Muttersprache 2/2004

Griesbach, Thorsten
Unwort als Brücke zum Sprachvolk. Zum sprachwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn laienlinguistischer Wortkritik

Der Aufsatz bietet einen Beitrag zu der aktuellen Diskussion um die Frage, wie sich die Sprachwissenschaft gegenüber der Gesellschaft öffnen kann, und verweist dazu auf ein in der Linguistik bislang nahezu unbeachtetes Untersuchungsobjekt: die laienlinguistische Wortkritik. Als ein erster Schritt zur Erforschung derselben werden hier bundesweite Umfragen mit dem Wort Unwort vorgestellt, wie sie vom Braunschweiger Seminar für deutsche Sprache und Literatur bereits zweimal initiiert worden sind. Zur Veranschaulichung dieser Methode wird dargestellt, warum Unwort als Instrument für solche Erhebungen besonders gut geeignet und ein Indikator für individuelles wortkritisches Denken ist. Im Weiteren werden die Braunschweiger »Unwort«-Aktionen mit ihrem empirischen Ansatz von der Aktion »Unwort des Jahres« abgegrenzt, die aufgrund ihres Konzepts der Jury-Entscheidung keinen Aufschluss über laienlinguistische Wortkritik geben kann. Anhand der sieben meistgenannten »Unwörter« bei der Braunschweiger Aktion im Jahr 2002 wird schließlich exemplarisch vorgeführt, wie vielfältig die Einblicke in das wortkritische Denken der Menschen sind, die eine solche Erhebung gewährt, und welcher Nutzen sich daraus sowohl für die Wissenschaft als auch für die Gesellschaft ergibt – womit sich in praxi zeigt, auf welche Weise dieses Modell den Status der Linguistik in der Öffentlichkeit verbessern kann.

The essay supplies a contribution to current discussion about how philology can open itself to society. For that purpose it refers to an object of analysis that so far has almost not been investigated by philology: the criticism of words by linguistic lays. As a first step of investigation the essay introduces nationwide inquiries with the word Unwort which have already been realized twice by the Brunswick »Seminar für deutsche Sprache und Literatur«. To illustrate that method the contribution shows why Unwort is especially qualified as an instrument for such elevations and why it is an indicator for individual critical thinking about words. Further on, the essay distinguishes the empirically based Brunswick »Unwörter«-campaign from the campaign »Unwort des Jahres« which doesn’t allow investigations of the above mentioned type because it is grounded on jury decisions. Finally the contribution shows – on the basis of seven words which were most criticized in the campaign of 2002 – the wide range of insights into people’s critique of language, that the Brunswick approach can offer. As these insights are useful for both scientific research and public interest, in the long run the Brunswick approach can improve the status of linguistics in society.

Sağlam, Musar Yaşar
Lehnwörter im Türkischen. Eine lexikologische Wortschatzuntersuchung

Dieser Aufsatz befasst sich mit dem Einfluss von Fremdwörtern auf die türkische Sprache ab 1923, dem Jahr der Gründung der Türkischen Republik, bis zur Gegenwart. Die Untersuchung stützt sich auf ein Lehnwortkorpus, das aus dem Wörterbuch Türkçe Sözlük (›Türkisches Wörterbuch‹) vom Institut für türkische Sprache zusammengestellt wurde. Berücksichtigt wurden dabei die erste Auflage von 1945 sowie die neunte (und aktuellste) Auflage von 1998. Mithilfe der lexikographischen Wortschatzanalyse soll der Frage nachgegangen werden, aus welchen Einzelsprachen, zu welcher Zeit, in welchem Umfang Fremdwörter in die türkische Sprache Eingang fanden, und welche Sachgebiete davon in erster Linie betroffen waren.

This essay analyses the influence of foreign words on Turkish language from 1923, the year when the Republic of Turkey was established, to the present. For this purpose, a loan word corpus was compiled by consulting the first (1945) and the latest and 9th (1998) edition of Türkçe Sözlük (›Turkish Dictionary‹), which was published by the Turkish Language Institute. This lexicographical analysis of Turkish vocabulary aims to determine the range and extent of borrowings, the source languages, the periods and the fields of borrowings, and the cultural influences that underlie the borrowings.

Adler, Manuela
Form und Häufigkeit der Anglizismen in deutschen und schwedischen Massenmedien

Dieser Aufsatz fasst die Ergebnisse der Untersuchung der Verwendung von Anglizismen in deutschen und schwedischen Massenmedien zusammen. Das deutsche und das schwedische Korpus bestehen jeweils aus Textmaterial, das aus Zeitungen, dem Rundfunk, dem Fernsehen und dem Internet im Jahr 2001 zusammengestellt wurde. Die Anglizismen des deutschen Korpus werden hinsichtlich ihres Entlehnungstyps, ihrer sprachlichen Form und der Häufigkeit ihres Auftretens analysiert und mit den englischen Entlehnungen in den schwedischen Medien verglichen.

This article summarizes the results of an investigation into the usage of anglicisms in the German and Swedish mass media. Both the German and the Swedish corpus consist of text material compiled from newspapers, the radio, TV and the Internet in 2001. The anglicisms in the German corpus are analysed with regard to their type of borrowing, their linguistic form, and their frequency and are contrasted with the English borrowings in the Swedish media.

