9. September 2022
Tag der deutschen Sprache: GfdS startet Projekt »SPRACHE+RESPEKT«
… und plädiert für einen sprachlich-respektvollen Gemeinsinn
In vielen Bereichen der Gesellschaft wird über mangelnden Respekt geklagt: Ob Herkunft, Kultur, Religion oder Sexualität – die Forderung nach Respekt dringt lautstark in alle Winkel des Lebens. Und gleichzeitig sind Hassrede (»Hatespeech«) und Shitstorm schon lange kein belangloser Beifang mehr im Schleppnetz der täglichen Kommunikation. Wie kann das sein und was können wir tun? Zum Tag der deutschen Sprache am 10. September plädiert die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) für einen aktiven sprachlich-respektvollen Gemeinsinn und hat am 1. September das Projekt SPRACHE+RESPEKT gestartet.
Der Tag der deutschen Sprache ist eine gute Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass Sprache gewiss nicht alles ist – aber ohne Sprache (fast) alles nichts ist. Zu den Zielen der GfdS gehört es, das Verständnis für das Wesen, die Bedeutung und Leistung von Sprache zu wecken und zu fördern. Und weil SPRACHE+RESPEKT das Fundament einer gelingenden Gesellschaft ist, bei dem jedes Individuum zählt, greift die GfdS das Thema aktiv auf, damit sprachliche Respektlosigkeit künftig hoffentlich weniger zu einer gesellschaftlichen Respektlosigkeit wird. Im Rahmen des Projekts werden wir sukzessive Informationen und Diskussionen rund um das Thema zur Verfügung stellen, die einen konkreten Beitrag zum Verständnis und zur Bedeutung eines respektvollen sprachlichen Miteinanders leisten werden. Damit SPRACHE+RESPEKT nicht nur gefordert, sondern immer mehr erreicht und gelebt wird.
An vielen Stellen gesellschaftlicher Debatten wird der Reichtum und die Vielfalt der Sprache nicht zur Vermittlung, zum Kompromiss und zur Herstellung von Konsens und Gemeinschaft genutzt. Im Gegenteil: Die Spaltung der Gesellschaft wird wiederkehrend erkennbares Ziel von Minderheiten. Für deren eigene Positionen fordern sie ein umfassendes Verständnis ein, während im Gegenzug Sprechverbote erteilt werden, die Menschen ratlos zurücklassen: »Was darf man denn heute noch sagen?« In den schlimmsten Fällen werden Argumente von Beleidigungen abgelöst. Die eigene Meinung wird als alternativlos (Unwort des Jahres 2010) etikettiert, wohingegen jegliche Gegenrede niedergebrüllt wird.
SPRACHE+RESPEKT ist zunächst schleichend, dann jedoch rasch immer deutlicher zu einem Kernthema unserer Gesellschaft geworden. Und wie bei vielen anderen Begriffen auch, hat jede Bürgerin und jeder Bürger eine Meinung dazu. So haben wir alle etwa eine ziemlich genaue Vorstellung davon, welche Berufsgruppen in der Gesellschaft »sehr viel« oder »viel« Respekt verdienen (Abb. A). Und jede oder jeder Einzelne hat einen individuellen inneren Kompass, was Respekt in Sprache und Kommunikation für sie oder ihn bedeutet – und was eben auch nicht. Wie bedeutsam Respekt tatsächlich geworden ist, zeigt die Wortverlaufskurve des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache (Abb. B – Quelle: dwds.de, Angaben in Mio. Tokens, Begriffsverwendung im Zeitungskorpus): Seit 1950 ist ein erstaunlich deutlicher Anstieg der Verwendungshäufigkeit des Wortes Respekt zu verzeichnen. Dies offenbart ein stark gestiegenes Interesse und Bedürfnis, sich mit Themen rund um diesen Begriff und seinem Konzept auseinanderzusetzen.
Die Zahl der Themen scheint sich dabei fortwährend zu vergrößern: War es in den 60er Jahren die grundlegende Anerkennung der Gleichberechtigung von Mann und Frau (am 3. Mai 1957 vom Deutschen Bundestag beschlossen), debattiert die Gesellschaft heute über Respektsthemen wie die sprachliche Sichtbarkeit möglichst vieler Geschlechtsidentitäten (Gender-Debatte). Hochaktuell ist auch die Diskussion über die Rückführung kultureller Güter wie etwa der Benin-Bronzen (Restitution). Ebenso die Frage, ob die Geschichten von Winnetou und Old Shatterhand »kulturelle Aneignung« widerspiegeln – immerhin hat der Ravensburger-Verlag deswegen jüngst Bücher aus seinem Verlagsprogramm entfernt. So viele Interessensakteure es gibt, so viele Debatten entfachen sich in den Sozialen- und Mainstream-Medien. Die sprachlich mögliche Bandbreite wird dabei regelmäßig – positiv wie negativ – ausgeschöpft.
Der Sprache kommt damit bei allen Themen eine Dreh- und Angelpunkt-Funktion zu. Die Art und Weise, wie über Dinge gesprochen wird, setzt den Ton für Diskussionen; getreu dem Sprichwort: »Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus«. Über alle Dinge in der Welt kann man naturgemäß so oder so sprechen. Die Gesellschaft für deutsche Sprache setzt sich mit Nachdruck für einen von Vielfalt geprägten, achtsamen und respektvollen sprachlichen Umgang ein.
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