Ausgabe: Der Sprachdienst 6/2012

Herkunft und Bedeutung von Deuten

[F] »Die Blasebälge und die Deuten« – wie ist Deuten hier wohl zu deuten?

[A] Das Verb deuten ist im Alltag wohl geläufig. Zum einen bezeichnet es eine Zeigegeste, beispielsweise in der Formulierung »auf etwas deuten«. Zum anderen kann deuten als ›auslegen‹ oder ›interpretieren‹ verstanden werden. Im Zusammenhang mit einem Blasebalg besitzt das Substantiv Deuten, wie sich bei den Nachforschungen herausstellte, allerdings eine andere Bedeutung.

Der Text, in dem Deuten im Zusammenhang mit Blasebälge entdeckt wurde, stammt aus dem thüringischen Sprachraum aus der Zeit um 1790. In Hertels Werk »Thüringer Sprachschatz« von 1895 findet sich auch tatsächlich der Eintrag Deute, was als Singularform von Deuten zu vermuten wäre. Der Eintrag Deute verweist hier auf Düte (vgl. »Thüringer Sprachschatz« 1895, S. 81). Düte wiederum bezeichnet eine Papierdüte. Nun mag eine Tüte durchaus an den Sack eines Blasebalgs erinnern. Eine näherliegende Bedeutung fand sich jedoch bei der weiteren Recherche in »Pierer’s Universal-Lexikon«. In dessen vierter Auflage, die zwischen 1857 und 1865 erschienen ist, führte die angenommene Singularform Deute auf die richtige Spur. Unter dem Eintrag Deute wird hier auf Balgliese verwiesen. Balgliese bezeichnet einen Teil vom Blasebalg, womit der Zusammenhang zwischen Deute und Blasebalg hergestellt wäre. Konkret handelt es sich bei der Deute beziehungsweise bei der Balgliese um eine blecherne Röhre, die die Luft aus dem Blasebalg zur ihrem Bestimmungsort führt (vgl. »Pierer’s Universal-Lexikon«, S. 847). Ein Zusatz im Eintrag erläutert weiterhin, dass unter Balgliese zudem der an der Röhre befindliche Deckel zu verstehen ist. Er verhindert, dass nach dem Luftaustritt das zu schürende Feuer durch die Röhre in den Blasebalg eintritt. Die erstgenannte Funktion der Deute, nämlich als Röhre auf das zu schürende Feuer »zu deuten‹«, könnte den Zusammenhang zwischen der uns heute bekannten Bedeutung des Verbs deuten und dem Substantiv herstellen. Ob diese Vermutung richtig ist, lässt sich mit den uns derzeit zugänglichen Quellen jedoch leider nicht beantworten.

Mit der Tatsache, dass der mechanische Blasebalg, auf den sich die Erläuterungen beziehen, in heutiger Zeit wohl nur noch selten zum Einsatz kommt, scheint eine naheliegende Erklärung gegeben zu sein, warum das Substantiv Deuten beziehungsweise Deute heute aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verschwunden zu sein scheint.