Ausgabe: Der Sprachdienst 3-4/2019

»Hallo, ich bin da!« – Und nun?

Geburtsanmeldung und Vornamenbeurkundung im Standesamt

© Standesamt Wiesbaden

Über die in Deutschland vergebenen Vornamen der letzten Jahrzehnte kann die GfdS vielfältige Auskünfte geben. Was aber den Ablauf einer Geburtsanmeldung betrifft oder die standesamtliche Eintragung von Vornamen samt eventueller Komplikationen angeht, lässt sich aus unseren Erhebungen nicht herauslesen. Grund genug also, eine Expertin auf diesem Gebiet zu befragen: Wir haben mit Anne Lorenz, der Teamleiterin im Bereich Geburten beim Standesamt Wiesbaden, gesprochen und sie erklärt uns alles, was man zum Thema Geburtsanmeldung und Namensbeurkundung wissen muss.

[GfdS]: Liebe Frau Lorenz, wie läuft eigentlich die Geburtsanmeldung ab?

Anne Lorenz: Das Standesamt Wiesbaden bietet die vorgeburtliche Anmeldung an. Vorgeburtliche Anmeldung bedeutet, dass die Eltern ab Beginn der Mutter­schutzfrist mit den erforderlichen Unterlagen bei uns vorsprechen können und wir vorab alles für die Geburtsbeurkundung vorbereiten. Hierfür kann bei uns online ein Wunschtermin gebucht werden, bei dem wir die Unterlagen sichten und prüfen und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Falls der Name für den Nachwuchs bereits feststeht, geben ihn die Eltern im Rahmen der vorgeburtlichen Anmeldung an. Mütter und Väter, die sich noch nicht festlegen wollen, die sich noch nicht einig sind oder das Kind erst sehen möchten, füllen die Namensgebung auf der Geburtsanzeige in der Klinik aus. Sobald das Baby auf der Welt ist und wir die Geburtsanzeige von der Klinik erhalten, beurkunden wir die Geburt und schicken den El­tern die Urkunden ganz bequem nach Hause. Dass die Geburtsbeurkundung schnell erfolgt, ist ein großer Vorteil für alle Beteiligten.

Um die vorgeburtliche Anmeldung publik zu machen und wichtige Informationen rund um die Geburtsanmeldung kompakt bereitzustellen, ha­ben wir die Elternmappe entwickelt. Diese wird auf den Elterninfoabenden der Wiesbadener Klini­ken verteilt. Auf der Homepage unseres Standes­amts ist sie ebenfalls aufrufbar.1

»Das Standesamt Wiesbaden bietet die vorgeburtliche Anmeldung an. […] Dass die Geburtsbeurkundung schnell erfolgt, ist ein großer Vorteil für alle Beteiligten. […] Wir sind stolz auf unsere innovative Idee, die kein anderes Standesamt deutschlandweit anbietet.«

Neben einem Zeitstrahl, der den Ablauf chronologisch verdeutlicht, einer Checkliste, welche Un­terlagen zur Geburtsbeurkundung benötigt wer­den, verschiedenen Merkblättern (u. a. auch zur Namensgebung) und der Beantwortung häufig gestellter Fragen beinhaltet die Elternmappe einen Flyer der Gesellschaft für deutsche Sprache namens »Anakin, Sunshine, Zwaantje – Darf mein Kind so heißen?«. Um noch mehr Eltern informieren zu können, gibt es die Elternmappe mittlerweile auch in englischer und französischer Sprache.

Oft sitzen Eltern vor mir oder meinen Kolleginnen und zeigen ihre Begeisterung hinsichtlich der Elternmappe und vorgeburtlichen Anmeldung. Wir sind stolz auf unsere innovative Idee, die kein anderes Standesamt deutschlandweit anbietet.

Kommen die Eltern immer noch direkt zum Standesamt oder erhalten Sie die Unterlagen aus dem Krankenhaus und haben damit gar keinen Kontakt zu den Eltern? Ist mittlerweile auch eine elektronische Anmeldung möglich?

Grundsätzlich benötigen wir von den Eltern Dokumente, die unsererseits geprüft werden, bevor eine Geburt beurkundet werden kann. Das sind in der Regel Ur­kunden und Ausweisdokumente. So wird bei Verheirateten beispielsweise die Eheurkunde benötigt, als Nachweis dafür, dass die Eltern eine Ehe führen und wir den Ehemann der Mutter als Vater in die Geburtsurkunde eintragen können. Falls Eltern schon ein Kind bei uns angemeldet oder bei uns geheiratet haben, sind die Daten bereits hinterlegt und es ist überhaupt nicht erforderlich, dass sie zu uns kommen – außer es haben sich in der Zwischenzeit irgendwelche Änderungen ergeben.

