10 April: Internationaler Tag der Geschwister

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Gestern, am 10. April, war Tag der Geschwister. In Deutschland haben drei von vier Kindern mindestens ein Geschwisterkind. Wie sieht es aus mit den vielen Bezeichnungen für Verwandtschaftsverhältnisse, die einen bestimmten Grad an Familienzugehörigkeit beschreiben? Einige davon wollen wir uns heute genauer anschauen.

Zwei Personen, die zur Familie gehören, sind miteinander verwandt. Das seit dem 15. Jahrhundert bezeugte Adjektiv trägt seit jeher die Bedeutung ›zugewandt, zugehörig‹ und ist vom Verb verwenden abgeleitet, das als ›hinwenden‹ verstanden wurde. Das Substantiv Verwandter ist seit dem 16. Jahrhundert gebräuchlich und meint ein Mitglied der Verwandtschaft, also der Gesamtheit der Verwandten. Ihnen wird eine innere Übereinstimmung oder Nähe zugeschrieben, also eine Blutsverwandtschaft bzw. eine (angeheiratete) Beziehung zueinander.

Das Wort Geschwister wurde ursprünglich als Gegenstück zu Gebrüder verwendet, hat also die Gesamtheit der miteinander verwandten Schwestern bezeichnet, während Gebrüder die Gesamtheit der Brüder einer Familie meint und im kaufmännischen Sprachjargon auf ›die Brüder, die gemeinsam ein Unternehmen leiten‹ ausgeweitet wurde. Als allseits bekanntes Beispiel seien hier die Gebrüder Grimm angeführt – dies hört man immer wieder, doch unabhängig von ihrer gemeinsamen Arbeit am »Deutschen Wörterbuch« und den »Kinder- und Hausmärchen« ist die korrekte Bezeichnung Brüder Grimm, denn sie waren zwei von insgesamt fünf Brüdern. Im Laufe der mittelhochdeutschen Sprachperiode hat sich die Bedeutung von Geschwister von der ›Gesamtheit der Schwestern‹ ausgeweitet auf ›Brüder und Schwestern‹ und kann auch nur ›Brüder‹ meinen. Auch eine einzelne Person kann unabhängig vom Geschlecht Geschwisterkind, Geschwisterteil, fachsprachlich sogar im Singular das Geschwister genannt werden. Vom engen familiären Verhältnis unter Geschwistern ist die Geschwisterlichkeit abgeleitet, die eine übergreifende Solidarität zwischen Menschen, die nicht blutsverwandt sind, beschreibt. Auch das Wort Brüderlichkeit – wie die Losung der Französischen Revolution Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit konstatiert – ist ein Ausdruck von Freundschaft und in vielen Kulturen der Welt ein Ideal. In neuerer Zeit wird im Sinne einer Frauensolidarität auch von Schwesterlichkeit gesprochen. Beide sind mit dem geschlechtsneutralen Wort Solidarität synonym.

Ähnlich klingen die beiden Partizipien verschwistert und verschwägert. Wie zu vermuten ist, geht verschwistert auf Schwester und somit auf das althochdeutsche swester zurück. Dies ist Wurzel des mittelhochdeutschen swesterlich mit der Bedeutung ›als Geschwister verbunden, zusammengehörig‹ wurde. Die Wurzel des Wortes Schwager ist auf mittelhochdeutsch swāger zurückzuführen, das schon damals die Bedeutung ›Schwager, Schwiegervater, -sohn‹ trug. Im Althochdeutschen war suāger noch spezieller als ›Bruder der Frau‹ zu deuten. Die neuhochdeutsche Zusammensetzung Schwiegermutter tritt erst im 16. Jahrhundert verdeutlichend neben das gleichbedeutende Wort Schwieger, das die entsprechende weibliche Gegenbildung zu Schwager mit der alten Bedeutung für ›Schwiegervater‹ darstellt. Seit dem 17. Jahrhundert wird das Partizip sich verschwägern mit der Bedeutung ›durch Heirat verwandt‹ verwendet.

Blutsverwandt ist man in der Regel mit seinen Urgroßeltern (der Urgroßmutter, dem Urgroßvater), deren Vorsilbe Ur- nur in nominaler Zusammensetzung gebraucht werden kann. Das Präfix bezeichnet den Anfangszustand einer Sache wie in Ursprung, Ursache bzw. den ersten Vertreter einer Gattung wie auch in Urwald. Wenn Beziehungen innerhalb der Familie durch Wiederverheiratung eines Elternteils entstehen, drückt das Deutsche dies bereits seit dem Mittelhochdeutschen durch die Vorsilbe stief aus, die mit ›abgestutzt, beraubt, verwaist‹ eine eher unliebsame Bedeutung trägt. Der Bedeutungszusammenhang zwischen der Stiefmutter sowie auch dem Stiefvater und der Böswilligkeit sowie der Vernachlässigung ist hoffentlich überholt, denn heutzutage lebt etwa jede 10. Familie in einem entsprechenden Modell.

Zum Tag der Geschwister kann man seinen nicht blutsverwandten oder eigenen Sprösslingen vielleicht auch mal eine kleine Aufmerksamkeit mitbringen – vielleicht ein paar liebevoll gemeinte Stiefmütterchen.

Quellen

Duden. Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle. Berlin 2016.
Duden. Das Herkunftswörterbuch. Mannheim 2010.
Duden. Die Sinn- und sachverwandten Wörter. Mannheim 1999.
https://derzwiebel.wordpress.com/2019/05/07/brueder-und-gebrueder
https://www.abendblatt.de/ratgeber/wissen/article107976442/Wie-kommen-die-Stiefmuetterchen-zu-ihrem-Namen.html