9. Juli 2024

Spitznamen der Spieler: Wenn der Kellner perfekt vorlegt, klappt’s auch auf dem Platz

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Die National-Elf ist am vergangenen Freitag zwar im EM-Viertelfinale gegen Spanien aus dem Turnier ausgeschieden, doch für die meisten Fußballfans dürften die Deutschen längst die Europameister der Herzen sein. Blicken wir also noch einmal auf die deutschen Kicker, die hart gekämpft und dennoch verloren haben, und nehmen ihre (Spitz-)Namen unter die Lupe.

Lücke, Bambi, Steilpass-Toni: Das sind drei teils metaphorische Spitznamen von Spielern, die auf ganz unterschiedliche Art zustande gekommen sind. Manche, die einen metaphorischen Charakter haben, verselbstständigen sich auch – und sind dann nicht mehr unbedingt nachvollziehbar. Eine Quelle für metaphorische Spitznamen können körperliche Eigenheiten von Fußballern sein. Einer der bekanntesten dürfte der von Niclas Füllkrug sein: Er wird Lücke genannt wegen seiner augenfälligen Zahnlücke. Seine Teamkollegen sagen auch Fülle zu ihm. Jamal Musiala wurde, weil er bei der WM 2022 der jüngste Spieler in der Nationalelf war, Bambi gerufen.

Bei einer ganzen Reihe von metaphorischen Spitznamen stehen allerdings die spielerischen Qualitäten der Fußballer im Mittelpunkt: So heißt Torwart Manuel Neuer in den Medien gern The Wall, weil er nichts durchlässt. Mittelfeldspieler ToniKroos wurde während der WM 2014 in der brasilianischen Presse Garçon genannt – der Kellner, der seinen Mitspielern den Ball perfekt auf den Fuß serviert. Querpass-Toni ist ein weiterer Spitzname, jedoch mit einem kritischen Zungenschlag: Mit seinen Querpässen würde Kroos das Spiel verlangsamen, hieß es. Als er dann in der Nationalelf Anfang des Jahres sehr erfolgreich spielte, wurde er zum Steilpass-Toni (Schmolke 2024).

Lama, Terrier und Flipper: Auf dem Platz geht’s manchmal tierisch zu

Früher gab man Fußballstars gern Tiernamen – was bei der deutschen Nationalelf heute aus der Mode gekommen scheint. So wurde »der niederländische Nationalspieler Frank Rijkaard nach seiner berüchtigten Spuckattacke gegen Rudi Völler während der WM 1990 Lama genannt«, schreibt Rainer Küster. Sprungtalent Jürgen Klinsmann riefen »seine Kollegen auch deshalb Flipper […], weil er im Strafraum unter Einwirkung des Gegners für viele zu leicht den Kontakt zum Boden suchte. Der Essener Spieler Willi Lippens hieß Ente wegen seines watschelnden Laufstils, Berti Vogts wurde Terrier genannt, da er als kleinwüchsiger Verteidiger seine Qualitäten in der Wadengegend des Gegners ausspielte.« (Küster 2009: 68–69)

Der Fußballadel regiert den Strafraum

Länger zurück liegt inzwischen auch die Zeit des Fußball-Adels, der sich in metaphorischen Spitznamen ausdrückt. In der der EU-Nationalelf taucht er aktuell nicht auf, doch unvergessen ist der im Januar dieses Jahres verstorbene Kaiser Franz Beckenbauer, der als Lichtgestalt des deutschen Fußballs gilt. Ob er zu seinem Namen gekommen ist, weil er einmal neben einer Büste des ehemaligen Habsburger Kaisers Franz I. fotografiert wurde, ob ihn die Bild-Zeitung in Anlehnung an den Bomber der Nation (Gerd Müller) Kaiser der Nation nannte – es ist nicht zweifelsfrei zu sagen, auch wenn der Kaiser selbst als Erklärung das von ihm geschossene Foto heranzog. König Otto Rehhagel hat sich seinen Titel vor allem durch seine Leistungen als Trainer verdient, und Prinz Poldis Adelstitel bezieht sich auf seine Herkunft, die Karnevalshochburg Köln, wobei die Metaphorik demzufolge auch eine »eher humoristische […] kritisch-ironische Seite« hat. (Küster 2009: 69–70)

Mitunter lässt sich nicht klar erkennen, warum ein metaphorischer Spitzname im Sportjargon zustande gekommen ist, weil laut Küster die »Analogien zwischen Bildspender und Bildempfänger unter Umständen nicht mehr nachvollziehbar sind« (Küster 2009: 70). Die Bezüge, die zur Bildung des Namens geführt haben, können in Vergessenheit geraten sein. Als Beispiel nennt Küster den Spitznamen Lutscher für den Fußballprofi Torsten Frings. »Als junger Spieler beleidigte Frings seinen damaligen Kapitän Andy Herzog (Alpenmaradona), nannte ihn Lutscher und musste angesichts dieser Majestätsbeleidigung erleben, dass man ihn fortan selbst so nannte.« (Ebd.)

