10. Juli 2018

19. Der grundlegende Unterschied zwischen deutschen und spanischen Fußball-Livekommentaren

CC-Lizenz

Im letzten Beitrag wurde bereits deutlich, wie die großen Fußballveranstaltungen zu Shows und Medienspektakeln ausgeschmückt werden. Dazu trägt auch der Livekommentar während des Spiels bei. In ihrem Beitrag »Fußball als Medienereignis: die mediale und sprachliche Inszenierung von Fußballevents als Sportspektakel« untersucht Kerstin Jung (heute: Tränkle-Jung) die interkulturellen Unterschiede, indem sie deutsche und spanische/argentinische Livekommentare miteinander vergleicht. Nachfolgend lesen Sie Tränkle-Jungs spannende Ergebnisse:

»Die Art des Kommentierens hängt stark vom kulturellen Hintergrund ab. Wenn man eine spanische oder argentinische Fußball-Liveübertragung anschaut, wird man sehr schnell feststellen, dass sich der hispanische Livekommentar von einem deutschen Livekommentar unterscheidet. Während beim deutschen TV-Kommentar ein eher nüchterner Informationsstil vorherrscht, längere Pausen auftreten und der Schwerpunkt vor allem auf der Erklärung und Bewertung von Spielsituationen und Taktiken liegt, ist die hispanische Fußballberichterstattung von einer größeren Emotionalität und Dynamik geprägt. Es gibt keine längeren Pausen im Kommentar, eher das Gegenteil, die Kommentatoren sprechen fast unaufhörlich. Sie sprechen aber nicht nur mehr als deutsche Sportreporter, sondern auch schneller und weitaus lauter. Um einen Vergleich zu wagen, kann man sagen, dass der Fußballkommentar im spanischen und argentinischen Fernsehen eher einem deutschen Radiokommentar ähnelt: TV-Kommentatoren mit einem hispanischen kulturellen Hintergrund gehen nicht wie deutsche Kommentatoren davon aus, dass der Zuschauer im Bild sieht, was auf dem Platz passiert […], sie lassen das Fernsehbild nicht unkommentiert für sich sprechen und berichten exakt, was auf dem Spielfeld passiert.

Die kulturellen Kommunikationsunterschiede betreffen auch die formale Organisation des Livekommentars, die diesen zum Teil des Sportspektakels macht. Bei den analysierten Liveübertragungen setzt sich das Kommentatorenteam in den meisten Fällen aus drei Kommentatoren mit unterschiedlichen Funktionen zusammen. Der Hauptkommentator hat die Aufgabe, das Spielgeschehen auf dem Platz – ergänzend zum TV-Bild – ausführlich zu schildern. Die beiden anderen Sportreporter kommentieren das Spiel: Der Kokommentator, der oft ein enzyklopädisches Fußballwissen besitzt, liefert Hintergrundinformationen, analysiert Spielzüge oder bewertet Schiedsrichterentscheidungen, und der Experte, meistens ein Exfußballstar, trägt sein Expertenwissen zum Kommentar bei. Während der Liveübertragung sitzen die Reporter nebeneinander, die Kommunikationssituation wirkt entspannt und aufgelockert. Aufgrund der formalen Organisation können spanische und argentinische Fußballkommentare durchweg dem dialogischen Genre zugeordnet werden. Dadurch sind die Livekommentare viel stärker informell geprägt als eine deutsche Liveberichterstattung.« (Jung 2009: 147 f.; vgl. auch Müller 2004: 430 f.)

Die weiteren bislang veröffentlichten Beiträge finden Sie auf dieser Seite.


Quellen:

Jung, Kerstin (2009): Fußball als Medienereignis: die mediale und sprachliche Inszenierung von Fußballevents als Sportspektakel. In: Armin Burkhardt/Peter Schlobinski (Hgg.): Flickflack, Foul und Tsukahara. Der Sport und seine Sprache (= Duden, Thema Deutsch, Band 10). Dudenverlag, S. 143–159.

Müller, Jochen (2004): Von Kampfmaschinen und Ballkünstlern. Fremdwahrnehmung und Sportberichterstattung im deutsch-französischen Kontext. Eine Presse- und Fernsehanalyse. St. Ingbert.