20. April 2022

20. April: Tag der chinesischen Sprache

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Heute, am 20. April, ist Tag der chinesischen Sprache. Auch wenn die deutsche Sprache ganz augenscheinlich nicht allzu viel mit der chinesischen Sprache gemein zu haben scheint, wollen wir eine kurze sprachliche Beschäftigung mit der chinesischen Sprache nicht umgehen. Chinesisch als eine klassische Tonsprache – was das ist, umschreibt der nächste Absatz – soll heute der Anlass sein, sich mit Silbenbetonung in der deutschen Sprache zu befassen. Den für die Mandarinsprache notwendigerweise richtig verwendeten Ton für jede Silbe wollen wir dabei auf das Deutsche umschreiben. Denn auch in unserer Sprache müssen wir mit Betonung richtig umgehen. Wer in bestimmten Fällen die falsche Silbe betont, könnte missverstanden werden.

Was bedeutet es, dass das Chinesische eine Tonsprache ist? Das Chinesische zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass jede Silbe eines Wortes mit einem festen Ton versehen ist, den man sich nicht herleiten kann, sondern im Sinne lexikalischen Wissens erlernen muss. Die fünf Töne (hoch-eben, steigend, fallend-steigend, fallend, neutral) der ostasiatischen Sprache können einer bestimmten Konsonanten/Verb-Abfolge jeweils unterschiedliche Bedeutungen geben. So kann etwa die Silbe ma im Chinesischen mit allen fünf Tönen versehen werden und sie bedeutet dann in jedem Fall etwas gänzlich anderes:

  1. mit hoch-ebener Betonung: ›Mutter‹,
  2. mit steigender Betonung: ›Hanf‹,
  3. mit fallend-steigender Betonung: ›Pferd‹,
  4. mit fallender Betonung: ›(be)schimpfen‹,
  5. ma mit neutralem Ton fungiert in Fragen als Fragepartikel.

Im Chinesischen ist somit allein die Tonhöhe bzw. der Tonhöhenverlauf – die sogenannte Tonalität – im wahrsten Sinne des Wortes tonangebend.

Das Deutsche ist keine Tonsprache in diesem Sinne, innerhalb einer Silbe ändert sich also die Tonhöhenverlauf nicht. Doch betonte und unbetonte Silben gibt es im Deutschen sehr wohl; der Betonungsakzent wird hier durch Tonhöhe, Tondauer und Lautstärke gesetzt, wodurch eine Silbe besonders hervorgehoben und somit als Hauptakzent erscheint. Dennoch gibt es bei uns ein ähnliches Phänomen: Bestimmte Wörter erhalten nämlich, unterschiedlich betont, sehr verschiedene, wenn nicht gar konträre Bedeutungen.

Wie beim Lesen des einleitenden Absatzes aufgefallen sein könnte, sind die Verben umgehen und umschreiben mehrfach verwendet worden – und zwar in jeweils unterschiedlicher Bedeutung. Geschrieben kann die Buchstabenabfolge umgehen sogar dreierlei Bedeutungen tragen:

  1. ›etwas vermeiden‹
  2. ›mit etwas zurechtkommen‹
  3. ›sich verbreiten‹

Ebenso kann das geschriebene Wort umschreiben zwei Bedeutungen haben:

  1. ›(einen Text) ändern‹
  2. ›etwas kurz beschreiben‹

Umschreiben und umschreiben (der jeweils hervorgehobene Teil markiert hier die Hauptbetonung) werden exakt gleich geschrieben und sind daher Homographe. Sie sind jedoch keine Homophone, das heißt, sie haben nicht die gleiche Lautung, denn ihr Bedeutungsunterschied ist durch unterschiedliche Aussprache bzw. Betonung erkennbar. Wenn zwei Wörter mit je eigener Bedeutung gleich geschrieben und auch gleich ausgesprochen werden sind es Homonyme, so etwa umgehen mit gleicher Betonung auf erster Silbe ( 1. ›sich verbreiten‹ oder 2. ›mit etwas zurechtkommen‹ wie in Wenn Gerüchte über mich umgehen, kann ich damit schwer umgehen). Umgehen mit Betonung auf zweiter Silbe ist hingegen ein Homograph von umgehen, sie sind also keine Homonyme, da sie nicht gleich ausgesprochen werden und somit keine Homophone sind.

