keine Teenager mehr sind. Vielen von uns ist es wahrscheinlich schon einmal passiert, dass man in der Bahn oder beim Einkaufen einer Gruppe Jugendlicher begegnet ist und nahezu nichts von deren Unterhaltung verstanden hat, obwohl diese auf Deutsch und sogar vergleichsweise laut geführt wurde. Jugendliche scheinen untereinander eine Sprache zu sprechen, die man schon fast als Geheimsprache bezeichnen könnte, so unverständlich ist sie für viele Nicht-Jugendliche. Und das ist Absicht! Denn Jugendsprache dient einerseits natürlich der Weitergabe von Informationen, was die zentrale Funktion aller Sprachen ist. Doch darüber hinaus werden durch sie vor allem soziale Bedürfnisse wie Selbstdarstellung, Solidarität und Abgrenzung vermittelt, das heißt, die Jugendlichen wollen oft gar nicht von Außenstehenden verstanden werden.
Doch zunächst etwas zum Begriff Jugendsprache. Tatsächlich kann von der Jugendsprache keine Rede sein, denn die damit bezeichnete Abwandlung der Alltagssprache ist genauso wenig homogen wie die Gruppe derer, die sie sprechen. Jugendliche im Norden Deutschlands sprechen anders als ihre Altersgenossen im Süden und selbst innerhalb einer Region finden sich Unterschiede, je nachdem, welcher sozialen Gruppe die Teenager sich zugehörig fühlen. Außerdem ist Jugendsprache keineswegs so zu definieren, dass sie nur von den 13- bis 19-Jährigen gesprochen wird, denn auch Kinder und Erwachsene benutzen jugendsprachliche Ausdrücke, obwohl das meist nur anbiedernd und nicht jugendlich wirkt. Allerdings weist die Sprache, die unter dem Ausdruck Jugendsprache zu verstehen ist, bestimmte jugendtypische Merkmale auf, wie die kurze Lebensdauer der verwendeten Wörter, die Vielzahl der Kraftausdrücke oder besondere Kreativität bei der Wortbildung. Und obwohl sie mitunter sehr eigenwillige Formulierungen hervorbringt, sollte man nicht dem Irrtum erliegen, die Jugend beherrsche nur diese eine, oftmals negativ wahrgenommene Sondersprache. Tatsächlich kommt diese vor allem im Freundeskreis zum Einsatz; im Unterricht oder zu Hause zeigen sich die meisten Teenager dann aber durchaus auch der Alltagssprache mächtig.
Was macht Jugendsprache aus?
Einer der Antriebsfaktoren für den überaus kreativen Wortschatz der jungen Menschen ist – wie oben erwähnt – die bewusste Abgrenzung von den Vorstellungen und Lebensweisen der Erwachsenen. Sprachlich drückt sich dieses Bedürfnis nach Abgrenzung vor allem in den verwendeten Lexemen aus. Dabei werden Wörter oft nicht neu erfunden, vielmehr werden sie umgedeutet, also mit einer neuen, bisher nicht mit dem Wort verbundenen Bedeutung versehen (Eskalation = ›wilde Party‹) oder direkt mit den jeweiligen Trends oder Marken aus anderen Sprachen (meist Englisch) übernommen (Skateboard, Halfpipe, jodeln, tindern). Außerdem entstehen neue Wörter aus Verschmelzungen bekannter Wörter (lahmsam aus lahm und langsam, Enterbrainment = ›niveauvolle Unterhaltung‹, Ohrgasmus = wenn sich etwas gut anhört, Dummfall = ›Unfall, der aus Dummheit passiert‹).
Ein weiteres Kennzeichen der Jugendsprache ist die Kurzlebigkeit ihres Vokabulars. Viele Wendungen haben eine gewisse Zeit lang Hochkonjunktur und sind überall zu hören, verschwinden aber schon bald darauf wieder. Auch hier spielen das Abgrenzungsbedürfnis und die Bestätigung innerhalb der eigenen sozialen Gruppe eine Rolle. Dabei kommen die meisten Ausdrücke aus den Bereichen, die für die jungen Menschen besonders wichtig sind, also Freundschaft und Gefühle, Sport, Musik und Mode, Partys, Alkohol und andere Drogen. Auch das Repertoire an Schimpfwörtern ist beachtlich. Das wohl prägendste Thema ist inzwischen aber Internet und Social Media, das eine ganze Menge Anglizismen wie Selfie, Emoji, googeln, pranken, liken oder adden über die Teens auch in die Alltagssprache bringt. Zu hören sind aber auch arabische Einflüsse (Wallah = ›Ich schwöre bei Gott‹), japanische (kawaí = ›süß, niedlich‹). Außerdem finden sich viele Abkürzungen (DAF = ›drunk as fuck‹, LOL = ›laughing out loud‹, YOLO = ›you only live once‹) und kreative Mischungen aus deutschen und fremdsprachlichen Wörtern (wegsnacken, abrippen, Oberfail) sowie hyperbolische Ausdrücke (größtartig, endlaser).
Für wen die Sprache der jungen Generation bisher eher ein Grund zur Besorgnis war, weil sie angeblich einen negativen Einfluss auf die Allgemeinsprache hat, dem sei hiermit ans Herz gelegt, die teilweise unverständlichen Formulierungen als Ausdruck eines nicht enden wollenden Ideenreichtums und der Freude am Spiel mit der Sprache als gesellschaftliche Konvention zu betrachten. Denn die Stärken der Jugend sind doch genau dieser Erfindungsreichtum und die Begeisterung für Neues, und das bei Weitem nicht nur in Bezug auf Sprache.
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Quellen
Jugendsprache, Eva Neuland, A. Francke, Tübingen, 2008
100 % Jugendsprache, Langenscheidt, München, 2018