Muttersprache 3/2012

Schoonjans, Steven
Aus Verba sentiendi hervorgegangene Partikeln im Deutschen: Formen, die zwischen den Stühlen sitzen?

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit Formen wie glaub(e) , die durch Partikulisierung aus einem Verbum sentiendi entstanden sind. Imo (2006 a), der sich als Erster ausführlicher mit diesen Formen auseinandergesetzt hat, hat schon angedeutet, die Frage nach ihrem Status sei schwer zu beantworten. In diesem Aufsatz soll eine systematische Behandlung dieses Problems vorgestellt werden. Für die drei von Imo vorgeschlagenen Kategorien (Modalpartikel, Modaladverb, Matrixsatz) soll Imos Argumentation weitergeführt werden, und es soll gezeigt werden, dass die deverbalen Partikeln zwar als unprototypische Mitglieder einer jeden dieser Kategorien betrachtet werden können, allerdings den Modalpartikeln näher stehen als den Modaladverbien und den Matrixsätzen.

The present contribution deals with forms like glaub(e) , that have originated form a verbum sentiendi by particulization. Imo (2006 a), the first to discuss these forms more extensively, already indicated that the question as to their status is hard to answer. In this contribution, a systematic treatment of this problem will be presented. For each of the three categories Imo proposes (modal particle, modal adverb, and matrix clause), Imos argument will be extended, and it will be shown that the deverbal particles can indeed be regarded as non-prototypical members of each of these categories, even though they are closer to the modal particles than to the modal adverbs and the matrix clauses.

Lochtman, Katja
Sprachnormen in der Auslandsgermanistik

Wenn Studierende an einer belgischen Universität Germanistik als Hauptfach wählen, ist das Normbewusstsein aus der Perspektive des Deutschen als Fremdsprache (DaF) zu betrachten. Während die Sprachwissenschaft davon ausgeht, dass die Norm ein relativer Begriff ist, werden Fehler im DaF-Unterricht als Abweichungen von der Zielsprache betrachtet. Das Normbewusstsein ist aber zu differenzieren. So ist zwischen einer linguistischen Norm einerseits und einer soziolinguistischen Norm andererseits zu unterscheiden. Während die linguistische Norm auf das Sprachsystem, wie sie in Wörterbüchern und Grammatiken aufgezeichnet worden ist, zurückgeht, hängt die soziolinguistische Norm mit Verstößen gegen das Sprachverhalten zusammen. Fehler werden dann gesehen als das, was man in einer bestimmten Situation nicht sagen bzw. schreiben würde oder sollte. Es erhebt sich die Frage, wie in der Auslandsgermanistik mit einem soziolinguistischen Normbewusstsein umzugehen ist.

To Belgian students who study German language and literature at university, German is a foreign language (GFL). Hence, language errors are often defined in relation to learning the standard language as the norm. From an academic point of view, a distinction can be made between a linguistic and a sociolinguistic norm. While the linguistic norm refers to the language system in terms of grammar rules and the standard lexicon, sociolinguistics is concerned with language behaviour and language varieties in formal and informal settings. From the latter perspective language errors are defined in terms of inappropriate language behaviour. The question is how a sociolinguistic norm is dealt with by university students in a GFL-context.

Unterberger, Gerald
Restaurierung – Restauration. Eine moderne Begriffsdifferenzierung und die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes im mythischkultischen Kontext

Im modernen deutschen Sprachgebrauch wird zwischen den Wörtern Restaurierung (›Sicherung bzw. teilweise Wiederherstellung eines materiellen Kulturgutes‹) und Restauration (›Wiederherstellung einer politischen oder gesellschaftlichen Ordnung‹) unterschieden. Das Wort (re-staurare/re-stauratio) gelangte mit der Grundbedeutung der ›(Wieder-) Ausführung/Her- oder Aufstellung sowohl kultischer Festlichkeiten als auch baulicher Monumente‹ aus dem Lateinischen in die europäischen Sprachen, wo es der französische Kunsthistoriker Eugène Viollet-le-Duc in der ersten Hälfte des 19. Jhdts. unter dem Begriff der Restauration in die Kunst-und Bausprache einführte. Das *staur-Etymon findet sich auch im Griechischen und im Altnordischen, wo es ursprünglich wahrscheinlich ein bauliches Monument sowie den Akt seiner Aufstellung bzw. Erneuerung oder Wiedererrichtung bezeichnet hat, der von periodisch kultischen Feierlichkeiten begleitet war.

The modern German language distinguishes between the words Restaurierung (›conservation and partly restoration of cultural assets‹) and Restauration (›restoration of a political or social state‹). The word (re-staurare/re-stauratio) came with its primary meaning ›restoration or renewal of architectural monuments and reenactment of ritual festivities‹ from Latin into the European languages. In the first half of the 19th century the French art historian Eugène Viollet-le-Duc discovered it and introduced the old word »Restauration« in the then sense for reconstruction and rebuilding of old Romanesque and partly destroyed structures. The *staur-etymon also appears in Greek and in Old Norse, where the original meanings of the words are probably similar: They describe a specific architectural monument and the action of its (re-)building, erection and the accompanied periodical ritual festivities.

Burkhardt, Armin
Nomen est omen? Der Eigenname und seine Bedeutung(en) – aus philosophischer und linguistischer Sicht

Schon seit dem Beginn des Nachdenkens über Sprache sind die Eigennamen ein wichtiges Thema von Philosophie und Sprachwissenschaft. Erstere interessierte sich dabei mehr für ihre Funktion (im Satz bzw. in der Äußerung), Letztere mehr für ihre Herkunft, ihre Geschichte und die über ihre morphologische Gestalt vermittelten semantischen Informationen. Der vorliegende Aufsatz ist der Versuch, grundlegende Kategorien und Einsichten der (analytischen) Philosophie und der linguistischen Onomastik – ausgehend von einer kritischen Sichtung der wichtigsten bisherigen Ansätze – zu einer integrativen Theorie der Eigennamen zusammenzufassen.

Ever since the beginning of reflection on language proper names have been an important topic of philosophy and linguistics. The former was interested in them more for their function (in proposition or utterance), the latter more for their origin, history and for the semantic information mediated by their morphological structure. Proceeding from a critical review of the main approaches to this topic developed to date, the present chapter is an attempt to combine the basic categories and insights of (analytical) philosophy and linguistic onomastics into an integrative theory of proper names.

Jónsson, Bergur
Anmerkungen zu Betty Wahls Beitrag »Isländisch: Sprachplanung und Sprachpurismus« in: Muttersprache 120 (2010) Heft 3, S. 161–178

Diese »Anmerkungen« stammen aus einem Brief, den Bergur Jónsson (Reykjavik) seinem langjährigen Freund und Fachkollegen Prof. Dr.-Ing. Alfred Warner (Darmstadt) geschickt hat und über den beide mehrmals diskutierten. Bergur Jónsson ist am 28. September 2011 verstorben. Seine Frau, Ingunn Guðmundsdóttir, bat A. Warner, den Brief in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Der Autorin des Artikels lagen diese Anmerkungen vor. Auf eine Stellungnahme hat sie verzichtet. (Die Redaktion)

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