8. Juli 2022

Verständlichkeit und Gesundheitskompetenz – wie einfach sollten Informationen sein?

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Leichte Sprache soll Menschen, die Schwierigkeiten beim Lesen und Verstehen von Texten haben, den Zugang zu Informationen ermöglichen, von denen sie sonst ausgeschlossen wären. Doch nicht immer erreichen Leichte-Sprache-Texte auch ihr Ziel. Isabell Rink und Christiane Maaß zeigen in ihrem Beitrag Verständlichkeit und Gesundheitskompetenz im Spektrum zwischen Leichter und Einfacher Sprache am Beispiel des Gesundheitsbereichs, woran das liegt und was die Lösung sein könnte.

Ausgehend von der Feststellung, dass »eine große Diskrepanz zwischen den kommunikativen Bedarfen großer Bevölkerungsteile und dem sprachlichen Niveau der angebotenen Informationen in den Bereichen Gesundheit, Therapie, Pflege und Sorge [existiert]« (Rink/Maaß 2022, S. 1), beschreiben die Autorinnen zunächst diejenigen Gruppen, die auf vereinfachte Informationen angewiesen sind und potenziell von mangelnder Gesundheitskompetenz betroffen sind. Zu diesen Gruppen gehören u. a. Menschen mit einer Behinderung, ältere Menschen, Geflüchtete und Zugewanderte sowie Menschen mit geringer Literalität, also mit geringer Lese- und Schreibkompetenz.

Um diesen Menschen Gesundheitsinformationen in vereinfachter Form zur Verfügung zu stellen, gibt es die Sprachformen oder Varietäten »Leichte Sprache«, »Einfache Sprache« und »Leichte Sprache Plus«. Leichte Sprache ist dabei die Varietät mit dem geringsten Schwierigkeitsgrad und zugleich diejenige, deren Layout am stärksten auf »maximale Wahrnehmbarkeit ausgerichtet« (ebd., S. 6) ist. Bei der Einfachen Sprache handelt es sich wie auch bei der Leichten Sprache um »eine verständlichkeitsoptimierte Reduktionsvarietät der deutschen Sprache« (ebd., S. 7). Sie dient also ebenfalls dazu, Informationen in einer vereinfachten Form darzubieten. Dabei ist sie allerdings »weniger stark reguliert« (ebd.) und weicht hinsichtlich ihres äußeren Erscheinungsbildes, hinsichtlich ihres Layouts, nicht so sehr von standardsprachlichen Texten ab. Als dritte Varietät wird die Leichte Sprache Plus vorgestellt, eine Varietät, die zwischen der Leichten Sprache und der Einfachen Sprache anzusiedeln ist (siehe dazu Maaß 2020).

Leichte und Einfache Sprache bei der GfdS

Die Gesellschaft für deutsche Sprache beschäftigt sich schon seit Jahren mit Leichter und mit Einfacher Sprache. Wir übertragen Texte in Leichte oder Einfache Sprache, schreiben neue Texte in Leichter oder Einfacher Sprache und begleiten die Entwicklungen in diesem Bereich in Wissenschaft und Praxis.

Auf einer Übersichtsseite haben wir alle Informationen und Aktivitäten der GfdS im Bereich der Leichten und Einfachen Sprache zusammengestellt.

Die Autorinnen stellen fest, dass Leichte-Sprache-Texte ein Akzeptanzproblem haben und potenziell stigmatisierend sind. Dies liege u. a. an »den auffälligen optischen Eigenschaften der Leichte-Sprache-Texte« und an ihrer »heterogenen« und teilweise sogar »ungenügenden Qualität« (vgl. Rink/Maaß 2022, S. 6). Auch seien sie vorrangig mit dem Bereich »Behinderung« assoziiert, und Behinderung sei noch immer mit einem Stigma belegt (vgl. ebd., S. 6). »Die Betonung des Bereichs ›Behinderung‹« führe dazu, dass Leichte-Sprache-Texte von Ärzten und Patienten als übergriffig empfunden und daher nicht genutzt würden (vgl. ebd., S. 6 f.).

Die Autorinnen attestieren der Leichten Sprache eine »stark erhöhte Wahrnehmbarkeit« und eine »stark erhöhte Verständlichkeit« einerseits und eine »geringe Akzeptabilität« und ein »ausgeprägtes Stigmatisierungspotenzial« andererseits (vgl. ebd, S. 7). Die Einfache Sprache dagegen ist nach Rink/Maaß gekennzeichnet durch eine »moderat erhöhte Wahrnehmbarkeit« und eine »moderat erhöhte Verständlichkeit« auf der einen und eine »sehr gute Akzeptabilität« und »kein Stigmatisierungspotenzial« auf der anderen Seite (vgl. ebd., S. 9). Die Einfache Sprache, die Bredel/Maaß bereits 2016 als ein variables Konzept beschrieben haben, das »Flexibilität in seiner Gestaltung zulässt« (Rink/Maaß 2022, S. 8), birgt jedoch die Gefahr, dass »die Reduktion gegenüber dem Ausgangstext […] nicht weit genug geht« (ebd.), dass also Einfache-Sprache-Texte für bestimmte Zielgruppen noch nicht einfach genug sind.

