Erneuerbare Energien
Das Thema der erneuerbaren Energien ist nicht neu, aber es ist aktueller denn je. Mit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine und mit den derzeitigen Spannungen im politischen Weltgefüge hat es eine neue Brisanz erreicht. Zwar sind bereits Pläne und Vorhaben ins Auge gefasst und Gesetze erlassen worden, den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, um einerseits das Klima zu schonen und andererseits die Abhängigkeit von fossilen und damit endlichen Energien zu reduzieren, doch nun hat der Ukrainekrieg dafür gesorgt, dass diese ziemlich durcheinandergeraten sind: Wichtiger als eine Unabhängigkeit von der Art der Energiequelle scheint derzeit die Unabhängigkeit von den Lieferanten der von uns genutzten Energie zu sein, von jenen Staaten also, die uns bislang einen großen Teil dieser Energie zugänglich gemacht haben. Und nun knirscht und ächzt es im Gebälk der Energiepläne: Dem wichtigen und dennoch immer noch zögerlichen Ausbau der erneuerbaren Energien steht eine aktiv verlängerte Abhängigkeit von fossilen Energien gegenüber. Doch wie immer wird dies kein politisches Für-und-Wider, sondern eine sprachliche Betrachtung der beteiligten Wörter und Ausdrücke.
Im Fokus steht zunächst der Ausdruck erneuerbare Energien, auch regenerative Energien. Unter erneuerbar ist zu verstehen, dass etwas, das abgenutzt oder verbraucht wird, sich erneuern lässt, also wieder in den Urzustand zurückversetzt werden kann. Ein Synonym hierzu ist das Adjektiv regenerativ zum Verb regenerieren und zum Substantiv Regeneration. Dieses Wortfeld geht zurück auf lateinisch regenerare mit der wörtlichen Bedeutung ›wiedererzeugen‹ im Sinne von ›erneuern, mit neuer Kraft versehen, neu beleben‹. Eine Eigenschaft erneuerbarer Energien – oft ist auch kurz von den Erneuerbaren die Rede – ist es also, dass sie entweder endlos zur Verfügung stehen (z. B. Wasser, Wind- und Sonnenenergie) oder sich immer wieder regenerieren, da sie auf nachwachsenden Rohstoffen basieren (z. B. Biomasse wie Holz) und dadurch neue Energie zur Verfügung stellen. Auf diese Weise gewonnene Energie wird auch als grüner Strom oder Ökostrom bezeichnet, da sie einen vergleichsweise geringen Eingriff in die Natur bedeutet und etwas bereits Vorhandenes, etwa die Kraft von Wind, Wasser oder Sonnenwärme bzw. -licht, in nutzbare Energie umwandelt.
Eine »echte« Erneuerung von Energie ist dabei im physikalischen Sinne eigentlich nicht möglich und die Bezeichnung erneuerbare Energien damit nicht präzise, denn Energie kann nach dem Energieerhaltungsgesetz weder vernichtet oder verbraucht noch neu geschaffen oder erneuert werden: Sie kann lediglich in eine andere Form überführt werden. Und dessen ungeachtet ist natürlich auch die Sonnenenergie endlich, basiert sie doch auf fossilem Gas, das gemessen am Menschenleben allerdings unerschöpflich wirkt.
Jetzt stellt sich aber die Frage, ob es tatsächlich richtig ist, von Energie im Plural, von Energien zu sprechen – schließlich ist Energie eigentlich so unzählbar wie Wasser, wenn man es nicht in Maßeinheiten misst. Das Wort geht zurück auf das lateinische energia zu griechisch enérgeia mit der Bedeutung ›wirkende Kraft‹; zugrunde liegt érgon ›Werk, Wirken‹. Der Duden verzeichnet ihn allerdings, den Plural Energien, und auch wenn die Pluralbildung bei einigen Bedeutungen (z. B. ›körperliche und geistige Spannkraft, Tatkraft‹ oder ›Nachdruck, Entschlossenheit‹) ausgeschlossen ist, so verweist der Duden bei dem für dieses Thema relevanten Eintrag mit der Bedeutung ›Fähigkeit eines Stoffes, Körpers oder Systems, Arbeit zu verrichten‹ darauf, dass in diesem Sinne Energie verkürzt für Energiequelle, Energieträger steht. Für diese kann natürlich ein Plural gebildet werden, analog dann auch für das gekürzte Wort: Energien.
