Ausgabe: Der Sprachdienst 6/2022

Trigger

TW: Trigger. – Wenn Sie diese Texteröffnung irritiert, folgt hier gleich die Auflösung: TW bedeutet ›Triggerwarnung‹ und diese warnt davor, dass im vorliegenden Beitrag das Thema Trigger behandelt wird. Das wäre nun bei diesem Text vielleicht nicht nötig gewesen, da schon aus der Überschrift ersichtlich wird, worum es geht, und so dient sie hier nur zu Anschauungszwecken, denn derlei Warnungen findet man zusehends häufiger. Wer nun etwas verwirrt ist, der lese weiter: Im Folgenden wird erläutert, was es mit beidem auf sich hat, mit Triggern und mit Triggerwarnungen.

Der Begriff Trigger und das, was heute zumeist darunter verstanden wird, stammt ursprünglich aus der Traumatherapie. Inzwischen hat er jedoch seinen Weg in die Alltagssprache gefunden, begünstigt vermutlich dadurch, dass in der heutigen Zeit psychische Krankheiten und Probleme nicht mehr unter den Teppich gekehrt, sondern vielfach öff entlich thematisiert werden. Bei einem Trigger handelt es sich um einen Reiz, durch den traumatische Erlebnisse erneut ausgelöst werden können. Sind beispielsweise schlechte Erfahrungen aus der Kindheit eng mit einem bestimmten Geräusch oder Musikstück verbunden, so kann ein späteres erneutes Hören dafür sorgen, dass die mit dem Erlebnis verknüpften negativen Gefühle wieder hochkommen. Das Geräusch triggert das Kindheitstrauma. Doch auch das bloße Erwähnen eines objektiv vielleicht ganz neutralen Themas kann für einzelne Menschen als Trigger wirken und un angenehme Gefühle und Erinnerungen wecken. Kurz: Ein Trigger kann etwas auslösen oder wieder hervorholen, das verdrängt oder vergraben war.

So weit zur aktuell wohl verbreitetsten Bedeutung von Trigger. Ganz nüchtern betrachtet handelt es sich bei einem Trigger laut Duden aber auch um ein ›Bauelement zum Auslösen eines (Schalt-)Vorgangs‹ oder einen ›Impuls zum Auslösen eines (Schalt-)Vorgangs‹. Das dazugehörige Verb triggern ist als ›auslösen, erzeugen‹ zu verstehen. Sehr aufschlussreich ist auch die Etymologie von Trigger: Es stammt aus dem Englischen und hatte dort ursprünglich die Form tricker. Diese wiederum geht zurück auf niederländisch trekker mit der Bedeutung ›Abzug, Drücker‹ – so wird im Englischen auch der Abzug einer Schusswaffe als trigger bezeichnet. Vielleicht klingelt bei Ihnen an dieser Stelle schon etwas: Das Verb trekken existiert nämlich auch im Niederdeutschen, es bedeutet ›ziehen‹ und liegt auch dem Wort Trecker zugrunde; bei diesem und seinen Synonymen Traktor und Schlepper handelt es sich um eine Zugmaschine. Ein Trigger, um den Kreis zu schließen, zieht also an etwas, er zieht etwas an die Oberfläche – in der vorherrschenden Bedeutung bestimmte Gefühle und Erinnerungen an frühere Erlebnisse.

Tatsächlich gewinnt man den Eindruck, dass das Wort in den letzten Jahren eine zunehmende Frequenz erreicht. Dies bestätigt ein Blick in das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (dwds.de): Das Substantiv Trigger wurde seit den 1980er-Jahren zunächst mit mäßiger Häufigkeit bei uns verwendet, zu Beginn des Jahrtausends nahm sie jedoch so schlagartig zu, dass man sich fragen muss, ob es einen Auslöser – einen Trigger! – dafür gab. Beim Verb triggern sieht es etwas anders aus: Hier nimmt die Häufigkeit erst seit etwa fünf Jahren exponentiell stark zu. Vermutlich hat sich also zunächst das Wort Trigger aus der Fachsprache gelöst und Einzug in die Alltagssprache gehalten, bevor sich das Verb triggern hinzugesellt hat. Inzwischen werden beide so häufig und beinahe inflationär verwendet, dass sich die ehemals eher enge Bedeutung auffächert und Verb sowie Substantiv in vielen Bereichen einsatzfähig werden. Das zeigt sich an verschiedenen Beispielen (alle von dwds. de), etwa: »Schönheit, Akzeptanz und Gesundheit sind also die drei Trigger, die uns immer wieder ansprechen?«, »Zudem muss man erstmal darauf kommen, dass man an manchen Stellen bestimmte Aktionen mehrmals wiederholen muss, um Fortschritt in der Story zu triggern«, »Haben Sie den ganzen Artikel gelesen, Andreas, oder einfach mal triggern wollen?« Hier wird deutlich, dass gerade das Verb triggern nicht mehr in Anlehnung an das zugrunde liegende Substantiv unbedingt im Sinne von ›bestimmte Gefühle hervorrufen‹ verwendet wird, sondern sehr breit einfach als ›auslösen, anstoßen‹ verstanden werden kann.

