Generationenfrage
Generation Z, Millennials, Generation Alpha, Letzte Generation – wer da noch durchblickt, hat sich vermutlich schon bewusst mit der Bezeichnung unterschiedlicher Generationen auseinandergesetzt. In diesem Zeit-Wort betrachten wir jedoch nicht im Einzelnen, welche Merkmale die unterschiedlichen Altersgruppen auszeichnen, sondern vor allem, was hinter ihren Benennungen steckt, wie und warum sich diese Bezeichnungen etabliert haben.
In einem früheren Teil dieser Reihe, im Zeit-Wort »Generisch«,[1] haben wir das Wort Generation sprachlich bereits genauer untersucht und wollen daher an dieser Stelle nur kurz auf jene Bedeutung eingehen, die für uns im vorliegenden Beitrag eine Rolle spielt. Unter einer Generation ist im Folgenden eine Gruppe von Menschen einer Altersstufe zu verstehen, deren zeithistorische Prägungen und Erlebnisse, soziale Orientierungen und Lebensauffassungen miteinander vergleichbar sind. So lassen sich die mit den verschiedenen Generationen-Bezeichnungen versehenen Altersgruppen – in der Soziologie als Kohorten bezeichnet – in der Regel durch bestimmte gesellschaftliche, politische oder soziale Ereignisse, die sie miterlebt haben, zeitlich mehr oder weniger klar voneinander abgrenzen.
Schon in den 1870er-Jahren erarbeitete der Philosoph Wilhelm Dilthey in Bezug auf gemeinsame Merkmale verschiedener Alterskohorten ein Generationenkonzept. Wegbereiter für die sogenannte Generationenforschung war jedoch erst vor rund 100 Jahren der Soziologe Karl Mannheim. Mannheim stellte vor allem die Jugendjahre und in dieser Zeit erlebte zeitgeschichtliche Ereignisse in den Fokus seiner Betrachtungen, die ihm zufolge für die Ausbildung von Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften besonders prägend seien; auf Grundlage dessen wird pauschalisierend eine Einordnung in unterschiedliche Generationen vorgenommen.
Nicht nur Mannheims Ansatz ist in vielerlei Hinsicht umstritten, auch diese Einordnung in über bestimmte Eigenschaften zu definierende Altersgruppen ist es; so lassen sich keine scharfen Abgrenzungen vornehmen und es ist lediglich von Durchschnittswerten auszugehen, wodurch vielfach Stereotype und Vorurteile hervorgebracht werden. Dessen ungeachtet widmen wir uns im Folgenden den heute am häufigsten genannten Begrifflichkeiten in Bezug auf die einzelnen Generationen – und lassen unzählige weitere sowie Unterbenennungen wie Generation Golf, 68er-Generation, Mikrogeneration etc. außen vor, ebenso die sie prägenden Ereignisse und Erlebnisse und (sofern nicht relevant) die ihnen zugeschriebenen Merkmale.[2]
Die erste Altersgruppe in dieser Reihe kommt kaum je zur Sprache, möglicherweise weil sie nur noch wenige Vertreterinnen und Vertreter hat: Es handelt sich um die sogenannte Silent Generation, die ›stille Generation‹, auch Traditionalisten genannt. Diese Altersgruppe umfasst jene Menschen, die zwischen Ende der 1920er-Jahre und Ende des Zweiten Weltkriegs geboren wurden. Ihnen wird nachgesagt, besonders diszipliniert und pflichtbewusst (gewesen) sowie traditionellen, ja konservativen Werten wie Verantwortungsbewusstsein oder Respekt vor Autoritäten und sozialen Normen verschrieben zu sein – in diesem Sinne folgsam und still.
