Woher stammt der Ausdruck bescheuert?

[F] Welche Erklärung haben Sie für den Ausdruck, der ja doch recht oft zu hören ist: jemand sei bescheuert? Was hat er mit scheuern zu tun, denn wenn etwas gescheuert ist, ist es doch sauber und hübsch?

be-scheuert. © CC-Lizenz

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[A] Das Adjektiv bescheuert ist offenbar vom Verb scheuern abzuleiten, wie das Deutsche Universalwörterbuch A–Z (Dudenverlag 2011) darstellt: scheuern konnte bzw. kann auch die Bedeutung ›prügeln‹ haben, das heißt: »jemanden so lange prügeln, bis er den Verstand verloren hat (salopp)«. Hierzu gehört der verwandte Ausdruck jemand bekommt eine gescheuert (jemand wird geohrfeigt/geschlagen).

Im selben Sinne führt Heinz Küpper aus: »bescheuert sein: dumm, nicht recht bei Verstand sein. Scheuern = gründlich reiben; weiterentwickelt zur Bedeutung ›schlagen‹. Der Dumme leidet unter den Folgen einer Gehirnerschütterung, hervorgerufen durch einen Schlag an den Kopf.« Dem Autor zufolge ist der Ausdruck seit etwa 1900 belegt (siehe Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache, Stuttgart: Band 1, 1982).

Diese Erklärung wird von älteren Wörterbüchern gestützt. So heißt es in Trübners Deutschem Wörterbuch (Berlin, Band 6, 1955): »Für einem den Kopf scheuern ›ihn rüffeln‹ ist jetzt den Kopf waschen üblich.« Wem man »den Kopf gescheuert hat«, der ist – so wäre zu folgern – bescheuert. Das Verb scheuern – es ist seit Jahrhunderten im Deutschen geläufig und meinte ursprünglich so viel wie ›polieren, glätten‹ – hat also mehrere Teilbedeutungen, neben ›reinigen, säubern‹ auch ›reiben‹, wobei ›durch Reiben säubern, reinigen‹ gemeint sein kann, daneben ›reiben‹ auch im Sinne von ›sich wund scheuern‹, etwas scheuert = ›etwas reibt, hat (groben) Kontakt‹, ein Tier scheuert sich an einem Baum, ein Kleidungsstück scheuert u. ä. m.; so »rieb« man sich früher auch nicht die Augen, sondern »scheuerte« sie.

Früher war Scheuerkraut, Scheuersand als Mittel zum Säubern, das oft eine Scheuerfrau zu erledigen hatte, womöglich mit einem Scheuertuch, in Gebrauch; und das Deutsche Wörterbuch, der »Grimm«, kennt nicht nur das Scheuerfass, in dem Haushaltsgegenstände gescheuert wurden, sondern auch den Scheuerteufel (vgl. Putzteufel), also den unguten Geist, der die Menschen zum übermäßigen Scheuern antreibt.

Die Grundlage der Redewendung bescheuert sein findet sich schon in dem legendären großen deutschen Wörterbuch von Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (Wien, Neueste Ausgabe 1807): »Jemandem den Kopf scheuern, figürlich, ihm einen derben Verweis geben.«

Die heutige Verwendung ist, wie sich zeigt, wohl etwas anders, doch ganz ähnlich und kann als Weiterentwicklung verstanden werden. Wer bescheuert ist, ist ›nicht recht bei Verstand‹, ›dumm, blöde, begriffsstutzig‹ u. ä., das heißt, er bekommt einen »derben Verweis« mit Grund; die Abreibung (!, ein verwandter Ausdruck) war motiviert – wenn vielleicht auch als Reaktion zu drastisch.

Recht unwahrscheinlich indessen ist die Deutung, die Lutz Röhrich vornimmt: »Bescheuert sein: total verrückt sein. Die Redensart bezieht sich auf die geistig Behinderten, die in der Anstalt Scheuern bei Nassau betreut und teilweise nur verwahrt werden.« (Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, 1991, Band 1.) Wohl gibt es diese Anstalt, gegründet von Johann Hinrich Wichern, seit Mitte des 19. Jahrhunderts, doch auch im Hessen-Nassauischen Volkswörterbuch (Band III, 1967) ist scheuern in »freierer Anwendung« mit der Bedeutung ›jemand bekommt Prügel‹ belegt (bekommt de Hout/de Buckel geschouert/geschauert), ›einen verprügeln‹ (de Jippe/das Wams schauern) sowie ›einen rüffeln‹: de Kopp schouere, sodass die weitere Entwicklung von bescheuert, wie geschildert, vom Verb scheuern in seiner Bedeutungsvielfalt plausibler erscheint. Zudem ist scheuern im Sinne von ›jemanden ohrfeigen, verprügeln‹ in etlichen Dialektlandschaften verbreitet, gewiss in unterschiedlicher Lautausprägung, und z. B. für das Hamburgische, Preußische und Sächsische belegt; weiterhin ist das Adjektiv bescheuert für ›dumm‹ auch im Sudetendeutschen Wörterbuch (Band I, 1988) verzeichnet.

Stützen lässt sich diese Erklärung auch insofern, als bekloppt ganz analog mit derselben Bedeutung und mit demselben Hintergrund (klopfen für ›schlagen‹) für ›dumm, schwer von Begriff‹, auch ›verrückt‹ vorkommt. Heinz Küpper – siehe Wörterbuch der deutschen Umgangssprache, Band I/II, 1955/1963 – hat für diese typisch umgangssprachlichen Ausdrücke, die von den allgemeinen Wörterbüchern erst nach 1970 registriert wurden, Belege seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Adjektiv bekloppt ist mit seiner niederdeutschen Form gerade im Berlinischen geläufig.