Braun, Peter
Selbstbeschreibungen: motivierte Komposita im Deutschen und anderswo

Verglichen mit vielen anderen europäischen Sprachen kann man die deutsche Gegenwartssprache als eine Wortbildungssprache kennzeichnen, die eine beachtliche Menge von »self-explaining compounds« (A. C. Baugh) aufzuweisen hat. Das Prinzip der Motivation scheint wirksamer zu sein als das der Beliebigkeit, der Arbitrarität (vgl. F. de Saussure). Selbstbeschreibende Komposita können in vielen Sprachbereichen wichtig und nützlich sein, z. B. in der Literatursprache (Geldmagnet), in der Pressesprache (Bilderbürger), in Privatsprachen (Montagskuchen) oder in der Kindersprache (Steinmann für ›Denkmal‹).

Compared with other European languages modern German can be characterized as a compoundforming language, and hence it offers a considerable amount of »self-explaining compounds« (A. C. Baugh). German seems to prefer the principle of motivation to the principle of arbitrariness (cf. F. de Saussure). Self-explaining compounds can be important in many fields of language usage; for instance in literature (Geldmagnet), in press language (Bilderbürger), in private languages (Montagskuchen) or in children’s language (Steinmann for ›Denkmal‹).

Rödel, Michael
Grammatikalisierung und die Folgen: Der Infinitiv in der deutschen Verlaufsform

Die Verlaufsform (Ich bin am lesen) gilt als eines der interessantesten Grammatikalisierungs-Phänomene der deutschen Gegenwartssprache. Dieser Beitrag behandelt ein zentrales Problem der Forschung, indem er sich auf die einzelnen Elemente dieser Konstruktion konzentriert, insbesondere auf den Status des Infinitivs. Anhand seiner Verwendungsweisen lässt sich feststellen, dass die Grammatikalisierung der Verlaufsform so weit fortgeschritten ist, dass verbale Verwendungsweisen des Infinitivs möglich sind, nominale aber zumindest noch rekonstruiert werden können. Daneben wird die Frage nach dem Alter gestellt: Es scheint nämlich, als sei dieses aspektuelle Phänomen älter als angenommen und zumindest bis zurück ins 15. Jahrhundert zu datieren.

The progressive Ich bin am lesen is considered to be one of the most interesting phenomenona of grammaticalization in contemporary German. This paper is treating a main problem of research by concentrating on the construction’s elements, especially the infinitive. Analysing its usage it can be stated that grammaticalization of German Verlaufsform went ahead so far that its infinitive can be used verbally, but nominal usage still can be reconstructed. Beyond that the question of age is asked: It seems that this phenomenon is older than expected and dates back at least to the 15th century.

Pflug, Günther
Die Sprache in der Genesis

In der Genesis (1. Buch Mose) – sowie in der sie interpretierenden jüdischen wie christlichen Literatur – tritt die Sprache in acht Formen auf. Unterschieden werden können:

  1. die schöpferische Gottessprache und in ihrer Ausprägung
  2. als Schrift, verbunden mit einer Buchstaben- und Zahlensymbolik (Gematrie),
  3. die göttliche Anweisung,
  4. die Benennung durch Gott und den Menschen,
  5. das Gespräch in Verbindung mit
  6. der Tiersprache,
  7. die apotropäische Schutzformulierung und
  8. die Sprachverwirrung.

Diese acht Sprachformen sollen im Folgenden in ihrem Bibelbezug und in der jüdischen wie christlichen Bibelinterpretation dargestellt werden.

In the Genesis (1st Book of Mose) and in its jewish and christian interpretations language exists in various realizations. The following eight forms can be distinguished:

  1. the creative language of god and,
  2. in its written form, combined with a symbolism of letters and numbers (gematria),
  3. the divine instruction,
  4. the denominations by god and the human beings,
  5. the dialogue in connection with
  6. the language of animals,
  7. the formation of an apotropaic protection and
  8. the confusion of languages.

These eight forms – in their relation to the bible-text and in the tradition of jewish and Christian bible exegesis – are the subject of the following contribution.

Janich, Nina/Weber, Eckhard
»So wollen wir von dir schriben, sagen und clagen dun«. Möglichkeiten und Grenzen der historischen Pragmatik am Beispiel der spätmittelalterlichen Fehde

Kommunikation ist ein zentraler Bestandteil von Konflikten, die sich weitgehend als komplexe Sprachhandlungsmuster begreifen lassen. Am Beispiel der spätmittelalterlichen Fehde wird gezeigt, dass die historische Pragmatik geeignet ist, verschiedene Disziplinen wie historische Semantik, Syntax und Textlinguistik unter einem handlungsorientierten Blickwinkel zu bündeln. Ein solcher methodischer Ansatz verspricht Lösungsvorschläge für bislang strittige Fragen der historischen und rechtswissenschaftlichen Forschung über den gesellschaftlichen Status und den prototypischen Ablauf einer Fehde.

Communication is a central part of medieval conflicts. To be at feud with someone means to act with complex communicative devices but in a prototypic pattern. The pragmaphilology will be proved as a multidisciplinary perspective to gain new insights into medieval conflicts by connecting traditional disciplines like historical semantics, syntax, and textual linguistics. Thus it will contribute solutions for persistent problems of historical science and law.

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