Hier setzt das Konzept der Leichten Sprache Plus an, das »auf einen Ausgleich zwischen Wahrnehmbarkeit, Verständlichkeit einerseits und Akzeptabilität und Stigmatisierungspotenzial andererseits zielt« (ebd., S. 9). Die Leichte Sprache Plus geht aus von den Leichte-Sprache-Regeln, sie ist jedoch weniger stark reguliert und versucht insbesondere solche Erscheinungsformen zu vermeiden, die für die geringe Akzeptabilität und das hohe Stigmatisierungspotenzial der Leichten Sprache verantwortlich gemacht werden. Dazu zählen etwa das große und einförmige Schriftbild, der Zeilenumbruch nach jedem Satz, aber auch der vollständige Verzicht auf Nebensätze oder den Genitiv (vgl. ebd. S. 10). Der Leichten Sprache Plus wird folglich u. a. eine »erhöhte Wahrnehmbarkeit« und eine »erhöhte Verständlichkeit« einerseits und eine »gute Akzeptabilität« und »kaum Stigmatisierungspotenzial« andererseits bescheinigt (vgl. ebd.).

Im Weiteren beschreiben die Autorinnen anhand der sogenannten Hildesheimer Treppe (siehe dazu Maaß/Rink 2019), welche Faktoren bei der Vermittlung von Wissen und der Weitergabe von Informationen ausschlaggebend sind. Informationen müssen demnach »auffindbar«, »wahrnehmbar«, »verständlich«, »verknüpfungsfähig«, »akzeptabel« und »handlungsorientierend« sein. »In der Praxis bergen häufig bereits die ersten Stufen der Treppe eine Vielfalt von Barrieren, die mitunter dergestalt sind, dass die nächsthöheren Verarbeitungsschritte nicht vollzogen werden können« (Rink/Maaß 2022, S. 11).

Um die Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung zu verbessern, plädieren die Autorinnen abschließend dafür, zunächst textseitige Optimierungen vorzunehmen, die dazu führen, dass mehr Menschen Informationen mit angemessenem Schwierigkeitsgrad und in angemessener Weise erhalten. Dabei sind die Möglichkeiten, die die Leichte Sprache, die Einfache Sprache und auch die Leichte Sprache Plus bieten, zu nutzen.

Die Autorinnen machen auf das Problem aufmerksam, dass in dem wichtigen Bereich der Gesundheitskompetenz ein Defizit an Texten mit angemessenen Informationen für Menschen existiert, die Einschränkungen beim Lesen und Verstehen von Texten haben. Vielfach werden Informationen in einer zu komplizierten Weise dargeboten, mitunter sind Texte aber auch so »leicht« und so stark vom Gewohnten abweichend, dass sie bei Lesenden auf Widerstand stoßen und im schlimmsten Fall nicht genutzt werden.

Ob die Leichte Sprache Plus eine Lösung für dieses Problem sein kann, bleibt allerdings fraglich. Ist sie doch gekennzeichnet durch Merkmale, die oftmals auch der Einfachen Sprache zugeschrieben werden. Es ist also zu fragen, ob die Ziele, die mit der Leichten Sprache Plus verfolgt werden, nicht auch oder besser mit der Einfachen Sprache erreicht werden können. Möglicherweise trägt das Konzept der Leichten Sprache Plus der Tatsache Rechnung, dass im Bereich der Einfachen Sprache verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Interessen aktiv sind und dass eine Verständigung auf eine Einfache Sprache, die einer Leichten Sprache Plus entspräche, nicht in Sicht ist. Ein zusätzliches sprachliches Schwierigkeitsniveau einzuführen, bedeutet potenziell aber auch zusätzliche Verwirrung, zumal dem Außenstehenden nicht unmittelbar klar sein dürfte, ob Leichte Sprache Plus nun schwieriger als Leichte Sprache oder sogar noch »leichter« sein soll.

Auch ist zweifelhaft, ob die Leichte Sprache Plus geeignet ist, dem Akzeptanzproblem und dem Stigmatisierungspotenzial der Leichten Sprache entgegenzuwirken, da sie doch die Bezeichnung »Leichte Sprache« reproduziert und damit explizit auf sie Bezug nimmt.

Außerdem birgt jedes Label, das auf etwas von dem »Normalen« Abweichendes verweist, ein Stigmatisierungspotenzial. Das geringste Stigmatisierungspotenzial haben folglich Texte, die gut verständlich sind, aber ohne ein solches Label auskommen. Dies birgt allerdings in der Tat die Gefahr, dass Texte nicht einfach genug sind, worauf die Autorinnen zu Recht hinweisen. Auch garantiert das Label ja gerade die Auffindbarkeit eines bestimmten sprachlichen Schwierigkeitsniveaus. In vielen Fällen wird also abzuwägen sein, welches Schwierigkeitsniveau und welche Darbietungsform am angemessensten sind. Die Leichte Sprache Plus ist dabei aus unserer Sicht nicht die ultimative Lösung, aber eine weitere Möglichkeit, die in bestimmten Fällen angemessen sein kann.

Der Beitrag

Rink, Isabel; Maaß, Christiane (2022): Verständlichkeit und Gesundheitskompetenz im Spektrum zwischen Leichter und Einfacher Sprache. In: Rathmann K., Dadaczynski K., Okan O., Messer M. (Hrsg.): Gesundheitskompetenz (= Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit). Berlin, Heidelberg (Abrufbar unter https://doi.org/10.1007/978-3-662-62800-3_146-1).

Weitere erwähnte Quellen

Bredel, Ursula; Maaß, Christiane (2016): Leichte Sprache: Theoretische Grundlagen. Orientierung für die Praxis. Berlin.

Maaß, Christiane; Rink, Isabel (2019): Über das Handbuch Barrierefreie Kommunikation. In: Dies. (Hg.): Handbuch Barrierefreie Kommunikation. Berlin, S. 17–25.

Maaß, Christiane (2020): Easy Language – Plain Language – Easy Language Plus. Balancing comprehensibility and Acceptability (= Easy – Plain – Accessible, Bd. 3). Berlin.