Muttersprache 2/2010

Hagemann, Jörg
Klasse oder »Sorte, wie Marco so schön sagt« – Ausdrucksvariation als Ressource für einen sprachsensiblen Fachunterricht Fallanalyse und Modellbildung

Im wissenschaftlichen Diskurs dient die Vermeidung von Ausdrucksvariation im terminologischen Bereich der maximalen Präzision. Im Unterrichtsdiskurs jedoch ist es gerade die Ausdrucksvariation, die sowohl Fachtermini als auch alltagssprachliche Ausdrücke einschließt, die den Aufbau von Fachwissen gewährleistet. Im vorliegenden Beitrag wird anhand eines authentischen Beispiels gezeigt, wie die Reflexion sowohl alltagsorientierter als auch wissenschaftlicher Bezeichnungen für fachliche Konzepte als Ressource für die Einführung von Fachbegriffen genutzt werden kann. Die am Beispiel zu beobachtende reflektierte Ausdrucksvariation wird anschließend als eine Realisierungsform der Komponente »fachliche Mündlichkeit« in ein Integrationsmodell der schulischen Entwicklung der Sprachkompetenz eingeordnet: Fachliche Mündlichkeit fungiert als Katalysator im Übergangsbereich von medialer zu konzeptioneller Schriftlichkeit.

In the scientific discourse the avoidance of a variation of expression regarding technical terminology serves to ensure maximum precision. In the discourse of education, however, it is exactly this variation of expression – comprising technical terms as well as colloquial expressions – which allows for the establishment of specialized vocabulary. This article is supported by an authentic example and aims at illustrating how the reflexion of designations based on everyday life or on scientific background can be used as a resource for the introduction of technical terms. Subsequently the reflected variation of expression to be observed in the example will be embedded into a model of integration for academic development of linguistic competence, being one mode of a realisation of »technical orality«: Technical orality acts as a catalyst in the transition zone between medial and conceptual writtenness.

Kostrzewa, Frank
Sprachbewusstheit – Language Awareness

Im vorliegenden Artikel werden die Möglichkeiten der Förderung von Sprachbewusstheit bei Lernern unterschiedlicher Niveaustufen thematisiert. Es wird dafür plädiert, eine selbständige und forschende Haltung der Lernenden gegenüber der Sprache zu entwickeln. Anhand eines Beispiels aus dem Englischunterricht im Grundschulbereich wird aufgezeigt, wie sich Lernende entdeckend dem Gegenstand Sprache annähern und ihre Erkenntnisse in einem Sprachenportfolio dokumentieren können. In Bezug auf fortgeschrittene Lerner wird für eine Förderung des Sprachbewusstseins durch Fachsprachenanalysen plädiert. Auch Sprachimporte und -exporte bieten einen Ansatz zur Reflexion über Sprache.

The following article focusses on different ways of supporting the development of language awareness on the part of language learners. This intended development requires not only the improvement of fact-driven language knowledge but rather the support of a research attitude of teachers and learners. On the basis of an example of English teaching on primary level it is illustrated how learners could approach language and document their insights in a language portfolio. For advanced learners the analysis of languages for special purposes could foster the development of language awareness. Also language imports and exports can be considered as a suitable starting point for language reflexions.

Vurak-Kara, Sergül
Sprachliche Höflichkeitsformen in deutschen Geschäftsbriefen und ihre Entsprechungen im Türkischen

In diesem Artikel werden sprachliche Höflichkeitsformen des Deutschen und ihre Wiedergabemöglichkeiten im Türkischen dargelegt. Die Analyse wird auf der Grundlage von in deutschen Geschäftsbriefen vorkommenden Höflichkeitsformen und ihren türkischen Übersetzungen vorgenommen. Die Untersuchung weist nach, dass bei der Wiedergabe der betreffenden ausgangssprachlichen Elemente die zielsprachliche Sprachverwendung im Rahmen der textnormativen Äquivalenz ausschlaggebend ist.

The article reflects the verbal courtesy forms of the German language and the possibility of their reflection in the Turkish language. Forms of courtesy used in German business letters and their Turkish translations constitute the framework of this analysis. This essay revealed that while translating these source language elements, the target language usage in case of the textnormative equivalence is of primary importance.

