Groß- oder Kleinschreibung von der eine – der andere
[F] Mir geht es um die Klein- bzw. Großschreibung bei der eine – der andere und die einen – die anderen. Offenbar hat es in den letzten Jahren, was die Rechtschreibreform betrifft, hier eine Änderung gegeben. Wie ist der aktuelle Stand?
[A] Ja, Ihre Erinnerung trügt Sie nicht. Nach der früheren Duden-Orthographie war generell kleinzuschreiben: der eine – der andere, die einen – die anderen (so nach R 66 in der letzten Vor-Reform-Ausgabe 1991), so wie alle, jeder, manche usw. Dies entsprach ja auch der jahrzehntelangen Praxis, und Konrad Duden selbst hatte 1880 in seinem Orthographischen Wörterbuch diese Musterbeispiele aufgeführt: einer u. der andere; einer für alle u. alle für einen; der eine, die einen (die anderen) – aber als Kontrast, und hier ist der Charakter des großzuschreibenden Substantivs deutlich: der Eine (Gott) sieht alles.
Das amtliche Regelwerk aus dem Jahr 1996 hatte in § 58 (5) hier keine Änderung herbeigeführt und die »Zahladjektive« viel, wenig und eben auch (der, die, das) eine, (der, die, das) andere bei der Kleinschreibung belassen, anders als in den Fällen, wenn »hervorgehoben werden soll, dass das Adjektiv nicht als unbestimmtes Zahlwort zu verstehen ist« (§ 58 E4): Sie strebte etwas ganz Anderes (= völlig Neues) an.
Diese Klausel sozusagen ist bei der Revision des neuen Regelwerks erweitert und, etwas unbestimmt belassen, auf Fälle wie die einen – die anderen ausgedehnt worden. Jetzt werden im amtlichen Regelwerk aus dem Jahr 2006 unter § 58 E4 folgende Muster genannt: Sie strebte etwas ganz Anderes an. Die Einen sagen dies, die Anderen das. Die Meisten stimmten seiner Meinung zu. So ist denn z. B. die Schreibung des Filmtitels Das Leben der Anderen ganz regelkonform. Generell freilich und als Standardversion gilt allerdings nach wie vor die Kleinschreibung, wie in § 58 (5) niedergelegt, z. B.: Die einen kommen, die anderen gehen. Was der eine nicht tut, soll der andere nicht lassen. Die meisten haben diesen Film schon gesehen.
Damit ist der aktuelle Stand beschrieben. Man soll und darf sich eben danach richten, ob diese Zahladjektive substantivisch gebraucht werden oder nicht. Gleiches gilt übrigens für die Zahlwörter hundert und tausend. Werden sie »auf die Zahlsubstantive Hundert und Tausend bezogen«, so heißt es unter § 58 E5, können sie klein- oder großgeschrieben werden: Es kamen viele tausende/Tausende von Zuschauern etc. Die Entscheidung wird hier den Schreibenden überlassen, und diese Freiheit sollte man sprachbewusst nutzen.