Ausgabe: Der Sprachdienst 3/2024

Woher kommt der Bestandteil -tag in Bundestag oder Landtag?

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[F] Woher kommt der Bestandteil -tag in Bundestag oder Landtag, von tagen/ Tagung oder von der Tag?

[A] Der Bestandteil -tag in Zusammensetzungen wie Bundestag oder Landtag kommt tatsächlich von dem Substantiv [der] Tag, allerdings in einem heute nicht mehr gebräuchlichen Sinne. Früher hatte Tag unter anderem die Bedeutung von ›ein festgesetzter Tag/Termin‹ und konnte außerdem ›Versammlung‹ und ›Verhandlung‹ bedeuten. Diese Bedeutung von Tag war insbesondere in der Rechtssprache gebräuchlich. So war der Tag laut Kluges Etymologischem Wörterbuch »früher auch besonders der Tag des Things, dann der Gerichtstag«.

Das Verb tagen wiederum ist vom Substantiv Tag in der obigen Bedeutung abgeleitet. Diese Bedeutung findet sich ebenfalls noch in dem Verb vertagen sowie in den Substantiven die Tagung oder das Tagen.

Während das Kompositum Bundestag neueren Ursprungs ist und bei seiner Entstehung die obige Bedeutung von Tag schon nicht mehr gebräuchlich war – gemäß dem Deutschen Wörterbuch von Hermann Paul ist sie seit 1780 nur noch in Zusammensetzungen wie Gerichtstag, Kreistag, Landtag, Reichstag und Bundestag gebräuchlich –, spielt sie in dem älteren Wort Landtag noch eine Rolle. Landtag geht auf das mittelhochdeutsche lanttac zurück, das den Tag bezeichnet, an dem laut Pfeifers Etymologischem Wörterbuch »die Vertreter eines Landes zu gerichtlicher und politischer Tätigkeit zusammenkommen«. Lanttac war außerdem die Bezeichnung für die Versammlung zum Landgericht. Im Wort Bundestag sind diese Bedeutungen nur noch mittelbar enthalten. Denn Bundestag entstand als Bezeichnung für die Bundesversammlung im Deutschen Bund (1815–1866) und wurde in Analogie zum älteren Reichstag (bis 1806) gebildet (vgl. Brockhaus Enzyklopädie Online).

Quellen

Brockhaus Enzyklopädie Online: Bundestag. https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/bundestag.

Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 25., durchgesehene und erweiterte Auflage, Berlin 2011.

Paul, Hermann: Deutsches Wörterbuch. Bedeutungsgeschichte und Aufbau unseres Wortschatzes, 10., überarbeitete und erweiterte Auflage, Tübingen 2002.

Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, https://www.dwds.de/d/wb-etymwb.