Was ist ein Geheimrat? Woher kommt das Wort und was bedeutet es?
[F] Woher kommt das Wort Geheimrat und was ist daran so geheim? Hat es etwas mit Geheimratsecken zu tun?
[A] Um die Bedeutung des Begriffs Geheimrat zu klären, muss man tief in die Vergangenheit der deutschen Geschichte eintauchen. Schlägt man den Duden unter dem Stichwort geheim auf, verrät der erste Blick bereits, dass es sich bei diesem Wort nicht bloß um ein Adjektiv handelt, das die Bedeutung ›heimlich, vertraut‹ innehat. Stattdessen wird geheim dort auch als ein möglicher Titel und Name aufgelistet (vgl. »Duden. Richtiges und gutes Deutsch. Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle« 7., vollständig überarbeitete Auflage [CD-Rom]. Mannheim, 2012). Die Zuhilfenahme antiker Wörterbücher lässt die Fragezeichen verschwinden. Joachim Campe schrieb in seinem »Wörterbuch der Deutschen Sprache« (Braunschweig, 1808) bereits, dass der Ausdruck geheim im weiteren Verständnis eine Bezeichnung für »die innersten Landessachen und die persönlichen Verhältnisse des Fürsten« ist. Um diese Angelegenheiten zu verwalten, installierte der Fürst eine Versammlung von Personen: den Geheimrath, in dem er selbst den Vorsitz führte. Dabei blieb es nicht nur bei einem Geheimrath, vielmehr segmentierte der Fürst seine Staatsdiener in verschiedene Ressorts. So existierten zu Zeiten Campes bereits u. a. ein geheimer Gerichtsrath, ein geheimerKammerrath und ein geheimer Finanzrath. Die Bezeichnung Geheimrath gilt hierbei zugleich für die Versammlung als Körperschaft sowie als Titel des zugehörigen Staatsdieners.
Den roten Faden Campes nahmen die Brüder Grimm im »Deutschen Wörterbuch« (Leipzig, 1897) auf. Ein Geheimrath ist demnach die »bezeichnung einer wichtigen stellung und […] ehrentitel […], der doch zuletzt gar nichts mehr von dem bedeutet, was er sagt«. Der letzte Teil der Anmerkung liegt darin begründet, dass die Geschäfte eines Geheimrates keineswegs im Verborgenen blieben, wie es das zeitgemäße und heutige Verständnis von geheim nahelegt. Ganz wie es der Ursprung des Wortes besagt, waren die Staatsdiener enge Vertraute des Fürsten. Die Beschlüsse des Rates und dessen Mitglieder waren der Öffentlichkeit freilich bekannt. Nur die praktische Arbeit mit den Angelegenheiten des Fürsten blieb hinter verschlossenen Türen. Mit dem zunehmenden Bedeutungsgewinn von Verfassungen und Ministerien im Laufe der Jahre verloren die Geheimräte an Einfluss und Autorität. Heutzutage meint Geheimrat einen nichtakademischen Titel.
Einer der bekanntesten Geheimräte war Johann Wolfgang von Goethe. 1775 traf Goethe am Hof in Weimar ein, wurde ein Jahr später durch den jungen Herzog Carl August zum Geheimrat ernannt. Die Ernennung wurde beurkundet, und Goethe gehörte von da an dem geheimen Legationsrat an (vgl. http://www.johann-wolfgang-goethe. de).
Darüber hinaus ist der Ausdruck Geheimrat auch der Ursprung verschiedener Bezeichnungen. So gehen die bekannten – und gefürchteten – Geheimratsecken, also durch Haarausfall oberhalb der Schläfen entstandene tiefe Einbuchtungen im Haaransatz bei Männern (so der Duden), in der Namensbedeutung auf den Geheimrat zurück. Möglicherweise war der Rückgang des Haaransatzes gerade bei Geheimräten eine so verbreitete Eigenschaft, dass dieses Phänomen sogar nach ihnen benannt wurde. Heinz Küpper (»Illustriertes Wörterbuch der deutschen Umgangssprache«, Stuttgart 1983) erklärt lakonisch: »Spätestens mit der Verleihung des Geheimratstitels stellte sich früher auch die Glatze ein.« Ihm zufolge existiert der Ausdruck seit dem späten 19. Jahrhundert. Auch in Österreich gibt es eine solche Übertragung: Hier waren im Kaisertum die Geheimräte unter dem Titel Hofrath bekannt (vgl. Johann C. Adelung: »Wörterbuch der hochdeutschen Mundart«, Wien, 1807). Heutzutage ist in Österreich inzwischen der Ausdruck Hofratsecken für unsere Geheimratsecken geläufig. Auch der mittlerweile nur noch rudimentär bekannte Geheimratskäse geht in seiner Bedeutung auf den Geheimrat zurück. Der goldgelbe, mattglänzende, milde Schnittkäse war ein Milchprodukt, das nur höher gestellten Persönlichkeiten – Vertrauten des Regenten – serviert wurde (vgl. Duden).
Für den Wortbaustein geheim in Geheimrat lässt sich also festhalten, dass die Bedeutung durch ein duales Verständnis von vertraut aufgeladen wird. Die Ebene der Vertraulichkeit als soziale und emotionale Nähe der Staatsdiener zu ihrem Fürsten ist ebenso ein Bestandteil der Wortbedeutung wie die Vertraulichkeit des Umgangs mit den Anliegen des Regenten.