Eine elektronische Anmeldung ist derzeit leider noch nicht möglich. Allerdings ist die Digitalisierung der Geburtsanmeldung unser großes Ziel. Vor allem vor dem Hintergrund des Onlinezugangsgesetzes, welches den Behörden von Bund, und Kommunen vorschreibt, Verwaltungsdienstleistungen bis 2022 über Verwaltungsportale online anzubieten. So könnte zukünftig die Beurkundung einer Vaterschaftsanerkennung per Video-Ident-Verfahren durchgeführt werden, welches das bisher zwingend notwendige Erscheinen der Beteiligten im Standesamt ersetzt.

Wie lange haben die Eltern Zeit für die Geburtsanmeldung?

Die Krankenhäuser sind gesetzlich dazu verpflichtet, uns die Geburt eines Kindes binnen einer Woche anzuzeigen. Viele bürokratische Abläufe machen die Vorlage einer Geburtsurkunde erforderlich. Nach der Geburt gilt es, etliche Formalitäten zu erledigen. Neben der Beantragung von Kindergeld, Elterngeld und der Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft wird die Geburtsurkunde für den Arbeitgeber benötigt und um einen Reisepass für das Kind ausstellen zu lassen und einiges mehr. Daher ist es ein sehr großes Anliegen der Eltern, die Geburtsurkunde so schnell wie möglich in den Händen zu halten.

Nach welchen Kriterien gilt ein Vorname bei Ihnen als eintragungsfähig?

Das Recht der Vornamensgebung ist in Deutschland gesetzlich nicht geregelt. Es handelt sich um Gewohnheits- und um Richterrecht. Dennoch gilt es, bestimmte Richtlinien zu beachten. Unter anderem muss der Vorname als solcher erkennbar sein. Die Eltern sollten bei der Suche nach einem passenden Namen für ihr Kind vor allem an dessen Wohl denken und ihm durch die Vornamensgebung nicht schaden.

Hat sich in den vergangenen Jahren etwas an der Rechtslage geändert?

Bezüglich der Geschlechtsgebundenheit von Vornamen gab es 2008 eine Ände­rung. Vorher sollte laut einer Dienstanweisung für Standesbeamtinnen und -be­amten sowie Aufsichtsbehörden der Vorname eindeutig männlich oder weiblich sein. Handelte es sich um einen geschlechtsneutralen Vornamen, sollte der Stan­desbeamte verlangen, dass dem Kind ein weiterer geschlechtseindeutiger Vorna­me gegeben wird. Das Bundesverfassungsgericht sprach sich dagegen aus, sodass mittlerweile auch geschlechtsneutrale Vornamen vergeben werden können, die allein stehen.

»Bezüglich der Geschlechtsgebundenheit von Vornamen gab es 2008 eine Ände­rung […], sodass mittlerweile auch geschlechtsneutrale Vornamen vergeben werden können, die allein stehen.«

Wie gehen Sie mit ungewöhnlichen Namen um, die den genannten Kriterien nicht entsprechen bzw. die im Standesamt nicht gefunden werden?

In diesen Fällen halten wir Rücksprache mit den Eltern, hinterfragen den Vorna­menswunsch und verweisen an die Gesellschaft für deutsche Sprache.

Was passiert, wenn die Eltern sich in der Zeit, die sie für die Geburtsanmeldung haben, nicht auf einen Namen festlegen können bzw. der Name nicht eintragungsfähig ist, die Eltern aber nicht davon abrücken wollen?

Der Vorname oder die Vornamen eines Kindes müssen gemäß Personenstands­gesetz binnen eines Monats angezeigt werden. Bleibt dies aus, beurkunden wir das Kind ohne Vornamen. Gleichzeitig benachrichtigen wir das Familiengericht, damit sichergestellt wird, dass die Sorgeberechtigten ihrer Pflicht zur Vornamensgebung nachkommen. Der oder die Vornamen können nachträglich problemlos angezeigt werden.

