3. November 2022

3. November: Klischee-Tag

Deutsche haben keinen Hunor. CC-Lizenz

Heute, am 3. November, ist Klischee-Tag. Noch nie davon gehört? Tja, wir auch nicht, denn dieser Tag wird wohl vor allem in den USA begangen. Und doch wollen wir ihn zum Anlass nehmen, uns näher mit Klischees zu befassen – etymologisch und stilistisch.

Klischees kennen wir alle: Frauen können nicht Auto fahren, Männer helfen nicht im Haushalt, die Deutschen lieben Gartenzwerge und tragen Socken in den Sandalen usw. Bei Klischees handelt es sich um eingefahrene, überkommene Vorstellungen, die sich zum Teil zu abgegriffenen Redewendungen weiterentwickelt haben, z. B. Ende gut, alles gut, die Zeit heilt alle Wunden, Lachen ist die beste Medizin, pünktlich wie die Maurer.

Ein Klischee ist eine Schablone, eine Annahme, die reproduziert und von anderen unreflektiert übernommen wird, ein Stempel: »Sie sind Deutscher? Ah, deshalb lachen Sie nicht über meinen Witz, denn man weiß ja: Deutsche haben keinen Humor.« Und schon wird man abgestempelt und in eine Schublade gesteckt. Doch einen Ursprung haben diese Denkmuster schon: So besaß vermutlich jedes Klischee einmal einen wahren Kern oder traf zumindest zum Teil oder auf einen bestimmten Personenkreis zu. Beispielsweise durften Frauen in Deutschland bis 1958 nur dann Auto fahren, wenn ihr Ehemann es ihnen erlaubte; die Folge: Entweder konnten sie nicht fahren, weil es ihnen nicht erlaubt wurde, oder aufgrund fehlender Fahrpraxis waren sie nicht besonders gut darin. Männer hingegen mussten zu dieser Zeit gar nicht im Haushalt helfen, das war die Domäne der Frau. Wie hätten sie es also lernen sollen? Zwei Klischees waren geboren. Durch die unbedachte und nicht erneut überprüfte Wiedergabe dieser damals getroffenen Beobachtungen oder Annahmen über Frauen und Männer wurden diese schließlich zu allgemeingültigen, vorgeprägten Aussagen, Allerweltsmeinungen, Gemeinplätzen.

Häufig sind Klischees negativ behaftet und erhalten dann den Charakter eines Vorurteils, also einer voreiligen Annahme von etwas, das bislang nicht objektiv überprüft wurde: Man bildet sich ein Urteil aufgrund von durch die Gesellschaft vorgeprägte Meinungen. Doch auch positive Eigenschaften werden durch Klischees transportiert: Demnach kochen Italiener gut, Asiaten sind sehr höflich, Frauen sind empathisch und Männer haben einen guten Orientierungssinn.

Auch wenn die Verbreitung von Klischees in der Menschheitsgeschichte wahrscheinlich weit zurückreicht: Ihre Bezeichnung haben sie erst im frühen 19. Jahrhundert erhalten. Das Wort geht zurück auf das französische cliché und wurde bereits im 18. Jahrhundert mit der Bedeutung ›Abklatsch‹ entlehnt; ursprünglich handelte es sich bei einem cliché um eine lautmalende Bildung von klatschen, klitschen, einem Geräusch, das beim Drucken mit Druckplatten entsteht. Und genau dort, im Druckwesen, hat das Wort Klischee seinen Ursprung: Ein Klischee ist eine Druckplatte, in diesem Sinn also eine Art Stempel oder Schablone, die das auf ihr aufgebrachte Motiv wieder und wieder reproduziert. Selbst das deutsche Wort Abklatsch bezeichnet nicht nur abwertend die oben beschriebene Nachahmung und unreflektierte Wiedergabe von Denkmustern, sondern – etwa in der Kunstwissenschaft – ebenso und ganz wertneutral eine Nachbildung, das Negativ einer Vorlage.

Auch wenn der amerikanische Klischee-Tag dazu aufruft, Klischees und klischeeartige Redewendungen anzuwenden, wollen wir doch lieber das Gegenteil bewirken: mit überkommenen Vorstellungen aufzuräumen und durch die Gesellschaft geprägte Annahmen einmal für sich selbst zu überprüfen. Denn auch Männer helfen im Haushalt und Deutsche haben durchaus Humor – wenngleich er vielleicht nicht von allen verstanden wird.

Quellen

Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. Mannheim 2012.
www.dwds.de
https://de.wikipedia.org/wiki/Klischee_(Drucktechnik)
https://www.helpster.de/klischee-beispiele-und-erklaerung-fuer-diesen-begriff_121427
https://wortwuchs.net/klischee/