Gibt es die Wörter verlautern und verleisern?
[F] Meine Kinder sagen neuestens immer verlautern und verleisern. Ich sagte ihnen, dass es diese Wörter gar nicht gäbe, woraufhin sie meinten, dass das in der Schule viele Kinder sagen. Wer hat denn nun recht?
[A] Wie so oft in Sprachfragen – beide: Sie haben recht, weil verlautern und verleisern natürlich (noch) in keinem Wörterbuch verzeichnet sind (vgl. »Brockhaus Wahrig, Deutsches Wörterbuch«, Gerhard Wahrig u. a. (Hgg.), Wiesbaden, Stuttgart 1980 ff.; »Duden, Universalwörterbuch«, Mannheim, Zürich 2011).
Ihre Kinder haben aber auch recht. Einerseits ist es eine schöne Analogiebildung, die den normalen Regeln des Deutschen folgt: Präfix ver- + Adjektiv = Verb (vgl. verbessern, verschlimmern, verdunkeln, vereinfachen). Resultat der Tätigkeit ist also wiederum ein Adjektiv (besser, schlimmer …), vgl. Wolfgang Fleischer, Irmhild Barz, »Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache«, Tübingen 1992. Solche Analogiebildungen, auch wenn sie dann »falsch« sind, treten im Spracherwerbsprozess relativ häufig auf.
Zum anderen stehen die Kinder vor einem Dilemma: machen und tun soll man ja auch nicht sagen, also ist lauter/leiser machen auch nicht wirklich gut. Und interessanterweise findet man im Internet zahlreiche Nachweise, die einen verbreiteten Gebrauch von verlautern und verleisern belegen. So werden beispielsweise Rechner »verleisert «, indem neue, leisere Lüfter eingebaut werden; oder MP3s werden »verlautert«, indem digital die Lautstärke erhöht wird. Auch Auspuffe von Kfz werden verlautert bzw. verleisert.
Es ist wahrscheinlich so, wie so oft in der Sprachgeschichte: Die »Fehler« von heute sind die Regeln von morgen. Gut möglich, dass beide Verben demnächst im Wörterbuch stehen. Sie schließen ja einerseits eine semantische Lücke (es gibt bis dato kein Verb, welches den jeweiligen Sachverhalt beschreibt) und sie sind morphologisch/syntaktisch korrekt gebildet.
Die Zukunft und der Sprachgebrauch werden zeigen, ob sich diese beiden Formen durchsetzen, auf jeden Fall ist es ein sehr schönes Beispiel, wie sich der Wortschatz einer Sprache aktuell verändert.