Bestehen die Eltern auf der Eintragung eines Vornamens, der nicht den bereits angeführten Richtlinien entspricht und den wir dementsprechend ablehnen, steht es den Eltern frei, den gerichtlichen Weg zu gehen.

Können die Eltern die Namenseintragung nachträglich noch ändern? Wenn ja: wie lange?

Die von den Eltern auf der Geburtsanzeige unterschriebene Namensgebung enthält den Zusatz , dass die für das Kind vorgenommene Namensgebung richtig und vollständig ist und auch hinsichtlich der Schreibweise dem ausdrücklichen Willen der Eltern entspricht. Weiterhin weisen wir darauf hin, dass nach der Beurkundung durch das Standesamt keine Änderungen mehr möglich sind.

Dies sorgt dafür, dass ein Vorname nicht einfach ohne Weiteres nach Beliebigkeit geändert werden kann. Es gibt allerdings in Ausnahmefällen die Möglichkeit, einen Vornamen im Nachhinein ändern zu lassen. So kann beispielsweise über die Namensänderungsbehörde ein Antrag auf öffentlich-rechtliche Namensänderung gestellt werden. Dies geht jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen und zu erfüllenden Kriterien.

Bei der Auswertung der Vornamenslisten fallen uns immer wieder offensichtliche Tippfehler auf (Sphie, Wilhlem, Öouise, Kathirn etc.). Wie wird damit verfahren?

Ein Kind muss natürlich nicht sein Leben lang den Vornamen Sphie führen. Offensichtliche Tippfehler unsererseits können wir problemlos berichtigen und somit aus der Sphie eine Sophie machen.

Haben sich die Vornamenswünsche Ihrer Einschätzung nach in den vergangenen Jahren verändert?

Betrachtet man die Veränderung über eine längere Zeitspanne hinweg, kann man beobachten, dass die Vornamenswünsche immer internationaler werden. Ein großer Einfluss geht von den Medien aus. Musik, Fernsehen, Internet und Literatur haben bewusst oder unbewusst Auswirkungen auf die Vornamenswünsche der Eltern. Als Kontrast zur globalen Namensvielfalt entwickelte sich aber auch eine Gegenströmung, und traditionelle Namen älterer Generationen erfahren eine neue Beliebtheit. Zusätzlich nimmt das Streben nach Individualität einen großen Stel­lenwert ein. Die Einzigartigkeit der Kinder sollte sich auch in einzigartigen Namen widerspiegeln.

»Man kann beobachten, dass die Vornamenswünsche immer internationaler werden. Als Kontrast zur globalen Namensvielfalt entwickelte sich aber auch eine Gegenströmung, und traditionelle Namen älterer Generationen erfahren eine neue Beliebtheit.«

Macht sich die Möglichkeit, ein drittes Geschlecht anzugeben, bemerkbar? Sind die Vornamen, die für diese Kinder gewählt werden, überwiegend geschlechtsneutral?

Hierzu kann ich leider keine Auskunft geben, da wir seit der Gesetzesänderung bezüglich des dritten Geschlechts noch kein Kind mit »divers« eingetragen haben.

Welchen Anteil machen die Namen von Migrantenkindern aus? Sehen Sie eine deutliche Zunahme?

Die Anzahl der Geburten von Migrantinnen und Migranten ist in den letzten Jah­ren deutlich gestiegen. Die Mehrheit dieser Eltern entscheidet sich dafür, ihren Kindern einen Namen zu geben, der aus ihrem kulturellen Hintergrund stammt. Andererseits gibt es aber auch einige, die sich bewusst für einen »typisch deut­schen« Vornamen entscheiden oder beides kombinieren. Tradition und Integration scheinen hierbei als Motive für die Namenswahl ursächlich zu sein.

Liebe Frau Lorenz, herzlichen Dank für dieses interessante und aufschlussreiche Interview.


1 Zu finden unter https://www.wiesbaden.de/vv/medien/merk/31/Elternmappe_komplett_2.0.pdf_NEU.pdf.

Anne Lorenz


absolvierte ihr Magisterstudium der Germanistik mit den Nebenfächern Philosophie und Psychologie an der Techni­schen Universität Darmstadt. Anschließend schloss sie in der Landeshauptstadt Wiesbaden erfolgreich ihren Bache­lorstudiengang im Bereich der Allgemeinen Verwaltung ab. Seit September 2013 ist sie im Standesamt Wiesbaden tätig, wo sie derzeit die Position der Teamleiterin im Bereich Ge­burten innehat.