Die Generation der Baby-Boomer ist die erste Nachkriegsgeneration; die ihr Zugehörigen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre geboren. Diese Altersgruppe erhielt ihren Namen, da nach dem Zweiten Weltkrieg die Geburtenrate stark anstieg – es gab einen Baby-Boom (im Sinne von ›Hochkonjunktur, Aufschwung‹). Die Baby-Boomer haben den Ausdruck Workaholic (ein Kofferwort aus englisch work ›Arbeit‹ und alcoholic › Alkoholsüchtige/-r‹, also ›süchtig nach Arbeit‹) geprägt und gelten heute vielfach als konservativ und Althergebrachtem verhaftet, z. B. in Bezug auf den Klimawandel. So wird die Aussage »Okay, Boomer«, die seit 2019 kursiert, von Jugendlichen und jungen Erwachsenen als kritische Erwiderung auf Äußerungen der Baby-Boomer verwendet – im Sinne von »Ja, ja, rede du nur«.
Auf die Baby-Boomer folgt die Generation X, die Jahrgänge von Mitte der 1960er- bis Ende der 1970er-Jahre. Der Ausdruck selbst ist älter als die heute so benannte Generation: Seit den frühen 1950er-Jahren war er als Bezeichnung für die Alterskohorte der nach dem Zweiten Weltkrieg Heranwachsenden verwendet worden – zuerst in einer Fotoreportage über eben diese Gruppe. Das X kann hier als Platzhalter für diese Generation mit den ihnen eigenen Eigenschaften in Abgrenzung zu anderen Altersgruppen mit anderen Eigenschaften gesehen werden. Erst in den 1990er-Jahren wurde die Bezeichnung Generation X konkret auf die den Baby-Boomern folgende Altersgruppe bezogen, nachdem 1991 der gleichnamige Roman von Douglas Coupland erschienen war: Darin hatte er die Situation der damaligen Teenager und jungen Erwachsenen beschrieben – eben der Generation X.
Die Generation Y umfasst die zwischen 1980 und Mitte der 1990er-Jahre Geborenen. Die Jahrtausendwende und mit ihr eine besondere Atmosphäre von Veränderung und Aufbruch – man denke nur an technologische Umrüstungen, um dem sogenannten Jahr-2000-Problem Herr zu werden, oder an die in zahlreichen Kontexten verwendete Zahl 2000, die als geradezu visionär und zukunftsweisend empfunden wurde – hat ihre Jugendjahre geprägt. Daher stammt auch die alternative Bezeichnung Millennials zu Millennium ›Jahrtausend‹. Generation Y selbst lässt sich auf zweierlei Weise deuten: Einerseits ist dies die alphabetische und somit logische Folge von Generation X; andererseits steht das Y, englisch ausgesprochen [waɪ], für die englische Frage Why? ›Warum?‹ und somit für die dieser Generation im Besonderen nachgesagte Neigung zum Hinterfragen.
Zur Generation Z, kurz Gen Z, gehören die zwischen Mitte der 1990er- Jahre und 2009 Geborenen, die aktuell zum Teil noch mitten in den Jugendjahren stecken. Bei der Bezeichnung war man weniger einfallsreich: auf X und Y folgt Z.
Da mit dem Buchstaben Z das lateinische Alphabet endet, weicht man bei der Benennung der nachfolgenden Generation – die zwischen 2010 und 2025 Geborenen – auf das griechische Alphabet aus und nennt sie Generation Alpha. Damit wird auch suggeriert, dass nun noch mindestens 23 weitere Generationen folgen werden.
Den Zweifel, dass unsere Erde angesichts des Klimawandels noch viele weitere Generationen auf sich beherbergen wird, hat sich eine Gruppe von Klimaaktivistinnen und -aktivisten in den etwas theatralischen Namen geschrieben: Sie nennt sich Letzte Generation, um deutlich zu machen, dass wir die Welt mit unserem klimaschädlichen Verhalten derart zugrunde richten, dass (im wörtlichen Sinn) nach ihr keine weitere Generation mehr folgen werde.
[1] Frauke Rüdebusch, Zeit-Wort »Generisch«, in: Der Sprachdienst 3–4/2021.
[2] Diese lassen sich einfach durch eine Suche im Internet in Erfahrung bringen.
Frauke Rüdebusch