8. Juli 2024

Der blaue Stuhl bei der GfdS

Die GfdS hat im Rahmen der Sprachberatung mitunter auch mit Farben zu tun: erst mit Schwarz-Grün, nun Schwarz-Rot in Hessen, dem Regenbogenkreisel und natürlich auch mit Redewendungen zu Farben, unter anderem zur Farbe Blau. Deshalb war es uns eine besondere Freude, den blauen Stuhl bei uns begrüßen zu dürfen. Er hatte als Kunstprojekt von Andreas Petzold und auf Vermittlung des Nassauischen Kunstvereins schon viele Stationen durchlaufen und immer konnte eine spezifische Assoziation zum Gastort hergestellt werden.

Welche gedanklichen Verbindungen hat die GfdS zu diesem blauen Stuhl?

Wir Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler interessieren uns für das Farbadjektiv blau. Es stammt vom mittelhochdeutschen blā bzw. althochdeutsch blāo, das eigentlich ›schimmernd‹ oder ›glänzend‹ bedeutet. So wollten wir selbstverständlich niemandem den Stuhl vor die Tür stellen. Als Vorname ist Blau unseres Erachtens ungeeignet, wenngleich er nach unseren Listen von Standesämtern schon 3-mal für Jungen und 1-mal für Mädchen bestätigt wurde. Die englische Entsprechung Blue wurde allerdings in Deutschland schon über 200-mal für beide Geschlechter vergeben.

Wer oder was kann in der deutschen Sprache blau sein?

Betrunkene Menschen sind nach dem Weinfest blau und Lang-Badende bibbern mit blauen Lippen bei kühlem Wetter ohne blauen Himmel im Freibad. Dadurch zugezogene Stürze können zu blauen Flecken, einem Bluterguss führen. Oder man sieht aus, als wäre man verbläut worden. In den anstehenden Ferien lohnt sich eine Fahrt ins Blaue, misslich nur, wenn jemand einfach blaumacht, also z. B. bei der Arbeit ohne triftigen Grund fehlt, zum Beispiel an einem blauen Montag. Als Entschuldigung macht man jemandem blauen Dunst vor, im schlimmsten Fall kommt die Abmahnung, der Blaue Brief. Die betroffene Person erlebt dann ihr blaues Wunder. Kann man sich dann noch an einem Blaukehlchen oder einer Blaumeise erfreuen? Blaukissen, Blauregen, Blaustern oder Blauer Eisenhut, Blausäure …, wenige Gramm oder Milliliter davon genügen und man wird mit Blaulicht abgeholt. Bekömmlicher hingegen sind Aal blau, Karpfen blau, Blauschimmelkäse, Blaubeeren oder die Blauen Zipfel, die kleinen gekochten Würste mit einer gewissen Anspielung.

So geht es auch optimistischer und offizieller: Auf den Flaggen der EU, von Schweden oder der Ukraine findet sich das Blau. In der Kunst gilt die blaue Blume als Sinnbild der Romantik, »Das wirkliche Blau« als ein bedeutender Roman und die blaue Stunde ist in der Natur oder als Kulturformat (Das blaue Sofa) anzutreffen. Blaue Jungs umsegeln die blauen Meere, vom Blauwalen umschwommen, möglicherweise bis hin zur Heimat der blauen Mauritius oder nur auf der schönen blauen Donau.

Aus dem Liedgut wissen wir: »So blau, blau, blau blüht der Enzian …« und »Die ganze Welt ist himmelblau, wenn ich in deine Augen schau«… oder »Wo hast du denn die schönen blauen Augen her?«

Der Stuhl war also in einer guten blauen Wortumgebung. 

Lutz Kuntzsch

Weiterführende Links

Nassauischer Kunstverein

GfdS-Farbreihe der Redewendungen

Lutz Kuntzsch