Ausgabe: Der Sprachdienst 3/2020

Home-Office

Keine physische Distanz vorgeschrieben: Mitbewohner im Home-Office. CC-Lizenz

Noch vor gar nicht allzu langer Zeit kannten es viele nur vom Hörensagen, nicht aus eigener Erfahrung, doch mittlerweile ist es für einen guten Teil der Bevölkerung zu einem festen Bestandteil des Arbeitsalltags geworden, zur Basis des Schaffens sozusagen: das Home-Office.

Die Hintergründe sind bekannt: Das Coronavirus hat die ganze Welt, unseren bisher bekannten Alltag im Privaten und auch im Beruf für eine unabsehbare Zeit durcheinandergewirbelt und alle müssen nun versuchen, sich in der neuen Realität zurechtzufinden. Die Maßnahmen und Auflagen, die zur Vermeidung einer allzu schnellen Ausbreitung des Virus beitragen sollen, machen es notwendig, unsere bisherigen Gewohnheiten an die neue Situation anzupassen. Und dazu gehört auch, den Arbeitsalltag neu zu organisieren. Ausgangs– und Kontaktbeschränkungen sowie Schul– und Kita-Schließungen machen es für viele unumgänglich, zuhause zu bleiben und sich ein Heimbüro einzurichten. So heißt es also: Home-Office für die Eltern, Home-Schooling (also der Unterricht zuhause) für die Kinder – getreu dem Motto »My home-office is my castle«. Diese Art der Selbstisolation fühlt sich nicht selten an wie mehr oder weniger freiwillige häusliche Quarantäne – die Corontäne –, um sich selbst und andere nicht der Gefahr einer Infektion auszusetzen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der soziale Abstand, die soziale Distanz, die von einem jeden gefordert und erwartet wird. So mancher wird in diesen Zeiten zum Prepper (von engl. to prepare ›vorbereiten‹), also zu jemandem, der sich (wohl auch durch Hamstern) mit Nahrungsmitteln bevorratet, um das Gebot »Bleib zuhause! « möglichst lange und gewissenhaft einhalten zu können. »Corona« beschert uns ein riesiges Feld neuer Wörter und alter Wörter mit neuen Bedeutungen, die im Detail zu betrachten an dieser Stelle zu weit führen würde. Hierzu haben wir auf unserer Internetseite zahlreiche aktuelle Beiträge veröffentlicht. So soll es im Folgenden speziell um das heimische Büro gehen.

Zwar gibt es noch keine aktuellen statistischen Belegdaten der Verwendungshäufigkeit des Wortes Home-Office, doch unsere Beobachtungen der letzten Wochen zeigen, dass dieses Wort heute im Fokus der Diskussionen um die Arbeit zuhause steht. Das Wort Home-Office (bei uns auch in der Schreibweise Homeoffice etabliert) stammt, unschwer zu erkennen, aus dem Englischen und bedeutet wörtlich so viel wie ›Heim-Büro‹. Als deutsche Entsprechungen sind derzeit Wörter wie Heimarbeit, Arbeit (von) zuhause, Büro zuhause und eben auch Heimbüro im Umlauf, sie werden jedoch lange nicht so häufig verwendet wie das inzwischen allseits bekannte Home-Office.

Üblicherweise ist unter Home-Office zu verstehen, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeit in der eigenen Wohnung ausübt, seinen Bürojob also vom heimischen Schreibtisch aus erledigt – sein Arbeitsplatz ist also zuhause, nicht im Büro. Die Definition des Dudens (Großes Wörterbuch der deutschen Sprache, Mannheim 2012) dazu: »[mit moderner Kommunikationstechnik ausgestattetes] Büro im eigenen Wohnhaus«. Gerade in der jetzigen Zeit des grassierenden Virus, wo doch ein guter Teil der Arbeitnehmer von zuhause aus arbeitet, müsste diese Definition wohl ein wenig eingeschränkt werden: Erstens hat nicht jeder ein Wohnhaus, zweitens hat nicht jeder ein heimisches Büro zur Verfügung und muss mit dem Esstisch vorliebnehmen, drittens ist dieses Büro aktuell wohl oft provisorisch mit eigenen Mitteln der »Kommunikationstechnik « ausgestattet: Der private PC, das private (Mobil-)Telefon muss also vielfach für Berufliches zweckentfremdet werden.

