Ausgabe: Der Sprachdienst 4–5/2022

Wie Spitzenpolitiker in der Krise ›Krise‹ kommunizieren

In Zeiten des Krieges sind Politikerinnen und Politiker in besonderer Weise gefordert: Sie müssen in einer Situation von Schrecken und Gewalt die Kommunikation nach innen (in die eigene Gesellschaft) und nach außen (etwa zu Partnerländern) bewerkstelligen, die den Optimismus wahrt, unpopuläre Entscheidungen erklärt und eigene Interessen gegenüber Dritten deutlich macht. Am Beispiel von Olaf Scholz, Robert Habeck und Wolodymyr Selenskyj geht ein aktueller Sprachdienst-Artikel der Frage nach, wie diese in der Krisenzeit des Krieges mit den Bürgerinnen und Bürgern oder der Weltöffentlichkeit kommunizieren. [Hier können Sie den ganzen Artikel bestellen.]

Olaf Scholz

ist seit dem 8. Dezember 2021 der neunte Bundeskanzler in der 24. Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland. Im Internet kann er über die folgenden Möglichkeiten erreicht werden:

Im Hinblick auf die Art und Weise seiner Kommunikation steht Olaf Scholz wiederholt in der Kritik. Ihm haftet der Vorwurf an, er würde zu wenig, zu ausweichend, zu kompliziert über Sachverhalte sprechen. Wie das sprachwissenschaftlich einzuordnen ist, darüber gibt der Artikel Auskunft.

Zitate über Olaf Scholz aus den Medien

  • »Die Sprache des Kanzlers ist so knapp wie unsere Ressourcen, sein Ton so kühl wie unsere Wohnzimmer, aber sein Herz ist so heiß wie unsere Stirnen nach einer Woche Heizungsausfall im Corona-Herbst«[1]
  • »Wenn Scholz mit Sprache hantiert, findet er oft das richtige Maß nicht. Es ist, als drehe er an einem alten Wasserhahn. Es kommt entweder eiskaltes Wasser raus oder brühend heißes«[2]
  • »Meister Ungefähr«[3]
  • »Kuck mal, wer da spricht«, »Je öfter Scholz gefragt wird, desto bockiger wird er.« & Scholz sei »an den Grenzen seines kommunikativen Minimalismus angelangt«[4]
  • Olaf Scholz ist jemand, der »mehr den Kühlschrank gibt als die Wärmestube«[5]
  • »Vor allem aber geht es an diesem Abend um die Frage, ob der Kanzler Kommunikation in der Krise kann«[6]
  • »Olaf macht Om«[7]
  • »Er scholzt sich durch«[8]
  • »Worte und Taten passen nicht zusammen«.[9]
  • Olaf Scholz meint, »offenbar noch die althergebrachte Erwartungshaltung bedienen zu müssen, dass Politiker jederzeit den Eindruck vermitteln müssen, alles voll im Griff zu haben. Seine Erfolgsformel lautet: 100-prozentige Kompetenzsimulation bei größtmöglicher Verschlossenheit« […] »ob der Stil des Kanzlers aus der Zeit gefallen ist«[10]
  • »Trotzdem gilt Scholz in der Öffentlichkeit als einer, der […] zu wenig erklärt oder zu unverständlich«[11]
  • »Scholz hat das Kunststück vollbracht, mit klaren Worten mehr zu geizen als mit schweren Waffen.«[12]

[1] Das Streiflicht, in: Süddeutsche Zeitung 227, 2022, S. 1.
[2] Brössler, Daniel, in: Süddeutsche Zeitung 137, 2022, S. 3.
[3] Gammelin, Cerstin, Meister Ungefähr, in: Süddeutsche Zeitung 33, 2022, S. 4.
[4] Brössler, Daniel, Kuck mal, wer da spricht, in: Süddeutsche Zeitung 32, 2022, S. 3.
[5] Amann, Melanie, Ullrich Fichtner, Annette Großbongardt, Kevin Haben, Martin Knobbe, Tobias Rapp und Anna Reimann (2022). »Schmerzhafte Aufklärung«. In: Der Spiegel, Nr. 17, S. 15.
[6] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/olaf-scholz-spricht-mit-buergern-ueber-den-ukraine-krieg-18036538.html
[7] https://www.spiegel.de/kultur/tv/olaf-scholz-bei-pinar-atalay-und-rtl-direkt-a-2d45929a-51d1-49f0-8964-64fd04088fb4
[8] https://www.sueddeutsche.de/medien/olaf-scholz-pinar-atalay-rtl-direkt-1.5585656?reduced=true
[9] Schuster, Jaques und Thomas Vitzthum, Die halbe Wahrheit ist schlimmer als die ganze Unwahrheit, in: Welt am Sonntag 21, S. 4.
[10] Markus Feldenkirchen, Martin Knobbe, Veit Medick, Alexandra Rojkov, Christoph Schult, Gerald Traufetter, Severin Weiland, Team Leidenschaft, in: Der Spiegel 21, S. 23.
[11] Markus Feldenkirchen, Martin Knobbe, Veit Medick, Alexandra Rojkov, Christoph Schult, Gerald Traufetter, Severin Weiland, Team Leidenschaft, in: Der Spiegel 21, S. 24.
[12] Brössler, Daniel (2022). Seine üblichen Andeutungen, in Süddeutsche Zeitung 131, S. 4.

