Meldung vom 8. September 2025

Weltalphabetisierungstag: Barrierearme Sprache immer stärker gefordert

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Jedes Jahr am 8. September begeht die UNESCO den Weltalphabetisierungstag, auch »UNESCO World Literacy Day« genannt. Damit will sie die Öffentlichkeit an die Bedeutung der Alphabetisierung erinnern und auf Alphabetisierungsfragen aufmerksam machen. Dieser Welttag hat bis heute nicht an Bedeutung verloren, sondern das Gegenteil ist der Fall in einer Gesellschaft, in der Textangebote in einer barrierearmen Sprache immer stärker gefordert sind – eine Entwicklung, die auch die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) unterstützt.

Leichte und Einfache Sprache als Schwerpunkte der GfdS

Seit vielen Jahren setzt sich die GfdS durch ihre Schwerpunkthemen Leichte und Einfache Sprache sowie verständliche Rechts- und Verwaltungssprache für die Förderung von sprachlicher Einfachheit ein. Sie vermittelt entsprechende Grundlagen der Texterstellung in Workshops und Seminaren und erstellt für unterschiedliche Auftraggeber Texte in Leichter und Einfacher Sprache zu verschiedenen Themen. Gerade die jüngsten rechtlichen und normativen Meilensteine machen qualifizierte Angebote dieser Art sowie qualitativ hochwertige Texte in Leichter oder Einfacher Sprache mittlerweile unverzichtbar.

Aktuelle Entwicklungen im Bereich barrierearmer Sprache

Erst im letzten Jahr wurde eine DIN-Norm mit Empfehlungen zur Erstellung von Dokumenten in Einfacher Sprache veröffentlicht (DIN 8581-1 »Einfache Sprache – Anwendung für das Deutsche – Teil 1: Sprachspezifische Festlegungen)[1]; dieses Jahr folgte eine DIN SPEC mit Empfehlungen zur Leichten Sprache (DIN SPEC 33429 »Empfehlungen für Deutsche Leichte Sprache«)[2]. DIN-Norm wie DIN-Spezifikation enthalten erstmals Empfehlungen für die unterschiedlichen Ebenen eines Textes, die von Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen zusammengetragen wurden – unter anderem aus Wissenschaft und Forschung.

Die Umsetzung der Empfehlungen wird auch in rechtlicher Hinsicht zunehmend relevant, insbesondere mit Blick auf das dieses Jahr in Kraft getretene Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das Vorgaben für eine barrierefreie Unternehmenskommunikation macht.[3] Aber auch im Bereich der Verwaltung wurde mit der DIN SPEC 66336 »Qualitätsanforderungen für Onlineservices und -portale der öffentlichen Verwaltung (Servicestandard)« der Weg in Richtung einer einfacheren Sprache geebnet.[4]

Erstmals »Wortgetüm des Jahres« gekürt

Wo eine leicht(er) verständliche Sprache zunehmend im Fokus steht, ist es umso erfreulicher, dass eine weitere Aktion auf die Dringlichkeit des Themas aufmerksam macht. So wurde anlässlich des Weltalphabetisierungstages erstmals in Berlin das »Wortgetüm des Jahres« gewählt. Dahinter steht eine gemeinsame Aktion der Berliner Alpha-Bündnisse, der Stiftung Grundbildung Berlin und des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache (DWDS) der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Laut Pressemitteilung ist es das Ziel der Aktion, »auf unterhaltsame, aber eindringliche Weise auf die alltäglichen Hürden von Menschen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen aufmerksam zu machen«.[5]

Warum wird das »Wortgetüm« gewählt?

Als Hintergrund wird die sogenannte LEO-Studie von 2018 angeführt, nach der 12,1 Prozent der erwachsenen Bevölkerung eine geringe Lese- und Schreibkompetenz aufweisen und nur einzelne Buchstaben, Wörter oder Sätze lesen und schreiben können bzw. über die genannten Ebenen nicht hinauskommen.[6] Dies bedeute, jede achte Person »stolpert täglich über Formulare, Behördenbriefe oder Artikel voller Fachbegriffe«. In der Pressemeldung heißt es weiter, dass Betroffenen vor allem die Wortebene Probleme bereite: »Gerade besonders lange, komplexe oder abstrakte Wörter – vor allem aus der Amts-, Medizin- oder Finanzsprache – stellen eine massive Hürde dar.« Dies führe nicht nur zur Frustration, sondern ggf. sogar zur Ausgrenzung und zu ernsthaften Problemen im Alltag.

Wie wird das »Wortgetüm« gewählt?

Das Jahreswort wird in einem begleiteten Auswahlverfahren von Betroffenen selbst gewählt. Dabei wird über das Wort abgestimmt, »das ihnen 2025 am meisten Kopfzerbrechen bereitet hat«. Die Vorauswahl potenzieller Wortgetüme ist indes nicht zufällig, sondern basiert auf den Textdatenbanken des DWDS, darunter das tagesaktuelle Webmonitor-Korpus sowie ein umfangreiches Zeitungskorpus: Aus den Textsammlungen identifizieren die Sprachwissenschaftler/-innen des DWDS besonders komplexe Wörter des aktuellen Sprachgebrauchs.

Antidikriminierungsbeauftragte ist Wortgetüm 2025

Das erste »Wortgetüm des Jahres« ist Antidiskriminierungsbeauftragtre. Zugrunde lag eine Vorauswahl von acht Wörtern, die laut den Wissenschaftler/-innen des DWDS besonders komplex sind und zwischen 2021 und 2025 häufiger verwendet wurde. Antidiskriminierungsbeauftragtre war der klare Sieger. Die Begründung der Jury: »Mit seinen 31 Buchstaben, elf Silben uns vielen (Fremd-)Wortbestandteilen ist es sehr komplex und dadurch schwer lesbar als auch schwer verständlich. Gerade für die Menschen, die von der entsprechenden Insitition [Hinweise der Redaktion: Antidiskriminierungsstelle des Bundes] Unterstützung erhalten sollen, stellt das Wort also eine zusätzliche (diskriminierende) Hürde dar.«[7] Die Aktion zeigt damit einmal mehr auf, wie wichtig barrierearme Textangebote sind.

Angebote der GfdS

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Zum Weiterlesen

An diesem Tag: 8. September: Weltalphabetisierungstag

[1] Mehr Infos unter https://www.din.de/de/din-und-seine-partner/presse/mitteilungen/erste-din-normen-fuer-einfache-sprache-veroeffentlicht–1090866.

[2] Mehr Infos unter https://www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/naerg/veroeffentlichung-der-din-spec-33429-2025-03-1210752.

[3] Mehr Infos unter https://www.barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de/Webs/PB/DE/gesetze-und-richtlinien/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz-node.html.

[4] Mehr Infos unter https://www.digitale-verwaltung.de/Webs/DV/DE/onlinezugangsgesetz/rahmenarchitektur/standardisierung/din-spec/din-spec-66336-node.html.

[5] Pressemeldung unter https://www.dwds.de/presse/2025-06-26_BBAW-PM-15-2025.

[6] Umfangreiche Informationen zu Studiendesign und Ergebnissen online verfügbar unter https://leo.blogs.uni-hamburg.de/wp-content/uploads/2022/09/LEO2018-Presseheft.pdf.

[7] Pressemeldung unter https://www.dwds.de/presse/2025-09-08_BBAW-PM-16-2025.