Li, Yuan
Von der »Kunst des Drachentötens« über das »Primat des Nützlichen« zum »Interesse an Deutschland« – Tendenz des Motivwandels des studienbegleitenden Deutschlernens in China

Während die Bedeutung der deutschen Sprache weltweit eine rückläufige Tendenz aufweist, erlebt das Deutschlernen derzeit in China einen Boom. Im Gegensatz zu 1988, wo die Studierenden sich mit einer Sprache beschäftigten, »ohne doch zu wissen, ob sie sie in der Praxis werden anwenden können« (»Die Kunst des Drachentötens«, Hess 1992), war es den Deutschstudierenden im Jahr 2003 von Anfang an klar, dass sie einen Studienaufenthalt in Deutschland planen oder ihre Berufschancen verbessern wollten (»Primat des Nützlichen«, Xu 2002). Diese pragmatischen Gründe sind heutzutage im Kontext der wachsenden Dominanz des Englischen als weltweiter Lingua franca immer mehr in den Hintergrund gerückt. Aber Deutsch steht trotzdem weiterhin hoch im Kurs. Aus einer aktuellen Studie, die 2010 durchgeführt wurde, geht hervor, dass das Interesse an Deutschland zum ersten Mal als wichtigstes Argument für das Deutschlernen genannt wird. Der Motivwandel lässt sich zum einen auf die veränderten soziokulturellen Rahmenbedingungen des Deutschlernens zurückführen. Zum anderen spiegelt er die sozio-psychischen Veränderungen der jüngeren Ein-Kind-Generation in China wider. Aufgrund der gründlichen Analyse der veränderten Lernmotive der Zielgruppe wurde an der Zhejiang Universität ein neuer didaktischer Ansatz der Förderung des Deutschlernens konzipiert.

As the significance of the German language experiences a regressive tendency worldwide, in China learning German has boomed lately. While in 1988 students learned the language »without knowing whether they would be able to use it in practice« (»the art of killing the dragon«, Hess 1992), in 2003 it was clear for students of German from the beginning that they were learning the language for future study in Germany or better chances on the job market (»primacy of usefulness«, Xu 2002). In the current context of growing importance of English as an international lingua franca, these pragmatic reasons have declined. But in China, German is still a popular foreign language to learn. A recent study conducted in 2010 shows that the most important motives for learning the German language has become the interest in Germany as a country. This motivational change can be attributed to the modified socio-cultural situation of learning German on the one hand, and to the socio-psychic changes in the younger one-child-generation in China on the other hand. Based on a thorough analysis of the changed learning motives of the target group, a new didactic approach for supporting the learning of German has been developed at Zhejiang University.

Roelcke, Thorsten
Woran erkennen Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe Fachwörter?

Angesichts steigender fachkommunikativer Anforderungen in Alltag und Beruf stellt die Vermittlung einer allgemeinen Fachsprachenkompetenz ein wichtiges Bildungsziel der Schule im Allgemeinen und des Gymnasiums im Besonderen dar. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Umgang mit Fachwörtern als lexikalischen Ausdrücken, die in bestimmten menschlichen Tätigkeitsbereichen verwendet werden und dabei bestimmte (fachspezifische) Bedeutungen tragen (Roelcke 32010: 55–57). Vor diesem Hintergrund ist zunächst einmal zu klären, anhand welcher Kriterien Schülerinnen und Schüler solche Fachwörter erkennen. Eine solche Klärung lässt im Weiteren Rückschlüsse über deren Fachwortverständnis (im Sinne von Sprachbewusstsein) zu und eröffnet Ansatzpunkte einer Deutschdidaktik, die dieses Wissen aufgreift und ggf. weiterentwickelt.

In view of the increasing demands for technical language competence in everyday life and business, the instruction of a general technical language competence has become an important goal in formal education, especially in secondary school. This applies in particular to technical terms, that can be applied in everyday language but still have certain technical meanings (Roelcke 32010: 55–57). Against this background, this article will explain how students recognize technical vocabulary. The explanation allows to draw conclusions about the students‘ understanding of technical terms (in the sense of language awareness) and offers suggestions for a didactic of German which can take up the students‘ knowlegde as a means for further development.

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