12. Juli 2018

21. Fangesänge – mehr als nur Gegröle

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Was wäre ein gut besuchtes Stadion ohne die regelmäßig einsetzenden, schallenden Gesänge der Fans? Wahrscheinlich recht trist und öde: Die typische Atmosphäre sowie das Gemeinschaftsgefühl, die die Fußballstimmung ausmachen, würden nicht aufkommen.

Georg Brunner widmet sich in seinem Beitrag (siehe Literaturangabe) der Untersuchung dieser Fangesänge und beleuchtet verschiedene Meinungen zu deren Kategorisierung. Dabei stellt er eine interessante Gliederung vor, die sich am Kontext der Gesänge orientiert (von Farnosh Khodadadi und Anika Gründel, 2006: 10 f.):

  • »Unterstützende Fangesänge (Anfeuerung, aber auch Kritik am Gegner: ›Haut drauf, Kameraden, haut drauf, haut drauf‹; ›Come on, FC‹)
  • Solidarische Fangesänge (Empathie, Zugehörigkeit: ›Wir sind die Eintracht, Eintracht ist unser Verein‹)
  • Fordernde Fangesänge (Erwartungsäußerung, z. B.: Sieg. ›Kämpfen, Dortmund, kämpfen‹)
  • Euphorische Fangesänge (Hoffnung und Begeisterung: ›Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin‹)
  • Huldigende Fangesänge (oft auf einen Spieler als ›Fußballgott‹ bezogen, z. B. rhythmisches Rufen des Namens eines Spielers)
  • Ausgrenzende Fangesänge (auch gegen eigene Spieler/Trainer bei Misserfolg, meist aber gegen den Gegner: ›Wir hassen Dortmund, wir hassen Schalke, aber ihr, ihr seid die Pest, Ostwestfalen, Idioten, Scheiß Arminia Bielefeld‹)
  • Diffamierende Fangesänge (Kritik am Gegner: ›Duisburger Arschlöcher‹)
  • Irreführende Fangesänge (Ablenkung des Gegners, auch gegen Schiedsrichter: ›Bayern, wir hören nichts‹)« (Brunner 2009: 202–203)

Brunner (2009: 203) spricht zudem von Schlüsselwörtern, die immer wieder auftreten und sich auch in Kategorien einteilen lassen. Dazu zählen »Zugehörigkeitsbekundung (z. B. Pronomina wir, unser, ihr, sie), Mannschaftskennzeichnungen (Vereinsfarben, Trikot, Namen der Mannschaft), Sport- und Sportartkennzeichnungen (z. B. Gegner, Tor, Spiel), euphorische Expressionen (z. B. Traum, Herz, Schnee, Licht), Fäkalwörter (z. B. Scheiß), negative Titulierungen (z. B. Idioten, Pest, Hurensöhne).«

Es zeigt sich also, dass Fangesänge nicht einfach nur Gegröle sind, sondern je nach »Kategorie« bestimmte Funktionen erfüllen und bedeutend zur Dramaturgie eines jeden Fußballspiels beitragen. Achten Sie beim nächsten Fußballspiel, das Sie verfolgen, doch einmal darauf und versuchen Sie, die einzelnen Fangesänge zuzuordnen.

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Quellen:

Brunner, Georg (2009): Fangesänge im Fußballstadion. In: Armin Burkhardt/Peter Schlobinski (Hgg.): Flickflack, Foul und Tsukahara. Der Sport und seine Sprache (= Duden, Thema Deutsch, Band 10). Dudenverlag, S. 194–210.

Khodadadi, Farnosch/Gründel, Anika (2006): Sprache und Fußball – Fangesänge. Essen (= Linguistik-Server Essen) http://www.linse.uni-essen.de.