Wieso aber werden Verben auf um- unterschiedlich betont? In der Regel liegt der Hauptakzent eines deutschen Wortes auf der ersten Silbe. Längere Wortformen haben zusätzlich noch einen oder mehrere Nebenakzente. Einige Präfixe wie be-, er-, ent-, ge-, ver-, zer- sind, obwohl sie die erste Silbe des Wortes bilden, unbetont wie in beachten, Begriff, entfernen, Verfall, zerbrechen. Andere Einheiten sind hingegen je nach ihrer Funktion im Wort entweder unbetont, wie die oben genannten, oder sie sind betont und tragen regelkonform den Hauptakzent, dazu gehören etwa dar-, durch-, her-, hier-, hin-, vor-, zu- (zum Beispiel darstellen, durchhalten, herleiten, hinbringen, vorwerfen, zusehen) und eben auch um-.

Das Präfix um- modifiziert einen Wortstamm mit unterschiedlichen Bedeutungen. Einserseits erweitert es Wörter um die Bedeutung ›zurück, herum, zu Boden‹ oder ›verändern‹ und hat dann die Betonung auf der ersten Silbe, z. B. sich umschauen, etwas umrühren, umfallen, umknicken oder umbuchen, umfüllen, umfunktionieren, umleiten, sich umziehen. Diesen Verben ist gemein, dass sie trennbar sind, d. h. dass Präfix und Verbstamm etwa im Präteritum oder in einem Imperativsatz getrennt werden müssen: Sie guckte sich um oder Rühr die Suppe um! (statt nicht: *Sie umguckte sich, *Umrühre die Suppe!). Verben auf um- mit der Bedeutung ›etwas rundum, mit etwas umgeben‹ und unbetonter erster Silbe sind hingegen untrennbar, so z. B. etwas umfahren, umfließen, umtoben, umschweben: Der Sturm umtobte das Haus, Der Fluss umfließt den Felsen (statt: *Der Sturm tobte das Haus um, *Der Fluss fließt den Felsen um).

Doch genau dies kann in einigen Fällen zu verschiedenen Deutungsmöglichkeiten führen. Wie würden Sie etwa den Satz Du musst den Polizisten umfahren! interpretieren? Hier könnte die falsche Betonung (und zugegebenermaßen eine große Portion Unüberlegtheit) fatale Folgen haben und dem Anweiser an einer Kreuzung wird nicht ›fahrend ausgewichen‹, sondern er wird ›umstoßen und überrollt‹. Wer im Auto dieses Missverständnis umgehen möchte, kann hier auf die Untrennbarkeit des gemeinten Verbs aufmerksam machen. Denn Umfahre den Polizisten! macht die Bedeutung von umfahren mit Betonung auf zweiter Silbe deutlich, während Fahre den Polizisten um! verdeutlicht, dass das Gefahr bergende umfahren im Gegensatz zu seinem in der Bedeutung gegenteiligen Homographen trennbar ist.

Bekanntlich kommt es eben nicht nur darauf an, was man sagt, sondern wie man es sagt. Der Ton macht auch hier die Musik!

Zum Weiterlesen

Auf unserer Seite haben wir schon einige interessante Beiträge zum Thema Wortbetonung und Bedeutung veröffentlicht. Lesen Sie hier mehr dazu:

Quellen

Wolfgang Fleischer/Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. Tübingen 1995.

Duden: Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle. Mannheim 2016.

https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%B6ne_des_Hochchinesischen

https://deutschegrammatik20.de/spezielle-verben/verben-mit-praefix-trennbare-und-nicht-trennbare-verben/praefixe-verben-trennbar-und-nicht-trennbar/prafix-um/

https://www.leemeta-uebersetzungen.de/blog/sprachdilemmas/homographe-der-deutschen-sprache