Umschreibend umgeschrieben und umfahrend umgefahren

Sammlung der Einsendungen zu Homografen, Homofonen und Homonymen

Im Sprachdienst 6/18 riefen wir als Preisaufgabe dazu auf, Homografe zu nennen. Die überaus zahlreichen Zusendungen verrieten uns, dass es sich dabei um ein Thema handelt, das viele unserer Leserinnen und Leser interessiert. Ein guter Grund also, die gesammelten Beispiele zu den Homografen vorzustellen und, nach einer kurzen Definition, auch die Homofone und Homonyme einzubeziehen.

Bei den Ausdrücken Homograf, Homofon und Homonym handelt es sich um Zusammensetzungen, in denen das Bestimmungswort Homo- (von griechisch homós) ›gleich, gleichartig‹ bedeutet. Anhand der drei Endungen graf, fon und (o)nym erhalten Fachkundige bereits Hinweise darauf, was sich hinter diesen drei Wörtern verbirgt:

  • Homografen, das Zweitglied -graf bedeutet ›die Schrift, das Geschriebene betreffend‹, sind Wortgruppen oder -paare, die gleich geschrieben werden, sich aber in ihrer Aussprache unterscheiden. In der geschriebenen Sprache kann das, wenn sich der Kontext nicht erschließen lässt, zu einiger Verwirrung führen: »Kannst du die Fußgänger nicht einfach umfahren?« (um sie herumfahren vs. überfahren).
  • Bei den Homofonen zeigt das Zweitglied -fon ›einen Laut, Ton betreffend‹ an, dass die Aussprache der Wortgruppen oder -paare identisch ist. Allerdings liegt hier eine unterschiedliche Schreibweise vor. Homofone sind Auslöser vieler Rechtschreibfehler und Verwechslungen (Lehre – Leere) , können aber auch ausgezeichnet für Wortspiele herangezogen werden.
  • Homonyme können als die Schnittmenge der Homografe und Homofone angesehen werden. Die Endung -(o)nym ist vom griechischen ónoma/ónyme ›Name‹ abgeleitet, wodurch Homonym ›gleichnamig‹ bedeutet: Sie werden sowohl gleich geschrieben als auch gleich ausgesprochen. Einen Anhaltspunkt zur Bedeutungsbestimmung kann gelegentlich das unterschiedliche Genus (der Gehalt – das Gehalt) geben, doch ist dies nicht immer der Fall. Homonyme unterscheiden sich ausschließlich in ihrer Bedeutung voneinander.

Gern möchten wir nun gesammelte Beiträge zu unserer Frage nach Homografen vorstellen: Freya Edebohls schlug das Wort Hochzeit vor, das einerseits das Fest zur Eheschließung, andererseits den Höchststand einer Entwicklung, eines Zeitabschnitts, die Blütezeit benennen kann. Gerd Schwinn nannte mit August einen männlichen Vornamen, aber auch den achten Monat eines Jahres. Einen ähnlichen Fall haben wir auch bei Roman – ebenfalls ein männlicher Vorname und zudem eine literarische Gattung. Tobias Märksch unterschied die beiden Bedeutungen von übersetzen: in einer anderen Sprache wiedergeben und von einem Ufer ans andere befördern. Ebenfalls im Bereich der Verben schlug Dr. Albert Ernst unterstellen (zur Aufbewahrung abstellen, »das Fahrrad in der Garage unterstellen«, oder unter etwas stellen, »einen Eimer unterstellen«, aber auch unterschieben und annehmen, »ich unterstelle ihm üble Absichten«) und durchfahren (eine Strecke fahrend zurücklegen und sich etwas bewusst werden samt heftiger Empfindung, »Ein Schreck durchfuhr sie«) vor. Interessante Beispiele trug auch Wiard Raveling bei: Beinhaltung (Be-inhaltung, Bein-haltung), Staubecken (Stau-becken, Staub-ecken) und Spielende (Personen, die spielen, und Ende eines Spiels). An Spielende knüpft auch der Vorschlag Streikende (Personen, die an einem Streik beteiligt sind, und Ende eines Streiks) von Jürgen Beyer sehr gut an, der zudem auch die Montage (erster Wochentag und Zusammenbau einzelner Teile) ins Spiel bringt. Max Wey liefert u. a. modern (Moder ansetzen und dem Neuesten entsprechend), Musikerleben (das Erleben von Musik und das Leben eines Musikers) sowie umschreiben (Geschriebenes umarbeiten, verändern und etwas mit anderen Worten ausdrücken). Ein ganz besonderes Exemplar aus der Gattung der Homografe trägt Professor Hermann Möcker, Zweigvorsitzender und langjähriges Mitglied der GfdS, bei: die Wachstube! Entweder eine Wachs-tube oder eine Wach-stube (Aufenthaltsraum für die nicht Posten stehenden Mitglieder einer Wachmannschaft). Dazu gibt Professor Möcker zu bedenken, dass die verschiedenen Bedeutungen dieses Wortes früher, als noch die Frakturschrift vorherrschte, aufgrund einer unterschiedlichen Schreibung gut zu erkennen waren – anders als in unserer heutigen Schrift. Damals gab es noch das lange ſ als Variante des Graphems s: Wachs-tube – Wach-ſtube.

