22. November 2023

Antisemitismus – eine Begriffsklärung

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Antisemitismus ist bekannt als auf negativen Stereotypen gründende Abneigung, mehr noch Feindschaft gegenüber Juden und dem Judentum und wird als ›Judenhass, Judenfeindlichkeit‹ definiert. Antisemi­tismus beschreibt dabei nicht nur die Einstellung Einzelner, sondern gleichsam eine ganze Bewegung, eine Ideologie, in der diese Abneigung und Feindschaft auf verschiedene Art und Weise ihren Ausdruck finden: in (rassen-)politischen Einstellungen, Verhaltens- und Handlungsweisen »aus rassischen und politischen, aber auch aus sozialen und religiösen Gründen« (Strauß et al. 1989).

Worthintergrund

Die Vorsilbe anti– stammt aus dem Griechischen und drückt unter anderem eine »gegnerische Einstellung gegenüber einer Person oder Sache, eine ablehnende Haltung gegen jemanden oder etwas« aus (Duden 2020). Die Wörter Semit, semitisch – gebildet nach Sem, dem ältesten Sohn Noahs im Alten Testament – deuten jedoch nicht direkt auf Juden oder das Judentum hin. Stattdessen wird mit dem Ausdruck Semit, Semitin eine Person beschrieben, die einer »sprachlich und anthropologisch verwandten Gruppe von Völkern besonders in Vorderasien und Nordafrika« (ebd.) angehört. Dies umfasst auch das Gebiet Israels. Semitisch ist somit grundsätzlich erst einmal alles, was die Semiten betrifft und zu ihnen gehört, etwa auch die semitischen Sprachen, zu denen auch das Hebräische zählt. Konkret von Judaismus spricht man hingegen, wenn es um das Judentum als Glaubenshaltung geht, die jüdische Religion. Jüdinnen und Juden sind somit einerseits durch ihren Glauben zu definieren, andererseits durch ihre Zugehörigkeit zu einer semitischen Volksgruppe.

Entwicklung zum politischen Schlagwort

Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Semiten als eine Sprach- und Völkerfamilie definiert, die der Sprachfamilie der Arier – Indogermanen – gegenüberstand. In diesem Vergleich wurden den beiden Sprachgruppen zunächst neutral entgegengesetzte Nationalcharaktere und Kulturtypen zugeschrieben, schließlich wurden sie auch wertend einander gegenübergestellt: Arische Eigenschaften wurden als positiv, semitische Eigenschaften als minderwertig dargestellt. Die bereits jahrhundertelang bestehende Judenfeindlichkeit begründet nun, dass auch Juden als Semiten und somit als zu dieser als minderwertig dargestellten Volksgruppe gehörig beschrieben wurden. Bis weit ins 19. Jahrhundert waren die Ausdrücke Semitismus, semitisch, Semitentum lexikalisch etabliert und wurden zunehmend abwertend gebraucht. Dies gipfelte darin, dass schließlich, im Jahr 1879, das Antonym Antisemitismus, Antisemiten geprägt wurde: als Eigenbezeichnung deutscher Judenfeinde um den Journalisten Wilhelm Marr. In der Folge verbreitete es sich als politisches Schlagwort, als Ideologie judenfeindlicher Organisationen.

Abgrenzung Antisemitismus – Antijudaismus

Während sich das Wort Antijudaismus vorwiegend auf eine Feindlichkeit gegen den jüdischen Glauben bezieht, geht das Wort Antisemitismus weit darüber hinaus, indem es nicht nur eine Haltung gegen die Glaubens­gemeinschaft des Judentums zum Ausdruck bringt, sondern (auch) gegen die Volksgruppe der Juden als ein semitisches Volk. Beim Antisemitismus geht es somit nicht (allein) um eine religiöse Feindlichkeit, sondern um eine feindliche Einstellung einem ganzen Volk, einer Nation, einer Kultur – einer »Rasse« – gegenüber.

Verwendung des Wortes im und nach dem Zweiten Weltkrieg

Da sich das Wort jedoch explizit gegen Juden und das Judentum richtet, handelt es sich demnach um eine etymologische Fehlprägung. So wurde während des Dritten Reichs im Hinblick auf arabische Verbündete das Wort Antisemitismus durch Judengegner ersetzt. Seit dem Zweiten Weltkrieg steht es allerdings »für alle Aspekte judenfeindlicher Ideologie, die den Holocaust ermöglicht, vorbereitet, begleitet und gerechtfertigt haben« (Wikipedia.de).

Quellen

Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier Antisemitismus. https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/dossier-antisemitismus

Duden. Großes Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 2020

Gerhard Strauß, Ulrike Haß, Gisela Harras: Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Berlin/New York 1989.

www.wikipedia.de