Achtung übrigens bei der Schreibung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes: Dieses wird durchgekoppelt, denn das Adjektiv bezieht sich auf den modifizierenden Bestandteil Energien in diesem Kompositum, nicht auf das Hauptwort Gesetz. Spricht man hingegen von einem erneuerbaren Energien-Gesetz, so ist dieses Energien-Gesetz erneuerbar und sind es nicht die Energien. Dementsprechend bleibt auch das Adjektiv unberührt und wird nicht flektiert. Den erneuerbaren Energien stehen fossile Energieträger wie Kohle, Erdgas und Erdöl sowie aus nuklearen Brennelementen wie Uran und Plutonium gewonnene Energie gegenüber. Diese Energieträger sind endlich, das heißt, sie stehen in der Natur nur begrenzt zur Verfügung; werden sie verbraucht, sind sie schlicht nicht mehr da. Die Ähnlichkeit des Adjektivs fossil mit dem Substantiv Fossil ist übrigens kein Zufall: Fossile Brennstoffe sind über Jahrmillionen hinweg entstanden als Abbauprodukte von toten Pflanzen und Tieren, so wie auch ein Fossil ein z. B. als Versteinerung erhaltener Überrest von Tieren und Pflanzen aus einer frühzeitlichen Epoche ist. Das Wort geht zurück auf lateinisch fossilis ›ausgegraben‹ zu fodere ›graben‹.
War es noch vor einem Jahr ein Klimaziel mit höchster Priorität, die Erderwärmung möglichst stark zu begrenzen, indem der Verbrauch fossiler Brennstoffe – hauptverantwortlich für Treibhausgasemissionen und dadurch die globale Erwärmung – nach und nach zurückgeschraubt und die Gewinnung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen ausgebaut wird, so wirft uns der Ukrainekrieg in dieser Hinsicht um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zurück: Statt Kohlekraftwerke zu schließen, werden Kraftwerke, für die bereits ein Abschaltdatum bestimmt war, länger betrieben als geplant, und zusätzlich dürfen noch immer ganze Dörfer dem Erdboden gleichgemacht werden, um neue Gebiete für den Kohleabbau zu erschließen. Statt die Nutzung von Wasser-, Wind- und Sonnenenergie stärker zu subventionieren – selbst wenn dies nach jüngstem Beschluss zugesagt wurde –, lässt man es zu, dass der Ausbau von Wind- und Solarparks durch strikte Reglementierungen vielerorts beinahe unmöglich ist. Und nun das: Erst kürzlich wurden Gas – fossiler Energieträger – und Atomenergie – nuklearer Energieträger mit ungeklärtem Entsorgungsproblem – von der EU für nachhaltig erklärt. All dies läuft nicht nur dem Vorhaben zuwider, eine Klimakatastrophe abzuwenden, sondern widerspricht auch dem Konzept von Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit1. Stattdessen macht man es sich leicht: Fossile und nukleare Energieträger erhalten ein neues Etikett, und schon sind sie gar nicht mehr so umweltschädlich. Als würde man für Pommes frites und Chips eine besondere Ernährungsempfehlung aussprechen und ihnen ein A auf der »Ernährungsampel« verleihen, da sie ja schließlich aus Kartoffeln gemacht sind. Für dieses Vorgehen gibt es ein Wort: Greenwashing. Gemeint ist der Versuch von Firmen, Institutionen und auch Regierungen, sich als besonders umweltbewusst darzustellen, obwohl sie es nicht sind. Aber dies wäre wohl Stoff für ein weiteres Zeit-Wort …
Frauke Rüdebusch
[1] Vgl. auch das Zeit-Wort »Nachhaltig«.