Homofone gibt es in unserer Sprache einige. Vor allem für Sprachlernende können bestimmte Wörter dieser Gruppe immer wieder für Verwirrung und Fehler sorgen. Beispiele sind heute – Häute, bis – Biss, Ferse – Verse – Färse (Kuh, die noch nicht gekalbt hat), fiel – viel, Miene – Mine, Nachnahme (Bezahlung einer Ware bei deren Aushändigung durch das Post-/Logistikunternehmen) – Nachname, Wände – Wende. Hermann Möcker nannte uns noch die Vorschläge Wagen (Fahrzeug) – wagen (kühn sein) und Messen (Gottesdienste oder Ausstellung) – messen (Maß nehmen).

Homonyme kennen viele aus ihrer Kindheit von einem bekannten Spiel namens Teekesselchen. Deshalb verwundert es nicht, dass uns auch zu Homonymen besonders viele Zusendungen erreichten: So schlug Gerd Schwinn u. a. Schweden (Land Europas und Staatsbürger dieses Landes) und Lappen (Einwohner Lapplands und Putztücher) ebenso wie Ball (Tanzveranstaltung und Spielartikel) vor. Von Wiard Raveling erhielten wir beispielsweise die Vorschläge Dichtung (Material zur Abdichtung und sprachliches Kunstwerk), Laster (schlechte Gewohnheit und umgangssprachlich für Lastkraftwagen), Melone (Pflanze oder deren Frucht und Hut), Verdienst (durch Arbeit erworbenes Einkommen und Leistung, die öffentlicher Anerkennung würdig ist). Hermann Möcker ordnet der Gruppe noch u. a. die Basen zu (veraltet für Cousine und österr./schweiz. Tante, Plural von Basis und chemische Verbindung) und auch Eberhard Wühle liefert zahlreiche Beispiele: auffrischen (Wind über der See und Kenntnisse wiederherstellen oder ein Möbelstück erneuern), überholen (vorbeifahren und modernisieren), verpassen (einen Termin und etwas/eine [Ohrfeige etc.] etwas in der Umgangssprache), einlaufen (Mann-schaft aufs Spielfeld und Kleidungsstück in der Waschmaschine). Auch bei Steuer handelt es sich um ein Homonym: Das neutrale Substantiv steht für die Lenkvorrichtung an einem Fahrzeug, während das feminine Substantiv die Geldabgabe an den Staat bezeichnet.

Dudenautor Christian Stang nahm unsere Preisaufgabe zum Anlass, um zu recherchieren, »welche Beispiele in den einschlägigen Nachschlagewerken, Regelwerken und Ratgebern zur deutschen Orthografie in Bezug auf den Gebrauch des Bindestrichs zur Trennung von Zweit- und Erstglied zu finden sind«. Unter anderem schreibt er:

Der sogenannte Urduden aus dem Jahre 1880 zitiert »aus dem preußischen Regelbuch« und führt in den ›Vorbemerkungen‹ unter den ›Ergänzende[n] orthographische[n] Regeln‹ das Beispiel Erd-Rücken (zum Unterschied von Erdrücken) an. Konrad Duden geht auf den Fall bereits in seiner ›Zukunftsorthografie‹ ein. In dem 1876 erschienenen Band heißt es: »Sollte jemand z. B. von einem Rücken der Erde, einem ›Erdrücken‹, sprechen wollen und seinen Satz so gebaut haben, dass der Leser meinen könnte, es sei von ›erdrücken‹ die Rede, so darf er ›Erd-Rücken‹ schreiben.«

Zu guter Letzt: Homofone, Homografe und Homonyme können zwar manchmal Missverständnisse und Rechtschreibfehler nach sich ziehen, sorgen aber als Quelle von Wortspielen für einen kreativen Umgang mit Sprache. Mit einigen unterhaltsamen Beispielen samt Erklärung wollen wir nun enden:

Wortspiele

  • »Je weiter man rudert, desto mehr Meer
  • »Je strenger die Mutter, desto fester die Schraube.«
  • »die laute Laute«
  • »Im zweiten Band spricht er von der Liebe als einem einigenden Band.« Bei diesem Beispiel handelt es sich um eine sogenannte Kolligation (Verknüpfung) – ein Stilmittel, bei dem ein Homonym unmittelbar wiederholt und dabei in mehr als einem seiner Bedeutungsaspekte verwendet wird.

Rätselgedichte

Oft werden Homonyme als Lösungswort in Rätselgedichten mit ihren verschiedenen Bedeutungen umschrieben:

»Eins gilt, wenn du Anfänger bist.
Im zweiten regiert der Glauben,
drei lässt sich schlagen, nicht schrauben
und vier, zu vier gehört Papier.«1

»Beide gleichen Namens,
dem einer nicht entspricht.
Einer voll Bewegung,
der andre rührt sich nicht.«2


1 Lösungswort: Stift
2 Lösungswort: Läufer