In der heutigen Zeit sind sich viele Autorinnen und Autoren zweier Tatsachen bewusst: Einerseits gibt es brisante Themen, die gesellschaftlich behandelt werden müssen: Sie sind unangenehm, aber es ist notwendig, darüber zu sprechen und zu schreiben, öffentlich ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Nur so können wir als Gesellschaft lernen, mit ihnen umzugehen. Solche Themen können z. B. traumatische Erlebnisse wie Misshandlungen sein, aber auch Dinge, über die oft geschwiegen wird, wie Tod und Trauer, Verlust, Trennungen usw. Andererseits gibt es Menschen, die aufgrund der Erfahrungen, die sie in ihrem Leben gemacht haben, auf bestimmte Umstände und Problematiken sehr sensibel reagieren, die davon getriggert werden. Um diesen Menschen eine Konfrontation mit einem Thema ersparen zu können – sollten sie dies wollen –, wird solchen Texten, Filmen, Hörspielen inzwischen recht häufig eine sogenannte Triggerwarnung (TW) vorangestellt, in der darauf hingewiesen wird, dass das im Text behandelte Thema für einige Menschen zum Trigger, also zum Auslöser unangenehmer Gefühle werden könnte. Dies sieht dann etwa so aus: »Triggerwarnung Tod« oder »TW: unerfüllter Kinderwunsch«. So können die Leser/-innen selbst entscheiden, ob sie den Text lesen und sich damit gegebenenfalls auf einen psychischen oder emotionalen Schmerz einlassen wollen. Inzwischen kommt es sogar vor, dass Triggerwarnungen aktiv von der Leser-, Zuhörer- oder Zuschauerschaft eingefordert werden. Doch manch einem ist sie auch ein Dorn im Auge, denn nicht selten ist eine solche Triggerwarnung auch gleichzeitig ein »Spoiler«, indem sie der Handlung von Text, Film oder Hörspiel bereits vorgreift und so die Spannung verderben kann.

Scheint der Trigger inzwischen recht negativ besetzt zu sein und wird er häufig mit schmerzhaften Gefühlen und Erinnerungen assoziiert, so funktioniert er natürlich auch in die andere Richtung. Auch etwas, mit dem wir positive Gefühle verbinden, kann getriggert werden: Der Duft eines bestimmten Parfüms ruft die Erinnerung an unsere geliebte Großmutter wach, ein Lied katapultiert uns zurück zum Moment unseres ersten Kusses, ein Bild bringt uns zurück an den Ort, an dem wir glückliche Stunden unserer Kindheit verbracht haben. So sei zum Schluss Marcel Proust zitiert, der vielleicht als Erster einen Triggermoment beschrieb, als er durch den Geschmack einer Madeleine an seine Tante Léonie erinnert wurde:

Aber wenn von einer früheren Vergangenheit nichts existiert nach dem Ableben der Personen, dem Untergang der Dinge, so werden allein, zerbrechlicher aber lebendiger, immateriell und doch haltbar, beständig und treu Geruch und Geschmack noch lange wie irrende Seelen ihr Leben weiterführen, sich erinnern, warten, hoffen, auf den Trümmern alles übrigen und in einem beinahe unwirklich winzigen Tröpfchen das unermeßliche Gebäude der Erinnerung unfehlbar in sich tragen.1

[1] Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, 10 Bde., hier: Bd. 1, Frankfurt am Main 1979, S. 67.

Frauke Rüdebusch