Robert Habeck

ist seit dem 8. Dezember 2021 Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Stellvertreter des Bundeskanzlers in der 24. Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland. Im Internet kann man ihm über die angegebenen Möglichkeiten folgen:

Der Wirtschafts- und Klimaschutzminister wird in den Medien als kommunikativer Antipode von Olaf Scholz beschrieben. Habecks Art, Dinge zu erklären, eine Sprache zu verwenden, die nicht dem üblichen ›Politiker-Sprech‹ entspricht, findet große Zustimmung. Der Artikel nimmt eine Einordnung seiner sprachlich-kommunikativen Strategien in den Blick.

Zitate über Robert Habeck aus den Medien

  • »Der Wahr-Sager«[13]
  • »Wie lerne ich reden wie Robert Habeck?«[14]
    »Habeck scheint in der Krise zu gelingen, woran Scholz bisher scheitert: Die nachvollziehbare Erklärung von Regierungspolitik« & »Als Habeck im Frühjahr 2018 nach Berlin wechselte, stand ihm nur sein kommunikatives Talent zur Verfügung«[15]
  • »Dabei ist das derzeit Prägnante an Habeck, dass er sich müht, seine politischen Entscheidungen besonders anschaulich und ausführlich zu kommunizieren« & »Habeck hat aus ihnen eine rhetorische Kunstform entwickelt. Der Trick besteht darin, die Ängste vieler Menschen zu seinen eigenen zu machen, ihnen dann diese Ängste zu nehmen, und das so kompakt, dass es in einen Fernsehbeitrag von einer Minute und 30 Sekunden passt« & »Dass Habeck zum beliebtesten Kabinettsmitglied wurde, hat viel mit seinem Erklärungsgeschick zu tun« & »Kommunikationskanzler nennt man Habeck in Berlin« & »Lange mussten die Coaches auf Beispiele aus dem Ausland zurückgreifen, häufig Barack Obama. Jetzt zeigen sie Habeck«[16]
  • »Robert Habeck entspricht nicht dem üblichen Bild eines Politikers. Er sieht anders aus und spricht anders«[17]
  • »Er hat ein hohes Maß an Authentizität in seiner Inszenierung.«[18]

[13] Pausch, Robert, Der Wahr-Sager, in: Die Zeit 16, 2022, S. 6.
[14] https://www.zeit.de/2022/18/robert-habeck-sprache-kommunikation-politik
[15] Claus Christian Malzahn & Nikolaus Doll, Der Vizekanzler-Bonus, in: Welt am Sonntag 21, S. 5.
[16] Markus Feldenkirchen, Martin Knobbe, Veit Medick, Alexandra Rojkov, Christoph Schult, Gerald Traufetter, Severin Weiland, Team Leidenschaft, in: Der Spiegel 21, S. 23.
[17] »Baerbock und Habeck – Kurs aufs Kanzleramt? | Doku | NDR« 23.11.2020, 00:07:19 h. https://www.youtube.com/watch?v=rsjRm2Zf-5Y
[18] »Baerbock und Habeck – Kurs aufs Kanzleramt? | Doku | NDR« 23.11.2020, 00:26:40 h. https://www.youtube.com/watch?v=rsjRm2Zf-5Y

Wolodymyr Selenskyj

ist seit dem 20. Mai 2019 Präsident der Ukraine. Präsident Selenskyj hat sich unmittelbar mit Beginn des Krieges als ein entschiedener Verteidiger seines Landes präsentiert, als er seine Worte sprach: »Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit« (vgl. auch unser Wörterbuch zu Krieg und Sprache, Stichwort Mitfahrgelegenheit). In der Folge hat er in international vielbeachteten Reden vor verschiedenen Parlamenten der Welt für Aufmerksamkeit und Unterstützung seines Landes geworben. Seine unerschrockene und direkte Kommunikation mit der ukrainischen aber auch der Weltbevölkerung haben ihm Respekt und Anerkennung eingebracht. Im Internet ist er in folgenden Kanälen vertreten:

Selenkyj nutzt die medialen Kanäle virtuos. Dabei herrscht in den Beschreibungen Einigkeit darüber, dass er diese Kompetenz aus seiner Zeit vor dem Präsidentenamt erworben hat. So trat er in einer Kabarett-Gruppe im Fernsehen auf, gründete eine Fernsehproduktionsgesellschaft und erreichte große Popularität in der satirischen Fernsehserie Diener des Volkes. Seine kommunikativen Leistungen werden in der Presse wie folgt beschrieben:

Zitate über Wolodymyr Selenskyj aus den Medien

  • »Meister der Inszenierung«[19]
  • »Er versteht die Wirkung von Geschichten«[20]
  • »Selenskyj erreicht Millionen auf den Plätzen Europas und der ganzen Welt«[21]
  • »Selenskyj ist der Präsident der Herzen«[22]
  • »hat er sich als brillanter Politiker erwiesen. Vielleicht sogar als der gegenwärtig mächtigste Medienpolitiker in ganz Europa«[23]
  • »Jeder Post ist eine Geschichte, ein Gefühl. Jedes Video ein Schock. Selenskyj beherrscht Story-Telling«[24]
  • »Selenskyj ist der Medienprofi im Bunker«[25]
  • »Seine Metamorphose ist wirklich dramatisch«[26]

[19] ARTE-Dokumentation »Selenskyj – Ein Präsident im Krieg«, 00:24:00 h.
[20] Ebd., 00:24:12 h.
[21] Ebd., 00:35:09 h.
[22] Ebd., 00:35:32 h.
[23] Ebd., 00:37:30 h.
[24] Ebd., 00:37:45 h.
[25] Ebd., 00:38:47 h.
[26] Ebd., 00:39:25 h.

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