Ausgabe: Der Sprachdienst 1-2/2023

Ernsthaft Tschewaptschitschi?

Die Sommer- und damit Urlaubszeit steht praktisch vor der Tür und verleitet zu manch kulinarischer Vorstellung – und womöglich finden sich darunter die gut gewürzten Mettröllchen vom Grill. Möchte man die serbisch-kroatische Delikatesse am Tresen bestellen oder jemandem eine Eigenherstellung anbieten, ist man fein raus. Beim Aufschreiben eines Rezeptes hingegen beginnt das Problem schon mit dem ersten
Buchstaben.

Wer sich auf die Regel »Schreibe, wie man spricht« verlässt, kann sich zwar auf den Duden, Fremdwörterbuch, 4. Aufl., 2007, beziehen und tatsächlich Tschewaptschitschi schreiben. Doch ist dies nicht ganz unproblematisch, da man im Wörterverzeichnis des Rats für
deutsche Rechtschreibung nur unter C fündig wird. Auch im offiziellen Regelwerk (»2.8 Spezielle Laut-Buchstaben-Zuordnungen in Fremdwörtern«; 2018) wird für [tʃ] kein ⟨tsch⟩ genannt (vgl. allerdings Tschechien, Tschakra). Anders als das früher einmal zulässige *Majonäse
hat es Tschewaptschitschi womöglich niemals offiziell gegeben. Bleibt also nur noch Cevapcici, wenn man auf die Aussprachekennzeichnung (Diakritika) verzichten möchte. Will man diese erhalten, muss man ein paar Sonderzeichen einfügen, um Ćevapčići zu realisieren – und zeigt sich dann als chef de cuisine und chef de l’orthographe in einem.

Wenn Sie sich übrigens fragen, a) ob das Cevapcici ein Pluralwort ist (Pluraletantum) und b) wie dann ein einzelnes Röllchen heißt, haben Sie
a) recht und b) die falsche Einstellung; die Röllchen sind nämlich so klein und schmackhaft, dass die singuläre Form, ein einzelnes auf einem großen Teller, ganz und gar unvorstellbar ist. Zudem handelt es sich hierbei schon um die Verkleinerungsform (Diminutiv) von Ćevapi – das übrigens nicht nur klanglich zur Kebab-Familie gehört.

Aber noch einmal zur zweiten Antwort und nun ernsthafter: Pluralwörter
oder Pluraliatantum zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur im Plural existieren, also keine Singularform aufweisen (vgl. Leute, Ferien, Kosten oder engl. trousers; aber nicht span. tapas, das nur meist im Plural verwendet, aber auch als tapa singulär serviert wird).

Torsten Siever