Ausgabe: Der Sprachdienst 6/2017

Deppert

Die Lücke: Nicht nur im Deutschen ein Problem. Foto: CC0

Im Zusammenhang mit der vielbeschrienen »Sprachverhunzung« kennt man das Phänomen »Deppenapostroph« mittlerweile allzu gut: ein Apostroph an Stellen, an die er nicht gehört, jedenfalls nicht, wenn es nach der gültigen deutschen Rechtschreibung geht. Bei Eigennamen im Genitiv, die als Markenname verstanden werden können, mag er noch geduldet werden, so hat selbst der Duden nichts gegen »Willi’s Würstchenbude«; haariger wird es da schon bei Eigennamen im ganz normalen Fließtext (Goethe’s letztes Werk, Katrin’s kleiner Hund), und ganz und gar falsch wird es, wenn ein Plural-s mit einem Apostroph abgetrennt wird: schrott reife Auto’s, Anmeldeverfahren an Uni’s, Akku’s und Batterien.

Doch nicht nur beim Deppenapostroph möchte man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Seit gar nicht allzu kurzer Zeit greift auch das sogenannte »Deppenleerzeichen« um sich, also das Leerzeichen an Stellen, wo Wörter zusammen- oder mit einem Bindestrich geschrieben werden müssten. So liest man vermehrt von »Komposita« wie Lese Wettbewerb, Seminar Teilnehmer und Buch Rezension. Fakt ist: Bis ins 17. Jahrhundert hinein, also lange bevor es eine einheitliche Rechtschreibung in Deutschland gab, wurden Komposita, definitionsgemäß zusammengesetzte Wörter, durch Leerzeichen getrennt (man spricht in diesem Fall besser von zusammengehörigen Wörtern). In den folgenden Jahrhunderten ging man mehr und mehr dazu über, die zusammengehörigen Wörter in einem Wort zu schreiben oder aber ihre Zusammengehörigkeit mit einem Bindestrich kenntlich zu machen. Mit der Vereinheitlichung der Rechtschreibung zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Zusammenschreibung von Komposita amtlich und ist es bis heute: Den gültigen Rechtschreibregeln entsprechend gibt es im Deutschen keine zusammengesetzten Wörter, deren Bestandteile nicht verbunden sind, entweder durch Schreibung in einem Wort oder durch Bindestrichsetzung, auch bei mehr als zwei Bestandteilen.

Doch diese eigentlich so einfache Regel verschwimmt aktuell immer mehr; immer häufiger sieht man Leerzeichen dort, wo sie nicht hingehören, treiben sie einen Keil zwischen Wörter, deren Verbindung nicht nur orthographisch, sondern auch semantisch so wichtig wäre. Wie kommt es zu diesen verheerenden Fehlern, die sich nicht nur der deutschen Rechtschreibung so hartnäckig widersetzen, sondern auch zu Sinnentstellungen führen können?

Die Gründe lassen sich auf verschiedene Entwicklungen zurückführen. Zwar hat die Rechtschreibreform 1996/2006 sicherlich zu einigen Unsicherheiten geführt, gerade was die Zusammen- und Getrenntschreibung betrifft (z. B. um Bedeutungsunterschiede hervorheben zu können: sicher gehen (= einen sicheren Gang haben) vs. sichergehen (= kein Risiko eingehen)), doch ist dies nicht der einzige Grund für das Um-sich-Greifen des Deppenleerzeichens. Der Fehler lässt sich hauptsächlich wohl auf folgende drei Auslöser zurückführen:

  1. Werbung und Marketing: Besonders in Werbeaufschriften oder bei Produktnamen sieht man Wörter, die zwar zusammengehören, aber nicht zusammengeschrieben sind. Einerseits ist es legitim, den Eigennamen eine eigene Schreibweise zu geben, und auch zur Aufmerksamkeitslenkung benutzt man in der Werbung gern ungewöhnliche und von der Rechtschreibung abweichende Schreibweisen; andererseits jedoch hat gerade Werbung einen großen Einfluss auf viele Menschen, so dass falsche Schreibweisen oft einfach übernommen werden.
  2. Englisch: Im Englischen werden Komposita nicht zusammengeschrieben, auch einen Bindestrich sieht man dort höchst selten. Hier zeigt sich, dass der vielbeklagte Einfluss des Englischen auf das Deutsche sich nicht nur auf den Wortschatz erstreckt, sondern sich auch die englische Rechtschreibung und Grammatik auf das Deutsche auswirken.
  3. Autokorrektur und Handynutzung: Rechtschreibkorrekturprogramme markieren Wörter, die sie nicht kennen. Je länger das Wort, desto wahrscheinlicher ist dies. Was wäre da einfacher, als die einzelnen Bestandteile voneinander zu trennen, damit das Programm nichts mehr zu meckern hat? Auch auf dem Handy geht es schneller, Komposita in ihre Bestandteile zu zerlegen, statt mühsam nach dem Bindestrich zu suchen. Der Mensch ist faul.

Doch falsch bleibt falsch. Auch wenn man das Deppenleerzeichen heute erschreckend häufig zu Gesicht bekommt: Richtiger wird es dadurch nicht und Komposita im Deutschen müssen nach wie vor zusammengeschrieben werden. Das Hauptwort eines jeden Kompositums ist dabei der ganz rechtsstehende Teil, dennoch liegt die Betonung auf dem ersten Teil, der lediglich eine Spezifizierung des Hauptwortes vornimmt. Wird die Regel der Zusammenschreibung jedoch missachtet, ändert sich auch die Betonung, denn dadurch entstehen zwei Hauptakzente: Bei einer Krankenschwester liegt die Betonung auf der ersten Silbe, bei einer Kranken Schwester tragen beide Wörter einen Akzent – und plötzlich ergibt sich ein ganz anderer Sinn! Demnach ist etwa bei Opel Partner (zwei Hauptakzente) zu vermuten, dass sich dahinter ein Automodell wie Opel Astra oder Opel Omega (je zwei Hauptakzente) verbirgt, sicher aber nicht ein Opel-Partner (Akzent auf der ersten Silbe). Für viele ist es wichtig zu wissen, wo sich die Behindertentoilette befindet, sie suchen aber ganz bestimmt nicht nach einer Behinderten Toilette. Bei der Bank freut man sich, dass einem der Private Banking-Berater exklusiv zur Vermögensbildung verhilft, und ist überrascht, wenn der Private-Banking-Berater im Bereich »Private Banking« noch andere Kunden betreut.

Doch so sehr das Deppenleerzeichen und die damit einhergehende zur Schau gestellte Unkenntnis der deutschen Rechtschreibung Sprachsensitive auch verärgern, mindestens aber verwundern mag, so unterhaltsam kann es sein, wenn der Mobilfunkanbieter auf neue Kunden hofft, indem er zu fragwürdigen Werbemaßnahmen greift: »24 Monate ohne Grund Gebühr«. In diesem Sinne: Frönet der Wortverbindung!

Frauke Rüdebusch