Bei den Kickern der EM-Elf sind metaphorische Spitznamen, wie wir gesehen haben, nicht mehr sehr weit verbreitet. Stattdessen reden sich die Spieler untereinander gern mit Verniedlichungen auf -i an – vermutlich, um auf dem Platz beim Training oder im Spiel schnell reagieren zu können: »So wird Nico Schlotterbeck Schlotti, Ilkay Gündogan Ily, Antonio Rüdiger Toni und Maximilian Mittelstädt Maxi genannt.« (Schmolke 2024)

Biblische Namen: So oft kommen sie in der National-Elf vor

Auffallend ist jedoch, dass manche Namen der Spitzensportler auch Spitze unter den beliebtesten Jungennamen sind – oder es einmal waren. Seit 1977 veröffentlicht die Gesellschaft für deutsche Sprache jährlich eine Liste der in Deutschland am häufigsten vergebenen Vornamen. Und es zeigt sich: Der eine oder andere Vorname der Fußballprofis spielt in den Top 20 eine entscheidende Rolle, und biblische Namen kommen nicht selten vor. Man könnte also mit einem Augenzwinkern fragen: Hat der Fußballgott ein Einsehen und fördert die Kickerkarriere bei entsprechendem Vornamen?

Zunächst: In der National-Elf ist Abwehrspieler Maximilian Mittelstädt der Spitzenreiter, was seinen Vornamen angeht. Dieser liegt unter den Top Ten der beliebtesten Jungennamen 2023, nämlich auf Platz 9.[1] Dem klassischen Namen lateinischer Herkunft liegt der Eigenname Maximus mit der Bedeutung ›der Größte‹ zugrunde. Bereits seit den 1990er-Jahren gehört Maximilian zu den beliebtesten Jungennamen und belegte gerade in den vergangenen Jahren oft die vorderen Plätze.

Doch schauen wir uns die biblischen Vornamen noch genauer an: Benjamin Henrichs, David Raum, Joshua Kimmich und Jonathan Tah tragen Namen, die auf die Heilige Schrift zurückgehen. Henrichs führt dabei in Sachen Beliebtheit, wenn man von der Kurzform Ben ausgeht: Der Name stand in den 2010er-Jahren regelmäßig in den Top 10 der beliebtesten Vornamen für Jungen. Benjamin ist seit den 1970er-Jahren wieder häufiger vergeben worden. In der Bibel nannte Jakob seinen neugeborenen Sohn so, ›Sohn des Glücks, rechte Hand‹. Der Name rangierte einige Jahre unter den Top 50. Aktuell verzeichnet er einen leichten Abwärtstrend: Platz 59. David Raum wiederum konnte zumindest zwischen 2002 und 2009 in Sachen Beliebtheit mit Ben mithalten: In dieser Zeit stand der Name regelmäßig unter den Top 10 mit der höchsten Platzierung 2002 und 2003 auf Rang 8. Inzwischen wird der Name wieder seltener vergeben und belegt bundesweit Platz 26. Die Bedeutung ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt, angenommen wird ›Liebling, Geliebter, Liebender‹, aber auch ›Vatersbruder‹. David kommt auf Fußballplätzen übrigens gar nicht mal so selten vor – man denke nur an die ehemaligen Fußballstars David Beckham oder David Odonkor.

Etwas hinter David liegt Innenverteidiger Jonathan Tahs Name: Er gehört aktuell zu den Top 40 und bedeutet ›GeschenkGottes‹. Im Alten Testament trägt der älteste Sohn von König Saul diesen Namen. In den 1970er-Jahren gewann Jonathan an Beliebtheit, möglicherweise wegen literarischer Veröffentlichungen, in denen der Name eine Rolle spielte, darunter »Die Möwe Jonathan« von Richard Bach (1970) oder »Die Brüder Löwenherz« von Astrid Lindgren (1973). Aktuell belegt er Platz 39. Joshua Kimmichs Vorname befindet sich seit den 80er-Jahren durchgängig in den Top 100 der beliebtesten Vornamen. Zuletzt belegte der Name Platz 78. Er bedeutet ›Jahwe ist Heil, Hilfe, Rettung‹. Im Alten Testament führte Josua die Israeliten nach dem Tod Moses‘ in das Gelobte Land.

Nicht biblisch, aber dafür beliebt ist eine Kurzform von Antonio Rüdigers Namen: Anton liegt auf Platz 17 auf der Liste der beliebtesten Jungennamen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde er nur noch selten vergeben, ist aber inzwischen einer der häufigsten 20 Namen für Neugeborene. Antonio hingegen liegt derzeit auf Platz 182. Die Bedeutung des Namens ist unklar, angenommen wird ›preiswürdig, unschätzbar, unverkäuflich‹. Toni Kroos’ Vorname, der ebenfalls eine Kurzform von Anton ist und als eigenständiger Name gilt, erreichte 2023 Platz 74.

Quellen

Küster, Rainer (2009): Metaphern in der Sportsprache. In: Armin Burkhardt/Peter Schlobinski (Hgg.): Flickflack, Foul und Tsukahara. Der Sport und seine Sprache. Mannheim (= Thema Deutsch, Band 10), S. 69–70.

Schmolke, Leslie-Marie (2024): Wer steckt dahinter? Bambi, Bär, Lee – das sind die Spitznamen der DFB-Stars. 08.06., www.heidelberg24.de/sport/fussball/dfb-spieler-spitznamen-em-2024-deutschland-team-mannschafte-abkuerzungen-bambi-93113231.html (Stand 10.06.2024)


[1] Zugrunde gelegt ist hier und im Folgenden die Gesamtliste der vergebenen Namen, in der nicht zwischen Erst- und Folgenamen unterschieden wird. S. auch: https://gfds.de/ausfuehrliche-auswertung-vornamen-2023/.