Ausgabe: Der Sprachdienst 4–5/2022

Susan Arndt: Rassistisches Erbe. Wie wir mit der kolonialen Vergangenheit unserer Sprache umgehen

Buchinfo

Susan Arndt
Rassistisches Erbe. Wie wir mit der kolonialen Vergangenheit unserer Sprache umgehen

Gebunden, 256 Seiten, ISBN: 978-3-411-75678-0, Bibliographisches Institut

Bei der aufgeheizten politischen Debatte um sprachliche Grenzen und diskriminierende Wortverwendungen stellt sich die Frage, welche Wörter man benutzen darf. Wo liegen beispielsweise die Unterschiede zwischen Farbiger und Person of Color? Dieses Buch erläutert, wieso das N-Wort aus der Sprache verschwindet, und hinterfragt kritisch, welche vergangenen Denkmuster in Wörtern wie Naturvolk, Eingeborene und Tropenmedizin stecken. Die Kulturwissenschaftlerin Susan Arndt setzt sich entlang konkreter Beispiele mit dem kolonialen Erbe in unserer Sprache auseinander. Darüber hinaus diskutiert sie die Zusammenhänge zwischen Sprache und Macht. Sie zeigt, welche Möglichkeiten wir haben, mit der kolonialen Vergangenheit in unserer Sprache umzugehen und wie neuere Begriffsverwendungen, wie »Indigene Menschen« oder »weiß«, Alternativen bieten.

Der deutsche Kolonialismus ist Geschichte. Doch er hat Spuren hinterlassen: Rassismus, die Legitimationsideologie weißer Vorherrschaft, ist aktuell. Und hat sich in die Sprache eingeschrieben. Wie und mit welchen Konsequenzen? Und welche Alternativen gibt es? Das sind die Themen in Susan Arndts Buch über die »koloniale Vergangenheit unserer Sprache«.

Sie gibt zunächst einen Überblick über die Geschichte des Kolonialismus und seines »ideologischen Schwerts«, den Rassismus. Wobei sie vorausschickt, dass Kolonialismus ein Euphemismus ist, denn er bedeutet nicht ›Siedlung‹ (colonia), sondern ›Eroberung fremder Gebiete‹ – verbunden mit extensiver Gewalt. Der europäische Kolonialismus brachte – ausgehend vom Christentum – den Rassismus als Ideologie hervor.

Die Autorin charakterisiert dann Formen und Orte des Rassismus und erläutert den Zusammenhang von Kolonialismus, Rassismus und Sprache. Die Quintessenz: Sprache ist nur einer von vielen Schauplätzen, auf denen Diskriminierung stattfindet. Gleichwohl ist sie, so Arndt, »integraler Bestandteil antirassistischer Arbeit«.

Im Hauptteil des Buches setzt sich die Autorin mit 32 rassistischen Wörtern auseinander – von A (wie Aborigine) bis Z (wie Zigeuner). Erläutert werden die Herkunft der Begriffe, ihre aktuelle Verwendung und die Diskussion über diese Termini. Immer verbunden mit Alternativen, die einen Bruch mit dem kolonialen Erbe unserer Sprache ermöglichen. Viele dieser 32 Begriffe verwenden selbst Menschen, die Rassismus strikt ablehnen. Der Grund: Wörter wie Lateinamerika, Orient, Schwarzafrika, Sklavenhandel oder Tropenmedizin erscheinen unverdächtig. Arndt entschlüsselt ihre rassistischen Implikationen. Zwei Beispiele: Die Zeitschrift GEO meldete, dass ein weißer Forscher am Fluss Aripuana eine Tierart entdeckt habe, die die Bewohner der Gegend seit vielen Generationen [sic!] als Tiere halten. Im »heute-journal « wurde berichtet, dass es weltweit noch 100 unentdeckte »Indianerstämme« geben solle. Entdeckt ist, was der weiße Mann sieht.

Es folgen Hinweise auf Alternativen zum rassistischen Sprachgebrauch: Selbstbezeichnungen der von Weißen etikettierten Menschen – zum Beispiel Schwarze Deutsche – und, wie Arndt es nennt, Widerstandsbegriffe zum Beispiel Black, Indigenous and People of Color (BIPoC).

Die Autorin schließt mit der Aufforderung, rassistisch zu nennen, was rassistisch ist. Diese Aufforderung geht auch an den Verlag, in dem das Buch erschienen ist: Die Duden-Redaktion hat noch viel zu tun, das koloniale Spracherbe in den Wörterbüchern zu markieren.

Norbert Franck