Die Sache an sich ist dabei nicht neu – schon seit Jahrzehnten gibt es die Büroarbeit von zuhause aus –, doch erst seit der Jahrtausendwende verbreitet sich die englische Bezeichnung Home-Office auch bei uns in größerem Umfang. Eine Rolle könnte dabei die Tatsache spielen, dass viele Wörter der zunehmenden Digitalisierung und damit der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitsorganisation englischen Ursprungs sind und gerade der Bereich der (mobilen) Technik von englischen Bezeichnungen durchdrungen ist. Exemplarisch ein paar Beispiele der jüngeren Zeit:

Computer, Laptop, Internet, Tablet, E-Mail, Scan(ner), WiFi, Bluetooth, USB-Stick, Blog/Weblog, Smartphone/-board/-watch, Messenger, E-Book/-Paper, GPS, skypen, aber auch Lehnübersetzungen wie soziale Medien (von engl. social media; vgl. dazu auch eine aktuelle Frage & Antwort) uvm.

Mit der Nutzung eines Home-Office erschließen sich für den Home-Office-Neuling ganz neue Wortfelder. Ein Call, bislang landläufig englisch für ›(Auf-/An-)Ruf‹, fachsprachlich für ›Kaufoption‹, ist hier eine ›Telefonkonferenz‹, auch bekannt unter dem Kurzwort Telko; mit Videofunktion wird eine Telko dann zur Viko. Auch die (Video-)Schalte, bisher vor allem im Funk- und Fernsehjargon üblich für eine Schaltung, also eine Telefon- oder Videoverbindung zu einem bestimmten Ort oder einer bestimmten Person, ist nun auch in anderen Kontexten häufiger geworden. Aber die meisten Home-Officer gewöhnen sich schnell an den neuen Jargon.

Doch wie gesagt: Neu ist die Arbeit von zuhause aus nicht. Wie die Belege im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache (dwds.de) zeigen, scheint die Telearbeit der Vorläufer der Arbeit im Home-Office gewesen zu sein: Für dieses Wort finden sich besonders in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre viele Belege,  die im gleichen Maße abnahmen wie die Belege für Home-Office zunahmen.  Der Bestandteil Tele- geht zurück auf griechisch tẽle mit der Bedeutung ›fern, weit‹ und bezieht sich darauf, dass der Arbeitnehmer aus der Ferne zur Verfügung steht, also über Telefon oder Datenübertragungen mit dem Arbeitgeber verbunden ist, aber nicht physisch im Büro anwesend sein muss.

Und vor der Telearbeit? Da gab es die Heimarbeit, für die sich die meisten Belege zu Beginn der 1980er-Jahre finden, doch schon zu Beginn der 90er nimmt ihre Frequenz stark ab. Auch für das Heimbüro gibt es einige Belege, am häufigsten Ende der 1990er-Jahre und Mitte der 2010er-Jahre. Nicht zu verwechseln ist die Heimarbeit übrigens mit der Hausarbeit: Darunter werden üblicherweise mit dem Haushalt in Verbindung stehende Aufgaben wie der Hausputz, die Wäsche oder das Kochen verstanden.

Doch wer behauptet, Home-Office sei nur etwas für Bürotiger, der sei eines Besseren belehrt: Gerade erst hat der Sportler und Ironman-Sieger Jan Frodeno bewiesen, dass auch ein Triathlon im »Home-Office« kein Problem ist. So schwamm er 3,8 km im heimischen Pool mit Gegenstromanlage, setzte sich anschließend für 180 km auf seinen Heimtrainer und lief dann noch einen Marathon auf dem Laufband. Nebenbei plauderte er mit Kollegen wie Mario Götze und Boris Becker und sammelte dabei über 200.000 Euro für den guten Zweck. Das soll ihm erstmal jemand nachmachen!

Frauke Rüdebusch