Wozu dient das <h> in Wörtern, in denen man es nicht hört?

[F] Mir ist aufgefallen, dass einige Wörter im Deutschen ein <h> enthalten (z. B. Wahl und Ohr), auch wenn man dieses bei der Aussprache nicht hört. Woran liegt das und welche Auswirkungen hat es?
[A] Richtig, in einigen Fällen hört man ein <h> innerhalb eines Wortes nicht, nämlich dann, wenn es hinter einem Vokal und vor einem Konsonanten steht (z. B. wählen vs. sehen) – oder andersherum: hinter einem Konsonanten, aber vor einem Vokal (z. B. Theater). Vokale im Deutschen können unterschiedlich lang ausgesprochen werden. Markiert wird dies meist orthografisch: Folgt eine Verdopplung des Konsonanten, wird der voranstehende Vokal meist kurz ausgesprochen (z. B. bei Matte). Soll der Vokal hingegen lang ausgesprochen werden, kann ein zusätzliches Zeichen die Länge markieren. Dies kann durch eine Vokalverdopplung (z. B. Beet, Saal), ein <e> hinter dem <i> (z. B. Tiefe, Liebe) oder durch das sogenannte Dehnungs-h (z. B. Bahnhof, mehr) geschehen. Das Dehnungszeichen steht dabei stets hinter dem Vokal. Das <h> hinter einem Vokal sorgt somit dafür, dass dieser lang gesprochen wird.
Neben den oben genannten Dehnungszeichen existierten früher weiter, so das <e> und <i> hinter anderen Vokalen. Hiervon ist heute nur noch das <e> hinter dem <i> übrig geblieben. Bei der I. Orthographischen Konferenz 1876 wurde beschlossen, alle anderen zu tilgen; so treten sie heute nur noch in Ortsund Eigennamen auf (z. B. Soest, Bad Laer, Buer, Itzehoe; Voigt, Moitzfeld, Buisdorf). Anders als man annehmen könnte, wird hier durch das zusätzliche <e> ein vorhergehendes <a>, <o> oder <u> nicht zu einem Umlaut (<ä, ö, ü>), sondern sie werden stattdessen lang ausgesprochen – das <e> ist dabei genauso wenig zu hören wie das <i>. Ausnahmen gibt es indes auch, so werden z. B. Duisburg und Moers mit Umlaut und nicht mit langem Vokal gesprochen.
Das <h> hinter einem <t> wie in Thor oder Thal ist hingegen kein Dehnungszeichen. Die Schreibweise mit <th> war zwar früher weit verbreitet, im Zuge der I. Orthographischen Konferenz von 1876 wurde das <h> hinter dem <t> jedoch gestrichen und blieb nur noch in Eigennamen (z. B. Thorsten, Thomas) oder Wörtern, die aus dem Griechischen stammen (z. B. Thermometer, Theater), erhalten.
Man könnte nun vermuten, dass auch das <c> in Mecklenburg-Vorpommern oder Gackenholz – jeweils mit lang gesprochenem ersten Vokal – ein Dehnungszeichen ist, aber nicht das <c> bedingt die lange Aussprache, sondern die Eigenschaften der niederdeutschen Sprache; Näheres haben wir bereits in einem eigenständigen Beitrag behandelt: https://gfds.de/kann-ein-c-als-dehnungszeichen-fungieren/.
Quellen
Bußmann, Hadumod: Dehnung vs. Kürzung. In: Lexikon der Sprachwissenschaft (3. Aufl.), S. 149. Stuttgart 2002.
Schneider, Michael: Materialien zur (neuen) deutschen Orthographie. https://decemsys.de/sonstig/gesch-rs.pdf.