Ausgabe: Der Sprachdienst 6/2022

Die Ligatur

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Nicht nur, wer sich mit Schrift und Typografie beschäftigt, hat vielleicht schon einmal von Ligaturen gehört. Zwar handelt es sich um einen Fachbegriff aus dem Druckwesen, doch auch in der Musik und in der Medizin kommt er vor. Das Wort selbst geht zurück auf das spätlateinische ligatura ›Bündel‹ zum Verb ligare, das auch dem Verb legieren im Sinne von ›(ver-)binden‹ zugrunde liegt.

Um eine Verbindung, gar um eine Verschmelzung handelt es sich auch bei einer Ligatur: Von einer solchen spricht man, wenn zwei oder mehr Buchstaben zu einer Form verschmelzen; in der Zeit des Bleisatzes standen solche Lettern zusammen auf einer Drucktype. Doch auch heute noch findet man in unserer Computerschrift Buchstabenverbindungen, die nicht nur so eng aneinanderrücken, dass sie sich berühren und dadurch optische Lücken im Schriftbild geschlossen werden; nein, einige Buchstaben sind im Laufe der Zeit eine so feste Verbindung eingegangen, dass sie heute noch immer auf einer »Drucktype «, nämlich auf einer Taste liegen. Und bei einigen würde man gar nicht vermuten, dass es sich einmal um zwei Buchstaben gehandelt hat.

Beispiele für sich im Schriftsatz oft berührende Buchstaben sind die Verbindungen ff, fl oder fi. Es handelt sich noch um eigenständige Buchstaben, doch wenn sie aufeinanderfolgen, bilden sie in vielen Schriften eine Einheit, indem die Oberlänge oder der Querstrich des f in den nächsten Buchstaben übergeht.

Eine engere Verbindung haben in einigen Sprachen die Buchstaben ae und oe ausgebildet: So verschmilzt ae in den skandinavischen Sprachen zu æ, oe wird im Französischen zu oe; beide werden als eigenständige Buchstaben aufgefasst, die den gleichen Lautwert der jeweiligen Buchstabenverbindung besitzen.

Auch bei unserem typisch deutschen Buchstabe ß handelte es sich ursprünglich um zwei Buchstaben. Es existieren verschiedene Erklärungen für seine Entstehung, so ist er entweder aus einer Verbindung aus langem s und rundem s (»scharfes s«) oder einer Verbindung aus langem s und geschwänztem z (»Eszett«) hervorgegangen.1

Umgangssprachlich bekannt ist das & als Kaufmanns-Und, der ursprüngliche (und heute noch verwendete) Name ist jedoch Et, denn dieses Zeichen ist eine Ligatur aus den Buchstaben e und t, verbunden zu et, lateinisch ›und‹. Heute ist oft viel Fantasie gefragt, um im & d iese b eiden B uchstaben noch auszumachen, aber es gibt durchaus Schriften, oft auch kursive Schriftschnitte, in denen die beiden Einzelbuchstaben deutlicher zu erkennen sind.2

Ja, und selbst beim Dollar-Zeichen $ geht man davon aus, dass es sich um eine Ligatur handelt. Auch hierzu gibt es zahlreiche Mutmaßungen über seine Entstehung; die wahrscheinlichste lautet, dass es sich um eine Überlappung der Buchstaben p und s handelt, die sich aus der Verbindung ps als Abkürzung für die spanische Währung Pesos entwickelt haben soll. Wie es dazu kam, ist eine längere Geschichte …3


[1] Vergleiche hierzu auch das Zeit-Wort in Der Sprachdienst 5–6/2017 bzw. unter https://gfds.de/das-ss/.

[2] Vergleiche hierzu auch die »Frage und Antwort« in Der Sprachdienst 5/2010 bzw. unter https://gfds.de/entstehung-des-kaufmannsund-bzw-et-zeichens/.

[3] … die Sie in Der Sprachdienst 3/2002, S. 127 f., nachlesen können.

Frauke Rüdebusch